
Ein Erdmännchen kommt selten allein. Das gilt auch für die tierischen Krimi-Hauptdarsteller.
(Foto: Roland Weihrauch/dpa)
Tierische Superstars gibt es zuhauf: Flipper, Fury, Lassie, Ostwind. Kommissar Rex' Spürnase ist legendär. Doch zwei Erdmännchen stellen alle in den Schatten: Vorwitzig und mit bissigen Dialogen machen sie auf Sherlock Holmes und Dr. Watson. So süüüß!
Gier ist geil. Das wissen wir seit Oliver Stones Meisterwerk "Wall Street". Auch wenn der Film Jahrzehnte zurückliegt, Gordon Gekkos Leitmotiv hat bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren. Denn jeder weiß: Die erste Million ist die schwerste, jede weitere ist dagegen ein Kinderspiel. Dass Reiche und Superreiche ihren Hals da nicht vollkriegen, liegt auf der Hand. Der "Ocean's Club" ist der Beweis: Dabei handelt es sich um teilweise stinkreiche Menschen, die ihre Gier nach noch mehr Geld durch kriminelle Machenschaften befriedigen. Ihre Masche: ein marodes Schiff, überteuert versicherte, einzigartige Gegenstände raufgepackt - und dann ab mit dem Schiff auf den Grund des Meeres. Je tiefer, desto besser! Doch ein Berliner Bulle ist dem Club auf der Spur.
Bevor er ein Treffen der mafiösen Vereinigung auf einem Kreuzfahrtriesen auffliegen lassen kann, geht er jedoch über Bord. Der Club kann weiter Schiffe versenken und reicher und reicher werden.

Hinter dem Schriftsteller-Pseudonym Moritz Matthies verbergen sich die beiden Bestsellerautoren Hans Rath und Edgar Rai.
(Foto: Sophie von Heppe/dtv)
Denkste! Denn der Bulle hatte einen guten Freund, den einstigen Privatdetektiv Phil. Der ist zwar mittlerweile bei einer Security-Firma angestellt, die den Berliner Zoo zu ihren Kunden zählt. Doch für seinen alten Buddy schlüpft Phil noch einmal in die Rolle des Privatermittlers. Mit Europol im Rücken heuert er auf dem Kreuzfahrtschiff im Entertainmentbereich an. Seine Tarnung: eine Nummer mit zwei Erdmännchen. Phil tut so, als ob die niedlichen Tiere ihn verstünden und er sie. Ein Mensch, der Erdmännisch spricht? Wenn man jahrelang Kampftrinker ist und das Frühstück schon aus Single Malt besteht, ist das durchaus möglich. Phil macht sich mithilfe von Ray und Rufus an die Arbeit, dem "Ocean's Club" das Handwerk zu legen.
So süß, süß, süüüß!
Was da so hanebüchen klingt, ist irre komisch und seit Jahren Bestsellerstoff. "Schiffe versenken" ist der mittlerweile achte Streich von Moritz Matthies, einem Pseudonym, hinter dem sich das erfolgreiche Autorenduo Hans Rath und Edgar Rai verbirgt. Angefangen hat alles mit "Ausgefressen". Hier sind Ray und Rufus mitsamt ihrem Clan noch im Berliner Zoo ansässig. Sie posieren auf ihrem Feldherrenhügel, machen sich über die Zoobesucher lustig, ergaunern sich Süßigkeiten und genießen so ihr Dasein. Aber vor allem für Ray und Rufus ist Letzteres nicht einfach: Ray ist unsterblich in ein Chinchilla-Weibchen verliebt, Rufus ist ein Genie, gefangen im Körper eines Erdmännchens.
