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Von Rittberg ist "Miss Sophie""Wir brauchen das Lachen, um Kraft zu tanken"

22.12.2025, 14:10 Uhr
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Alicia von Rittberg, selbst eine Adelige, spielt in "Miss Sophie" die Titelrolle. (Foto: Prime Video / Gordon Mühle)

In der Prime-Serie "Miss Sophie - Same Procedure as Every Year" erfährt der Zuschauer so einiges über die mutmaßliche Vorgeschichte des Silvester-Klassikers "Dinner for One". Was passierte einst mit Mr. Pommeroy (Moritz Bleibtreu), Mr. Winterbottom (Frederick Lau), Sir Toby (Jacob Matschenz) und Admiral von Schneider (Christoph Schechinger)? In welchem Verhältnis standen die Männer zu Miss Sophie (Alicia von Rittberg) und ihrem Butler James (Kostja Ullmann), und was verbindet die zwei bis ins hohe Alter?

Produzent und Autor Tommy Wosch sowie Hauptdarstellerin Alicia von Rittberg erzählen ntv.de im Interview mehr zur Entstehungsgeschichte der Idee und ihrer Umsetzung.

ntv.de: Ein Prequel zu "Dinner for One". Komisch, dass da vorher noch niemand drauf gekommen ist. Oder haben sich andere Länder daran schon versucht?

Tommy Wosch: Es gibt natürlich zig "Dinner"-Varianten: auf Plattdeutsch, op Kölsch, Dinner mit Joko und Klaas und wahrscheinlich noch tausend andere Formen. Aber ein Prequel, also die Geschichte der jungen Miss Sophie und des jungen James, die Klärung der Frage: Wer ist Winterbottom? Wer ist Pommeroy? Wie sieht Admiral von Schneider aus? Warum ist Sir Toby so unhöflich? - das gab es tatsächlich noch nicht.

Alicia, was war dein erster Gedanke, als dir die Rolle der Miss Sophie angeboten wurde, beziehungsweise die Einladung zum Casting kam?

Alicia von Rittberg: Ich war erst mal skeptisch. Will ich eine Frau spielen, die für Geld heiraten will? Meine erste Reaktion war: Nee, das will ich nicht. Dann habe ich aber bewusst ein zweites Mal hingeschaut und mich gefragt, warum ich so schnell urteile. Diese Frau hat sicher sehr gute Gründe, warum sie die Dinge so macht, wie sie sie macht. Und immer, wenn ich so schnell urteile, lohnt es sich, noch mal hinzugucken. Da bin ich sehr dankbar für, denn dahinter habe ich eine sehr starke Frau entdeckt: eine, die nicht einfach nur reich heiraten will, um sich einen Jux zu machen, sondern versucht, ihr Hab und Gut, ihr Zuhause und die Menschen, die dort mit ihr leben, zu retten - und die dafür bereit ist, ihr eigenes Leben, ihre Liebe, sich selbst aufzugeben.

Tommy, ist die Idee an Silvester beim Schauen von "Dinner for One" entstanden oder war es doch eher die Überlegung eines Produzenten auf der Suche nach einem neuen Stoff?

Wosch: Wenn man am 2. Januar bei DWDL oder Quotenmeter liest: "Auch dieses Jahr wieder elf Millionen Zuschauer", dann kommt man natürlich ins Grübeln. "Dinner for One" ist eine unglaublich starke Marke. Die konkrete Prequel-Idee stammt aber gar nicht von uns. Ein Autor hatte ein kleines Buch geschrieben. Im Prinzip hatte er die Prequel-Idee. Mein Kollege Markus Brunnemann, Geschäftsführer der UFA Fiction, hat sich die Rechte an diesem Buch gesichert und mich dann in die Spur geschickt. Wir haben erst einen 90-Minüter entwickelt, aber der hat nicht so richtig funktioniert. Irgendwann dachte ich: Eigentlich müsste es eine Serie sein. Und: Es müsste eine Liebesgeschichte sein, ein bisschen Crime … und ein bisschen lustig wäre auch nicht doof.

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Autor und Produzent Tommy Wosch bei der Premiere der Serie auf dem Filmfest München. (Foto: Prime Video / Andreas Büttner)

Du hast das Drehbuch aber dann nicht allein geschrieben ...

