Unterhaltung

Youssefian überquert rote Linie Weshalb RTL richtig gehandelt hat

ibes.jpg

Es ist gerade mal Tag 4 im Dschungelcamp. Und schon fliegen die Fetzen, als gäbe es kein Morgen mehr. Bei einem Reality-TV-Format durchaus gewollt. Doch mit einer rassistischen Beleidigung überschreitet Janina Youssefian eine rote Linie und fliegt aus dem Camp. Zu Recht.

Es gab schon einmal einen ähnlichen Vorfall. Das war 2008 in der dritten Staffel von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!". Damals betraf es den Hip-Hopper DJ Tomekk. Während die Show ausgestrahlt wurde, tauchte ein privates Video auf, das der Musiker kurz vor seinem Einzug ins Camp gefilmt hatte. Zu sehen war, wie er "Deutschland, Deutschland über alles" sang, dazu den rechten Arm ausstreckte und etwas murmelte wie: "So viele Ausländer sind im Haus."

Als der Clip publik wurde, zog RTL umgehend die Reißleine. DJ Tomekk verschwand sang- und klanglos aus der Show. "Da gibt es für uns keine Diskussion. So jemand hat bei RTL nichts verloren", begründete der Sender seinerzeit seine Entscheidung.

Tomasz Kuklicz, wie DJ Tomekk mit bürgerlichem Namen heißt, reagierte zunächst darauf mit Unverständnis und Gedächtnislücken. "Ich habe von einer dritten Person gehört, dass darauf angeblich der Hitler-Gruß zu sehen sein soll", gab er sich ahnungslos. Vielleicht habe er einen "Flachs" gemacht. "Meine Freundin ist schwarz", versuchte er, den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit zu entkräften.

Erst später ruderte er reumütig zurück. Er entschuldigte sich für seinen "niveaulosen Humor" und erklärte: "Mein dummes Witz-Gelaber tut mir unendlich leid." Er verwies auf seine polnische Herkunft und versicherte, er sei "pro-semitisch" und "pro Multikulti".

Klare Kante

Strickmuster und Ablauf gleichen erstaunlich dem jetzigen Skandal um die geschasste Janina Youssefian. Erst rutscht ihr im Dschungelcamp eine rassistische Beleidigung ihrer Mitstreiterin Linda Nobat heraus. Dann reagiert sie zunächst mit Unverständnis auf die Hinweise der anderen Camper und Camperinnen, dass sie zu weit gegangen sei. Und nun, nach ihrem Rauswurf aus der Show, möchte sie sich dann doch "öffentlich für meine Äußerungen entschuldigen".

So ist es in einem mit den Worten "Ich bin gegen Rassismus" überschriebenen Post auf ihrer Instagram-Seite zu lesen. Es tue ihr "aufrichtig leid", so Youssefian. "Mein Verhalten und meine Äußerung Linda gegenüber sind nicht zu entschuldigen." Das in Teheran geborene Model verweist darauf, selbst einen Migrationshintergrund und deshalb ebenfalls schon Rassismus erfahren zu haben. Sie wisse, "wie schmerzlich es ist. Es ist die unterste Form einer Beleidigung."

Nein, DJ Tomekk und Janina Youssefian passen ganz sicher nicht in die Schublade des Vollblut-Nazis oder der Hardcore-Rassistin. Ihnen beiden ist vielmehr etwas unterlaufen, was gesellschaftlich viele wohl nach wie vor erst einmal als "nicht so schlimm" abtun würden. So sind sie eher Paradebeispiele für den Alltags-Chauvinismus und -Rassismus, der allgegenwärtig ist. Vor allem ihre zunächst verständnislosen Reaktionen sprechen Bände darüber, dass es mit der Reflexion dieses Problems selbst bei Menschen, die es aus eigener Erfahrung eigentlich besser wissen müssten, noch immer nicht allzu weit her ist.

