Haders Regiedebüt "Wilde Maus" Schweigen ist gar nicht Gold
07.03.2017, 15:23 Uhr
Musikkritiker Georg ist in "Wilde Maus" an seinem Leben gescheitert.
(Foto: Petro Domenigg/Majestic)
Weltschmerz im Kleinformat: In Josef Haders Regie-Erstling "Wilde Maus" begibt sich ein geschasster Musikjournalist auf einen Rachefeldzug der jämmerlichen Art. Und das ist gar nicht mal so lustig.
Eines der Grundübel der Menschheit hat der Soziologe Paul Watzlawick in einen einprägsamen Lehrsatz gepackt: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Wir können tun und lassen was wir wollen, ständig senden wir Botschaften aus. Was schnell zum Problem wird, sobald wir nicht allein in einem Raum sind. Und allein sein, das können wir auch sehr schlecht. Noch so ein Grundübel.
Paul Watzlawick wurde in Österreich geboren, das im Ausland nicht ganz zu Unrecht als Heimat von Menschen gilt, die im Grunde einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen. Sein Landsmann Josef Hader bringt nun mit "Wilde Maus" eine Tragikomödie ins Kino, die sich um die Frage dreht, wie das gehen soll: Für sich sein wollen, aber nicht allein.
Kein Mann der Tat
Die Hauptfigur, der 50-jährige Musikkritiker Georg, versucht es mit einer Strategie, die man auf gut Österreichisch "die Pappn halten" nennen würde: Seine jüngere Lebensgefährtin Johanna will ein Kind von ihm, er will nicht Vater werden, spricht es aber nicht deutlich aus. Als er bei seiner Zeitung gefeuert wird, verschweigt er auch das. Statt Worten lässt Georg lieber Taten sprechen und begibt sich auf einen Rachefeldzug gegen seinen Ex-Chef Waller. Oder besser: Er würde gerne Taten sprechen lassen. Wenn er bloß wüsste, wie und warum.
Josef Hader feierte seinen Durchbruch in Deutschland als Kabarettist, 1990 erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis. Als Schauspieler wurde er vor allem mit der Rolle des Detektivs Simon Brenner in den Verfilmungen der "Brenner"-Romane von Wolf Haas bekannt. Bei "Wilde Maus" übernahm er nicht nur die Hauptrolle, sondern führte auch zum ersten Mal selbst Regie. Wirklich auffallen tut das nicht - "Wilde Maus" orientiert sich stilistisch an Wolfgang Murnberger, dem Regisseur der "Brenner"-Filme, der Hader beim letzten gemeinsamen Dreh sozusagen "angelernt" hat. Auch das Drehbuch stammt von Hader selbst, der sich als genauer Beobachter der Abgründe des Alltags-Blablas auszeichnet. Egal, ob sich Georg und Johanna am Bio-Mittagstisch streiten oder der unerträgliche Bobo Sebastian am Würschtel-Stand das Für und Wider des Boykotts israelischer Waren erörtert - ständig bewegt sich das Fremdscham-o-Meter am Anschlag.
Ziellos in der Midlife-Crisis
Josef Hader hat im Gespräch mit n-tv.de gesagt, er wollte Tragik und Komödie gut ausbalancieren. Zumindest seine Hauptfigur Georg taugt allerdings kaum zu einem tragischen Helden. Als der Musikkritiker gefeuert wird, vertreibt er sich seine Zeit im Wiener Vergnügungspark Prater, wo er einen alten Schulkameraden trifft. Zusammen mit Erich (Berlinale-Gewinner Georg Friedrich) pachtet er die Achterbahn "Wilde Maus" - doch was für den sympathischen Tagedieb ein ernsthaftes Projekt ist, scheint für Georg nur eine weitere Ablenkung zu sein.
Genauso ziellos geht er auch seinen Rachefeldzug gegen Waller an, den Mann, der ihn entlassen hat. Mal zerdeppert er eine Autoscheibe, mal will er Auftragsschläger anheuern, mal besorgt er sich eine Waffe. Immer aber hat man den Eindruck: Hier scheitert ein Waschlappen kolossal an der Midlife-Crisis. Was er will, wer er ist - er weiß es nicht, und als es dann einmal aus ihm herausbricht, hat Johanna auch keine Lust mehr, ihn dafür zu bemitleiden.
Hader würde wollen, dass man diesen Georg in den Arm nimmt. Alles nur halb so wild, das sagt dieser Film in jeder Einstellung, in jedem Dialog. Wirklich lustig ist es aber nicht, diesem Georg dabei zuzusehen, wie er von einer Enttäuschung in die nächste tappt, leicht gebückt, mit resigniertem Blick - bei aller Skurrilität, die "Wilde Maus" immer wieder komische Momente verleiht. Am Ende findet sich Georg nackt im Schnee wieder und liefert sich die langsamste Verfolgungsjagd seit dem Schneckenrennen auf den Grazer Schloßberg im letzten Brenner-Film "Das ewige Leben". Nur um danach bibbernd mit Johanna im Auto zu sitzen. Vielleicht sollten sie mal über alles reden.
"Wilde Maus" startet am 9. März in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de