Manchester singt gegen Terror What's wrong with the world, Mama?
05.06.2017, 00:47 Uhr
Zwei Teenie-Stars mit großer Botschaft: Ariana Grande herzt Miley Cyrus.
(Foto: AP)
Ein Benefizkonzert, was soll das bringen? Alles! Dass Leute feiern, glücklich sind - etwas, das Terroristen ablehnen. Musik verbindet und zeigt, dass alle Menschen - irgendwie - gleich sind. Sie lassen sich nicht einschüchtern. Nicht in Manchester, nicht in London, nirgendwo.
Große Gefühle werden durch Musik transportiert, schon immer. Heute Abend dringt die Musik in die ganze Welt, von einem Ort, der vor kurzem von einem tragischen Unglück heimgesucht wurde. Vor knapp zwei Wochen starben 22 Menschen, überwiegend Kinder und Jugendliche, bei einem Konzert der Sängerin Ariana Grande in Manchester. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich nach dem Konzert in der Vorhalle des Manchester City Stadions in die Luft. Nach einer Art Schockstarre ob dieser neuen, noch kaltblütigeren Art, das hässliche Gesicht des Terrorismus zu zeigen, reagieren nun Stars aus aller Welt und zeigen ihr schönstes Gesicht. Das Gesicht, das singt, das Freude hat. Da machen Menschen Musik über alle Länder- und Altersgrenzen hinweg. Da singt vor allem Ariana Grande, die dieses Benefizkonzert hauptsächlich initiiert hat, die an den Ort zurückkehrt, der einer so jungen Sängerin wie ihr einen riesigen Schock versetzt haben muss. Man mag die Musik von Ariana Grande finden wie man will - dass die 23-Jährige so schnell wieder nach Manchester kommt, an den bestimmt düstersten Ort ihrer Karriere, ist ihr hoch anzurechnen. Und die, die sie um sich versammelt hat, sind an Prominenz kaum zu überbieten. Und wer nicht, wie Miley Cyrus, Take That, Niall Horan von "One Direction", Liam Gallagher, Pharrell Williams oder die Black Eyed Peas vor Ort auftritt, der sendet eine Video-Botschaft, wie zum Beispiel David Beckham, Stevie Wonder oder Sir Paul McCartney. Und alle haben eine Message: "We Stand With Manchester".
Sicher wurde überlegt, dieses Benefizkonzert abzusagen, vor allem nach dem, was vor nur wenigen Stunden in London passiert ist. Und sicher ist es schwer für manche Menschen, sich vorzustellen, wie man an Tagen wie diesen feiern und tanzen kann. Aber hier geht es nicht nur ums Feiern und Tanzen, hier geht es um die Sache. Hier wird Geld gesammelt für die Opfer. Hier wird ein Zeichen gesetzt. Wie an vielen anderen Orten auch. "Rock am Ring" geht weiter, Udo Lindenberg tanzt bei jedem seiner Konzerte mit der "bunten Republik Deutschland" und bittet, bettelt geradezu darum - just an diesem Wochenende wieder geschehen -, dass wir uns doch alle liebhaben. Ja, wir werden weiter auf Konzerte gehen. Frauen werden Frauen lieben, Männer werden Männer lieben. Mädchen werden weiterhin Jungs und Jungs werden Mädchen lieben. Eltern ihre Kinder, und umgekehrt, Russen werden Amerikaner lieben und Israelis werden Palästinenserinnen heiraten. Deutsche werden weiterhin ihre Willkommenskultur pflegen, und Franzosen werden uns zeigen, wie die Liebe über alle Altersgrenzen hinweg funktioniert. Frauen werden Auto fahren und arbeiten, Männer werden kochen und putzen und Kinder erziehen. Mädchen lernen lesen, Jungs auch.
Wenn Bieber predigt und Perry therapiert
Zurück nach Manchester: Justin Bieber bekämpft das Böse mit Musik - sagt er, und die Teenies kreischen und rasten aus. Zu Recht, ihr dürft das! Schreit! Schreit, ihr müsst später noch oft genug die Klappe halten. "Go, and love yourself" singt er. Ja, liebt euch, Leute! Junge Leute dieser Welt, liebt euch selbst und andere. Wehrt euch, wehrt euch gegen die, die euch bedrohen und euch nehmen wollen, was eure Eltern und Großeltern für euch erkämpft haben! Der Justin Bieber, der hier auf der Bühne steht, ist ganz schön erwachsen geworden - er predigt fast: "Gott ist unter euch, und auch mitten im Bösen, da ist Gott. Hebt die Hände und sagt 'Wir lieben euch' zu denen, die bei dem Anschlag vor ein paar Tagen ums Leben gekommen sind." Justin Bieber muss man nicht super finden, aber singen kann er, und sein Gebet kommt an bei den Kids. Musik schafft, was keine Religion kann.
"Liebe besiegt Angst" - ruft Katy Perry den 50.000 Leuten in Manchester und den Millionen, die das Konzert im Fernsehen oder im Live-Stream verfolgen, zu - und fordert alle Zuschauer auf, sich zu sagen, dass sie sich lieben. Eine Übung, die zuerst albern wirkt, aber machen Sie das mal - sagen Sie der nächsten Person, die neben Ihnen steht, dass Sie sie lieben. Mögen zumindest. Respektieren wenigstens. Sie lachen, finden das blöd, verständlich. Aber wenn wir das alle machen würden, dann würden wir niemanden umbringen. Auftritt Coldplay. "Fix you". Ja, bitte, macht uns gesund, macht uns ganz, für einen Moment. Der "Parrs Wood High School Choir" singt mit Ariana Grande "My Everything" - und hier geht es nicht um den Gesang an sich, es geht um die Botschaft. Um den Zusammenhalt, die Solidarität. Es geht um Kinder! Kinder! Zwei Kinder dieses Schulchors waren beim Ariana-Grande-Konzert - sie haben überlebt. Aber sie weinen trotzdem auf der Bühne. So etwas sollte keinem Kind passieren! Versteht ihr das? Ihr, die ihr kein Herz habt, ihr, die ihr keine Zukunft seht, keine Zukunft seid. Ihr, die ihr euch selbst in die Luft sprengt! Eure Mütter weinen bestimmt um euch verlorene Söhne, wenn auch heimlich. Denn jede Mutter will sehen, wie ihr Kind wächst, glücklich wird, selbst Kinder bekommt. Jede Mutter hat eine Vorstellung, wenn sie ihr Baby zum ersten Mal im Arm hält. Sie denkt nicht: Hoffentlich wird er Selbstmordattentäter. Sie denkt, hoffentlich wird er Arzt. Hoffentlich wird er alt. Hoffentlich wird er anderen helfen.
Hallo aus Manchester! Am Schluss ist auch Ariana Grandes Stimme brüchig - als sie mit allen Künstlern des Abends auf der Bühne steht. Aber eines ist sicher: Große Gefühle werden durch Musik transportiert - für immer.
Quelle: ntv.de