Als Phil da plötzlich vor dem Gehege steht, volltrunken, und er ein Gespräch der beiden Tiere versteht, ist das der Grundstein für eine aufreibende und wahnwitzige Freundschaft - und für Ray die Möglichkeit, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: Privatdetektiv sein. Gemeinsam mit Phil lösen sie mehrere knifflige Fälle, beziehen dabei die anderen Tiere des Zoos mit ein, seien es Vögel, Nashörner, Löwen oder "Kong", den Berggorilla und "Paten des Zoos". Ray und Rufus nehmen es mit Ratten und einem Drogendealer auf ("Voll Speed"), ermitteln im Auftrag einer Rassestute im Todesfall ihres Geliebten, eines Rennpferdes ("Dumm gelaufen"). Als Phil eines Tages angeschossen vor dem Erdmännchen-Gehege zusammenbricht, bekommen es die Meisterschnüffler mit einem kaltblütigen Berliner Verbrecher zu tun ("Dickes Fell") und ihre sympathische, herzensgute Gruppe mit Mo und Lea, Phils Geliebte und Tochter, Zuwachs. In "Letzte Runde" gibt dann ein verrückter Milliardär den Widersacher und der ganze Zoo hilft, ihn am Ende zur Strecke zu bringen.
Danach verliert der Berliner Zoo ein Besucherhighlight: Die Erdmännchen sollen nach Norwegen verkauft und in zwei Baumärkten ausgestellt werden. Das Todesurteil für die Savannentiere aus Afrika. In einer Nacht- und Nebelaktion verschwinden Ray, Rufus und der gesamte Clan ("Der Wald ruft"). Sie kommen nicht weit - sie landen als Flüchtlinge in einem Wald in Brandenburg. Zu Phil besteht kein Kontakt mehr. Der wird erst wieder am Ende des siebten Buches ("Da ist was im Busch") hergestellt, nachdem Ray und Rufus Abenteuer mit diktatorischen Keilern, spaßwütigen Waschbären, einem homosexuellen Pinguinpärchen und einer mafiösen Bärenbande durch- und überlebt haben, führt ihre Reise nun eben auf das Meer hinaus, an Bord eines Kreuzfahrtriesen. Ray, Rufus und Phil im Einsatz gegen den verbrecherischen "Ocean's Club" - und für die Rettung Kongs, der nach Sydney verschifft werden sollte, teuer versichert …
Mehr, mehr, mehr davon!
Eines ist sicher: Bei der Lektüre von "Schiffe versenken" wird es Tränen geben. Tränen der Freude, der Trauer. Als Leser kommt man aus dem Lachen kaum heraus, wird aber auch zum Nachdenken angeregt, grübelt mit, ist Teil des kongenialen Schnüffler-Trios. Dabei ist es egal, ob das achte Buch das erste ist. Denn auch wenn sich die Charaktere innerhalb der einzelnen Bände weiterentwickeln, bleiben sie sich im Grundtenor treu: Ray ist der Checker, der Erdmann mit Intuition. Rufus dagegen ist das verkannte Genie, ein IQ vermutlich wie Einstein oder Hawking. Er ist technisch auf der Höhe der Zeit, kommuniziert via iPhone, kann lesen, schreiben und rechnen.
Gemeinsam sind die beiden Brüder aus dem ersten Wurf die Sympathieträger der Bücher. Einzig Kong kann ihnen da ab und an das Wasser reichen. Oder überflügelt sie sogar, wenn man statt der bei Fischer und DTV erschienenen Bücher auf die bei Argon veröffentlichten Hörbücher zurückgreift. Denn die werden von Christoph Maria Herbst gelesen. Nuschelnd, lispelnd, stotternd - gibt er jedem einzelnen Tier eine Stimme - mit Charakter.
Dass das nur gelingen kann, weil die Bücher an sich schon grandios sind - geschenkt! Spätestens wenn ein Berggorilla Goethe zitiert ("Jugend ist Trunkenheit ohne Wein"), weiß man als Leser, dass man etwas Besonderes in Händen hält. Die Gier nach den "Erdmännchen-Krimis" ist bereits nach dem ersten Band geweckt, aber auch das achte Buch hat sie noch nicht befriedigt. Band neun muss folgen!
Quelle: ntv.de