Als Nazi in "Indiana Jones" Thomas Kretschmann mag es "ein bisschen dreckiger"
30.06.2023, 14:22 Uhr Artikel anhören
Ist ein liebevoller Schurke: Thomas Kretschmann
(Foto: picture alliance / Jordan Strauss/Invision/AP)
Thomas Kretschmann ist seit über drei Jahrzehnten als Schauspieler tätig. 1962 in Dessau geboren, brilliert der renommierte Akteur sowohl in Hollywood als auch in internationalen Produktionen. In "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" spielt Kretschmann einen Nazi-Oberst und fügt somit seiner enormen Bandbreite einen weiteren fesselnden Antagonisten hinzu.
ntv.de: Seit dem 29. Juni läuft der fünfte und auch letzte Teil der "Indiana Jones"-Reihe in den deutschen Kinos. In "Indiana Jones und das Rad des Schicksals", so der Titel, spielst du einen der Schurken oder anders formuliert, mal wieder einen Nazi. Kann man das so sagen?
Thomas Kretschmann: Na, nicht mal wieder! Also erst mal ist er ein liebevoller Schurke. (lacht)
Ja? Ist er das?
Nein, ist er nicht! Ich bin ein liebevoller Schurke! (lacht) Aber als klassischer Gegenspieler für ein Franchise, was "Indiana Jones" ja ist, also klassischer und besser gehts dann auch nicht!
Es ist mal wieder die typische Comic-Variante. Alle Nazis, die bisher in "Indiana Jones"-Filmen aufgetaucht sind, sind überstilisierte Comic-Nazis.
Ja, aber das haben wir nicht gemacht! Wir haben es nicht überkarikiert, aber wir haben natürlich schon versucht, das Fiese, die Brutalität und die Konsequenz auf die Spitze zu treiben. Ich finde, das ist uns prima gelungen.
Wie und wann bist du das erste Mal auf "Indiana Jones" gestoßen?
Ich habe ihn leider erstmal gar nicht kennengelernt, weil ich in der DDR Kacheln gezählt habe, so nenn ich's immer. Ich war in einer Sportschule - schwimmen. Und dann bin ich 1983 geflüchtet. Ich habe Harrison Ford ganz anders kennengelernt, nämlich in "Blade Runner". Der kam damals raus und ist bis heute einer meiner Lieblingsfilme, vielleicht sogar der Lieblingsfilm. Das habe ich ihm auch gesagt, als ich ihn dann persönlich kennenlernen durfte.
Der Teil von "Rad des Schicksals", in dem du deinen Auftritt hast, spielt ja im Jahr 1944 mit einem digital verjüngten Harrison Ford. Findest du diese CGI-Version von "Indiana Jones" gelungen?
Ich finde es perfekt. Ich habs auch schon zehn Mal gesehen, weil ich ja auch während der Nachbearbeitung dabei war. Ich wurde nämlich ein bisschen in die Postproduktion involviert, in Bezug auf die ganzen deutschen Stimmen, weil sich herausgestellt hat, dass ich der bin, der in Hollywood besser Deutsch spricht als die anderen aus unserer Produktion. Sämtliche Szenen mit dem jungen Harrison Ford in unserem Film, das ist auch alles Harrison Ford. Er hat lauter Punkte auf dem Gesicht gehabt, auf die dann sein eigenes jüngeres Gesicht darübergelegt wurde. Wo Harrison Ford drauf ist, da ist also auch Harrison Ford drin.
Aber die Technik kann einem als Schauspieler schon Sorgen bereiten, oder?
Als ich vor fast 20 Jahren mit Peter Jackson an "King Kong" gearbeitet habe - und der war damals der digitale Weltmeister - fragte ich ihn: "In ein paar Jahren brauchst du keine Schauspieler mehr?" Und er antwortete: "Doch, denn die Seele kannst du nicht kopieren und außerdem will das Kino auch Stars und Ikonen mit einem realen Hintergrund". Mehr kann ich darüber nicht sagen, ich bin ja nur Schauspieler und kein Experte für Postproduktion. Was ich aber weiß, ist: Man sollte den Film genießen und nicht die ganze Zeit suchen, wo man etwas findet, was es nicht gibt.
Wie würdest du die Action des neuen "Indiana Jones"-Films in Bezug auf die vier Spielberg-Filme beurteilen?
Erstmal finde ich, dass "Das Rad des Schicksals" eine Verbeugung vor dem Popcorn-Kino dieser Epoche ist. Bei Spielberg ist aber alles immer so durchkomponiert. Davon bin ich kein Fan. Das darf man ja eigentlich nicht sagen, weil er natürlich einer der größten Regisseure aller Zeiten ist. Ich persönlich mag es aber lieber ein bisschen dreckiger und deswegen passe ich in den neuen "Indiana Jones" ganz gut rein.
Fehlt dem neuen Film also nicht die Magie eines Steven Spielberg?
James Mangold ist ein exzellenter Regisseur. Ich denke nicht, dass man unseren Film vergleichen sollte mit dem, was damals gemacht wurde. Zum Beispiel: Auch Bildsprache hat sich ja enorm weiterentwickelt.
Harrison Ford war ja bei den Dreharbeiten bereits 78 Jahre alt. Er verdient Respekt, dass er sich in diesem Alter noch einmal den berühmten Hut aufsetzt. Einige Szenen jedoch, gerade das Ende, haben dann irgendwie aber auch eine deprimierende Aura.
Für mich ist das ein sensationelles Ende. Ich hab den Film das erste Mal bei der Premiere in Los Angeles gesehen. Und ich sage dir, das ganze Kino hat geheult und das waren alles Hollywood-Veteranen und dementsprechend auch "Indy"-Fans. James Mangold hat ganz oft darüber gesprochen, dass er auch einen Film machen möchte über Zeit, übers Älterwerden, übers Abschiednehmen. Und als ich den fertigen Film dann gesehen habe, war ich wahnsinnig gerührt. Es gibt da ein paar Szenen, wo Harrison eigentlich nichts gemacht hat, wo die Kamera ganz lange auf seinem Gesicht ruht, in denen du als Zuschauer das Gefühl hast, in seine Seele kriechen zu können. Das sind für mich, als Schauspieler, einige der besten Harrison-Ford-Momente, an die ich mich erinnere. Das war eine romantische Poesie. Also ich fand das ganz, ganz bewegend.
Mit Thomas Kretschmann sprach Ronny Rüsch
"Indiana Jones und das Rad des Schicksals" läuft aktuell in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de