Wosch: Stimmt. Mein Freund und Kollege Dominik Moser hat mitgeschrieben. Wir arbeiten seit ungefähr 25 Jahren zusammen. Meistens läuft es so: Ich habe eine Idee, einen Pitch oder ein Exposé. Dominik schreibt ein Treatment. Ich kann dann zurücktreten und dieses Treatment lesen, als wäre es von jemand anderem. So habe ich Abstand zu meinen eigenen Ideen, das hilft mir wahnsinnig. Als nächstes finalisiere ich das Treatment, das geht dann an Dominik zurück, der eine erste Drehbuchfassung schreibt. Ich lese die wieder mit der gleichen Distanz - und ab dann übernehme ich. Das ist unser Standardmodus, und der funktioniert sehr, sehr gut.

Von welchem Punkt aus habt ihr das Ganze entwickelt? Was von der Idee war zuerst da?

Wosch: Gestartet sind wir mit der Beziehung zwischen James und Miss Sophie, wie sie im Sketch angedeutet wird. Miss Sophie und ihr Butler gehen am Schluss offensichtlich miteinander ins Bett. Also war klar: Es muss eine Liebesgeschichte sein. Dann die Figur Miss Sophie: Sie sitzt im Sketch mit einer enormen Attitüde am Tisch und dominiert vier, fünf Männer - sichtbar oder unsichtbar. Sie wirkt wie eine sehr starke, emanzipierte Frau, die sich nimmt, was sie will. "Same procedure as every year" - und dann geht's nach oben. Die Figur James war schnell klar: der Butler-Sohn. Das ist keine Quantenphysik. Jede Romcom braucht ein gutes Hindernis - hier war es das Standesrecht. Na ja, und wenn man in der Entwicklung so weit gekommen ist, dann fallen die letzten Steine fast von selbst an ihren Platz. Pommeroy - ein französischer Champagner-Milliardär, Winterbottom - Engländer durch und durch. Admiral von Schneider - ein preußischer Soldat, Sir Toby - ein amerikanischer Angeber.

Von Rittberg: Spannend ist, dass man sich beim Original ja eher die Männer ausmalt. Unterbewusst stellst du dir vor, wer die sind, weil James sie mit verschiedenen Akzenten spielt. Ich habe mir die immer in Schwarz-Weiß vorgestellt. Umso schöner, dass sie jetzt so unterschiedlich auftreten. Jeder steht für sich. Das finde ich sehr cool.

Was war dir bei deiner Figur wichtig?

Von Rittberg: Mir war sehr wichtig, dass dieser innere Druck, dieser Zwang, wirklich spürbar ist. Dass man versteht, warum sie fünf Männer auf ihr Schloss einlädt. Sie durfte auf keinen Fall wie ein Playgirl wirken, das einfach Lust auf ein Spielchen hat. Man muss nachvollziehen können, dass da ein echter Leidensdruck dahintersteckt. Dass sie das nicht macht, "weil's lustig ist", sondern weil sie keinen anderen Ausweg sieht. Dann kannst du die Figur nachvollziehen und findest eine Frau, die eine enorme Stärke beweist.

Hattest du selbst ein klassisches Casting?

Von Rittberg: Ja, im Prinzip schon - mit einer kleinen Pointe: Ich habe erst eine Absage bekommen und dann doch eine Zusage. Ich war ein- oder zweimal beim Casting, also ziemlich klassisch.

Wosch: Fakt ist, dass wir sehr, sehr viele Frauen gecastet haben und das auch in Konstellationen. Nachdem feststand, dass Kostja Ullmann James spielt, war relativ schnell klar, dass Alicia eine perfekte Miss Sophie ist, und ich bin ihr bis heute dankbar, dass sie dann im zweiten Anlauf die Rolle angenommen hat.

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Miss Sophies illustre Runde. (Foto: Frederic Batier/ UFA Fiction)

Wie war es bei der übrigen Besetzung - von Moritz Bleibtreu bis Frederick Lau?

Wosch: Ganz unterschiedlich. Moritz erzählt gerne, dass er zugesagt hat, ohne das Drehbuch zu lesen. Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er Lust hat, Mister Pommeroy zu spielen. Er hat kurz Luft geholt und dann den Rest des Telefongesprächs als Pommeroy bestritten. Freddy kam relativ spät dazu. Als das Gerücht durchsickerte, dass er dabei sein könnte, haben wir die Figur für ihn noch einmal umgeschrieben. Gerade auch mit Freddy war es vor und hinter der Kamera eine durchgängige Freude. Christoph Schechinger hat sich klassisch im Casting durchgesetzt. Er kam, sah und siegte. Jacob Matschenz hat ein irre komisches Talent und eine tolle Spannbreite. Der ganze Cast ist bis in die Tiefe fantastisch besetzt. Ich weiß nicht, ob man das heraushört, aber darauf bin ich wirklich stolz. (lacht)

Alicia, du bist titelgebend, trägst die Serie. Macht dich das so kurz vor der Premiere besonders nervös?

Von Rittberg: Ich bin ziemlich entspannt. Ich weiß, wie sehr das eine Teamarbeit ist. Ob da jetzt "Miss Sophie" draufsteht oder nicht, ändert für mich nicht den Druck.

Die Serie hat deutliche Anleihen an "Die Bachelorette". Habt ihr euch fürs Schreiben und zur Vorbereitung das RTL-Original angeschaut?

Von Rittberg: Leider nein, das kann ich nicht sagen. (lacht) Wir haben gedreht, und irgendwann währenddessen dachten wir: Krass, das ist ja wie "Die Bachelorette". Das war eher ein Aha-Moment im Arbeiten als etwas, das vorher als Blaupause diente.

Wosch: Ich habe tatsächlich noch keine Sekunde "Bachelorette" verpasst. Ich nehme mir manchmal alte Folgen, lerne sie auswendig und zwinge meine Kinder, sie auswendig zu lernen. (lacht)

Habt ihr Angst oder zumindest Respekt vor den Fans von "Dinner for One"? Man kann es ja nicht jedem recht machen …

Wosch: Angst hätte ich nicht, sonst würde ich so ein Projekt nicht machen. Man beschäftigt sich zwei, drei Jahre damit, da kann man nicht jeden Tag Angst haben. Natürlich weiß man, wie Zuschauer und Zuschauerinnen sein können. Deshalb ist man auf faire Partner angewiesen, die das einordnen können. Es gibt Sender, da schreibt irgendein Verwirrter irgendwas im Internet, und sofort bricht in der Redaktion Panik aus. Und es gibt Sendermenschen, die wissen, dass nur polarisierende Programme wirklich erfolgreich sein können. Eine starke Marke hat immer Vor- und Nachteile. Vorteil: Sie vermarktet sich fast von selbst. Nachteil: Alle haben eine Erwartung. Aber wer ernsthaft damit rechnet, dass wir 6 mal 45 Minuten in Schwarz-Weiß jemanden über den Tigerkopf stolpern lassen - dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Wir leben gerade in recht schwierigen Zeiten. "Miss Sophie" hat klar etwas Eskapistisches. Ist das gerade jetzt wichtiger denn je?

Von Rittberg: Es ist enorm wichtig, dass Projekte gemacht werden, die sich direkt und ernsthaft mit Themen auseinandersetzen. Aber ich glaube genauso an die Bedeutung von Komödie und von Stoffen, bei denen man mal abschalten und lachen, einfach menschlich sein darf. Am Ende geht es um Menschlichkeit. Zuschauen zu dürfen, wie Menschen lieben, scheitern, fühlen - das ist nie irrelevant.

Wosch: Man kann zu allen Zeiten alles machen, man sollte nur wissen, in welcher Arena man gerade auftritt. Wenn ich "Dinner for One" genutzt hätte, um ein feministisches Manifest zu schreiben oder im Nahen Osten Frieden zu schaffen, hätte das vermutlich nicht funktioniert. Aber die Vorstellung, dass es zu Weihnachten draußen kalt ist, drinnen die ganze Familie sitzt - wirklich die ganze - und Lust auf gute Unterhaltung hat, die nicht überfordert, wärmt mir das Herz. Meine Tochter war fünf, als sie die ersten Muster gesehen hat, jetzt ist sie sechs. Sie hat die Serie sehr gerne gesehen. Als Elternteil suche ich oft Stoffe, die ich mit gutem Gewissen mit meinen Kindern schauen kann, bei denen für mich auch noch ein, zwei Lacher abfallen - und bei denen ich ein Stück Kulturgut weitergebe. Das erwarte ich mir von diesem Stoff.

Mit Alicia von Rittberg und Tommy Wosch sprach Nicole Ankelmann

"Miss Sophie - Same Procedure as Every Year" ist ab sofort auf Prime Video verfügbar.

Quelle: ntv.de

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