Deshalb ist es gut und richtig, dass RTL in beiden Fällen klare Kante gezeigt hat. Streitereien, Tumult und Diadochenkämpfe in Reality-Shows hin oder her - wenn es rassistisch, sexistisch, antisemitisch oder homophob wird, ist eine rote Linie überschritten, deren Überschreitung nicht länger toleriert wird. Punkt.

Der Segen der Reality-Shows

Man hätte sich gewünscht, das hätte auch schon bei "Promis unter Palmen" gegolten. Als Marcus Frank Adolf Eberhardt, besser bekannt als Marcus Prinz von Anhalt, im vergangenen Jahr mit homophoben Beleidigungen in der Sendung um sich warf, hatte das für ihn zunächst keine Folgen. Er blieb Teil der Show, bis er schließlich von seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern hinausgewählt wurde.

Der Sender Sat.1 zog erst nach einem öffentlichen Aufschrei nach und nach Konsequenzen. Erst verschwanden die betreffenden Folgen aus der Mediathek, dann wurde der Adoptiv-Prinz aus dem Vorspann geschnitten. Und schließlich schloss sich gleich über dem gesamten Format der Sargdeckel. Sogar die bereits aufgezeichneten Folgen wurden "aus Pietätsgründen" nicht mehr gezeigt. Das jedoch nicht mit Blick auf den Pöbel-Prinz, sondern weil mit Willi Herren ein anderer Teilnehmer während der Ausstrahlung gestorben war.

So sehr Reality-Shows nur ein Sandkorn im großen Weltlauf sind und entsprechend belächelt werden, so sehr vermögen sie es dann doch, gesellschaftliche Debatten anzustoßen. Kein Wunder, sind sie doch letztlich nur ein Spiegel dessen, was um sie herum geschieht. Zumal in Zeiten, in denen es genügt, mal bei der "Bachelorette" vorgesprochen oder mit Dieter Bohlen ein Stelldichein gehabt zu haben, um als "Star" von der Leine gelassen zu werden. So hat der jetzige Skandal um Janina Youssefian vielleicht auch sein Gutes, wirft er doch ein Schlaglicht auf ein viel zu oft verniedlichtes Problem.

Das TV-Publikum hat das Wort

Youssefian fühlt sich gleichwohl ungerecht behandelt. Schließlich wurde sie von Nobat nach Strich und Faden gemobbt und als "dummer Mensch", "ekelhafte Person" oder "Bitch" verunglimpft. Auch das spiegelt die Entgrenzungen wider, wie sie etwa in den sozialen Netzwerken auch außerhalb des Camps leider längst gang und gäbe sind. "Es wäre richtig gewesen, uns beide rauszunehmen", findet Youssefian deshalb.

Individuell ist das nachvollziehbar. Beiden die gleiche Strafe des Show-Rauswurfs zuteil werden zu lassen, hätte jedoch ihre "unterste Form einer Beleidigung", wie sie selbst einräumt, relativiert. Auch deshalb war die Entscheidung, wie sie RTL getroffen hat, richtig.

Dennoch: Darüber, was trotz aller Lust am Krawall in Reality-Shows noch durchgewunken werden darf, wurde auch schon nach dem Mobbing-Eklat um die Ex-"Bachelor"-Kandidatin Eva Benetatou im "Sommerhaus der Stars" 2020 heftig debattiert. Die Diskussion darf gerne weitergehen. Und vielleicht gibt es dann auch hier mal eine rote Linie, die nicht länger überschritten werden darf.

Bis dahin ist es nun in der Hand der Zuschauerinnen und Zuschauer, Linda Nobat die Grenzen aufzuzeigen. Sie dürfte sich bestimmt auf noch einige weitere Dschungelprüfungen "freuen". Und ihre Hoffnung, womöglich Dschungelkönigin zu werden, kann sie bereits jetzt begraben.

"Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!": Daniel Hartwich und Sonja Zietlow führen wie gewohnt durch die Sendung, bis sich am 5. Februar entscheidet, wer Dschungelkönig oder Dschungelkönigin wird. Am 6. Februar findet das "Große Wiedersehen" aller Dschungel-Stars statt. Die Show ist auch auf RTL+ abrufbar.

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 25. Januar 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen