Strobels "Muster des Bösen" Wie blind ist die deutsche Justiz?


Arno Strobels Justizthriller geht unter die Haut.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ein Mann vergewaltigt ein Kind. Da der Täter erst 20 ist, wird er nur zu einer geringfügigen Strafe verurteilt. Kaum ist er wieder auf freiem Fuß, misshandelt er das nächste Kind - und bringt es um. Dem Vater des toten Jungen reicht es. Aber das ist erst der Anfang des neuen Strobel-Thrillers.
"Wenn alle Menschen vor Gericht gleich sind: Warum gibt es dann so viele verschiedene Strafen für das gleiche Verbrechen?" Diese Frage wirft Marvin Wagner in den Raum. Er ist forensischer Psychologe, Gerichtsgutachter - und wenn es nach ihm geht "einer von Deutschlands besten Wissenschaftlern im Kosmos der Psychologie und der Schriftanalyse". Sein Äußeres ist so auffällig wie sein Eigenlob: groß, Glatze, Tattoos, Tunnel in den Ohren und Metall im Gesicht.
"Gute Frage", stimmt Max Bischoff Marvin zu. Max war früher Polizist, einer der besten Ermittler, wie es heißt. Aber er hat der Polizei aus privaten Gründen den Rücken gekehrt, arbeitete danach als Dozent an der Uni und will sich nun einen Namen als Privatdetektiv machen. Gemeinsam mit Marvin hat er WaBi Investigations gegründet. Der erste Fall hat es gleich in sich.
Fulminanter Kaltstart
Ein Friseur aus Trier taucht bei WaBi in Düsseldorf auf. Er kommt im Auftrag seines besten Freundes Klinke, einem ehemaligen erfolgreichen Geschäftsmann, der nun aber in Haft sitzt, weil er ein Kind entführt hat. Es war der Hilferuf eines gebrochenen Mannes: Seine Familie war zerstört worden. Ein Mann hatte seinen Sohn missbraucht und getötet. Der Mann hatte zuvor schon einmal ein Kind vergewaltigt, hatte aber nur eine geringfügige Strafe absitzen müssen. Einzig und allein weil Klinke auf diesen Missstand im System aufmerksam machen wollte, war er zum Entführer und danach zum Häftling geworden.
Allerdings erhält Klinke im Gefängnis Briefe eines Unbekannten, die dessen Kindesentführung zum Vorbild nehmen und seine Sache sozusagen in die breite Öffentlichkeit tragen wollen: Als der Sohn eines Richters entführt wird, der bekannt für seine vergleichsweise milden Urteile im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen ist, wird Klinke aktiv, schickt seinen Freund nach Düsseldorf - und WaBi nimmt sich der Sache an.
Die Ermittlung von Max und Marvin gerät schnell außer Kontrolle, denn der Sohn des Richters wird bestialisch ermordet. WaBi stößt auf eine Webseite im Darknet, die sich mit mutmaßlich zu laschen Gerichtsurteilen beschäftigt und die jeweiligen Richter an den Pranger stellt. Von da ist es nur ein kleiner Schritt, ein kleiner Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt: Der Mörder des Richtersohnes schlägt erneut zu und scheint nun Marvin ins Visier genommen zu haben. Zumindest taucht ein alter Fall des Psychologen auf der Webseite auf.
Genre-Ikonen unter sich
Mit "Das Muster des Bösen" schickt Thriller-Bestsellerautor Arno Strobel seinen Helden Max Bischoff bereits zum fünften Mal ins Rennen im Kampf um Gerechtigkeit. Wie schon bei den vorherigen Fällen, erschienen bei S. Fischer und Argon, überzeugt Strobels Werk mit Spannung, Wendungen und klaren Dialogen. Gleichzeitig wird der Plot durch Dietmar Wunder erstklassig in Szene gesetzt, eine Genre-Ikone, dessen Bariton auf der einen Seite für Wohlfühlatmosphäre sorgt, andererseits aber auch Gänsehautmomente auslösen kann.
Letztere sind garantiert, wenn man die Handlung einmal auf sich wirken lässt: Eine Seite im Darknet, die anprangert, Namen und Anschriften leakt und so die Internet-Schreihälse auf den Plan ruft. Gesellschaftlich ist das ein brandaktuelles Thema, gerade in der derzeitigen, politisch aufgeladenen Zeit. Das Zwischenmenschliche, beispielsweise zwischen Max und seiner Freundin Jana, kommt dabei ab und an zu kurz. Aber das ist bei einem Thriller dieses Kalibers auch verschmerzbar. Vielleicht ist das ja auch ein Cliffhanger für das sechste Buch der Reihe?
Quelle: ntv.de