Kino

Neuer Marvel-Streifen im Kino "Doctor Strange 2" versucht sich im Horror

Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) irrt durch viele Universen.

Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) irrt mit America Chávez (Xochitl Gómez, r.) durch viele Universen.

(Foto: Marvel Studios/Walt Disney Studi)

Mit "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" stößt Marvel das Tor zum Multiversum weit auf. Doch was dahinter zum Vorschein kommt, ist weniger "wahnsinnig", als der Titel vermuten lässt.

Wer "Spider-Man: No Way Home" oder die Serien "WandaVision" und "Loki" gesehen hat, wurde bereits ein bisschen auf die ungeahnten Tiefen des Marvel Cinematic Universe (MCU) vorbereitet - Multiversum inklusive. Dieses entsteht, wenn ein Wesen den vom "wahren Zeitstrahl" vorgeschriebenen Pfad verlässt und somit eine neue Zeitlinie kreiert. Das Phänomen wird Nexus-Vorfall genannt und ermöglichte, dass in "Spider-Man 3" mit Tom Holland, Tobey Maguire und Andrew Garfield gleich drei Peter-Parker-Varianten in Erscheinung traten.

In "Loki" wurde das Ganze bereits etwas näher erklärt: Wenn der Zeitstrahl durch einen Nexus-Vorfall beschädigt wird, dann droht nicht nur die Erschaffung eines Multiversums, sondern auch der "Wahnsinn" - der nun titelgebend für die Rückkehr von Regisseur Sam Raimi zu Marvel ist. Denn in "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" kommt Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle nach den Geschehnissen in "Spider-Man: No Way Home" nun erneut mit dem Multiversum in Berührung.

Bei einem Kampf gegen ein Monster, das die Hochzeitsfeier seiner Ex-Freundin Christine Palmer (Rachel McAdams) unterbrochen hat, rettet Dr. Stephen Strange einen Teenager, den er bereits aus seinen Albträumen kennt: America Chávez (Xochitl Gómez) springt, wenn sie Angst hat, unkontrolliert von Universum zu Universum. Dutzende Male musste sie das schon erleiden, denn das ehemalige Avengers-Mitglied Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) ist ihr dicht auf der Spur. Sie möchte Americas Kräfte rauben, um in irgendeinem Universum wieder bei ihren beiden Kindern sein zu können, die sie in "WandaVision" mittels ihrer eigenen Fähigkeiten kreiert hatte.

Idee ist gut, Umsetzung frustrierend

An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Story eingegangen werden. Denn trotz der vielversprechenden Prämisse des zweiten "Doctor Strange"-Teils leidet das Konzept Multiversum unter dem gleichen Problem wie Zeitreisen: Es kann viele Möglichkeiten bieten, sorgt aber meist nur für Enttäuschung. Das Ergebnis: viele unnötige Plot-Abstecher und Cameo-Auftritte anderer MCU-Helden, die in dem Franchise vermutlich noch häufiger und belangloser werden.

Damit erleidet der Film das gleiche Schicksal wie "Spider-Man: No Way Home" - die Idee ist alles in allem in Ordnung, die Umsetzung dagegen frustrierend. Der im Titel versprochene "Wahnsinn" bleibt bis auf ein, zwei Momente aus, ansonsten gleicht "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" seinen Vorgängern aus dem MCU: Die Storyline ist lahm, der Film hüpft von Szene zu Szene und nimmt erst ab der Hälfte an Fahrt auf. Der Fokus liegt ganz klar auf den visuellen Elementen, die - wie man es von Marvel-Filmen erwarten kann - großartig sind und gut mit der für Sam Raimi typischen dynamischen Kameraführung harmonieren.

Von den erzwungenen und platten Gags, die bei Marvel nicht mehr wegzudenken sind, obwohl man oft einfach nur den Kopf schütteln möchte, konnte - oder durfte? - sich Raimi, der Anfang der 2000er Jahre mit seinen "Spider-Man"-Blockbustern das Superhelden-Kino mitbegründet hatte, nicht ganz trennen. Doch zumindest hält er sich so gut es geht zurück und lässt "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" nicht zu einem Spektakel für Pubertierende verkommen.

Stattdessen überrascht der 62-Jährige, der durch Horrorfilme wie "Tanz der Teufel", "Poltergeist" und die "Evil Dead"-Trilogie bekannt ist, auch in diesem Marvel-Streifen mit einigen unerwarteten, aber soliden Horrorelementen und verstörenden Bildern, die zumindest das jüngere Publikum aufschrecken lassen dürften. Offensichtlich genießt er das Vertrauen seines ehemaligen Assistenten aus den ersten "Spider-Man"-Filmen, Kevin Feige, der mittlerweile der Präsident der Marvel Studios ist. So kommen Raimis Stärken zur Geltung, obwohl er sich den Regeln der FSK-12-Kennzeichnung beugen musste.

Scarlet Witch rettet den Plot

Eine Enttäuschung ist dagegen die Rolle der America Chávez, die in den gesamten 126 Minuten überhaupt keine Tiefe bekommt und einfach nur da ist. Woher kommt sie? Warum besitzt sie diese Kraft? Was ist mit ihren beiden Müttern passiert? Was hat sie in den 72 Universen erlebt, die sie bereits besucht hat? Diese und viele weitere Fragen, die man sich immer wieder stellt, scheinen nicht wichtig genug zu sein, um auf sie einzugehen. America bleibt nichts weiter als ein Instrument, das auf seine begehrten Kräfte reduziert wird, um die Handlung fortzuführen.

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Scarlet Witch würde alles tun, um ihre Kinder zurückzubekommen.

(Foto: IMAGO/Picturelux)

Dafür ist es Elizabeth Olsen als Scarlet Witch, die sich in ihrer Rolle so richtig ausleben kann und damit den Plot rettet. Mit ihr hat Raimi es geschafft, einem Marvel-Film endlich eine überzeugende Antagonistin zu geben, die - getrieben von dem tief sitzenden Schmerz über den Verlust von Vision und ihrer imaginierten Familie - keinen Slasher-Ausflug scheut und in einigen im MCU noch nie da gewesenen Kampfszenen ein paar Marvel-Stars abschlachtet. Während bei Doctor Strange und Christine in keinem der Universen der Funke so richtig überspringen möchte, stimmt zumindest die Chemie zwischen ihm und Scarlet Witch.

Alles in allem kann sich die Comicverfilmung dennoch von seinem Vorgänger (2016) und anderen Produktionen aus dem Franchise abheben, auch, weil er in Sachen Genre etwas Neues ausprobiert und sich aus der Komfortzone herauswagt. Doch trotz der soliden Unterhaltung der Marke Marvel, die "Doctor Strange in the Universe of Madness" bietet, sollten die eigenen Erwartungen an den Film nicht zu hoch angesetzt werden. Denn letzten Endes bleibt der fünfte Leinwandauftritt von Doctor Strange nur einer von gefühlt 500 Marvel-Filmen, mit denen wir seit "Iron Man" (2008) überschüttet werden.

Quelle: ntv.de

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