"Tatort" aus Dortmund Ein Fall mit Wiedererkennungswert
23.04.2023, 21:59 Uhr Artikel anhören
Super-Recognizerin Beate Gräske (Sar Adina Scheer) erkennt jede Menge Gesichter - ob wir ihr Gesicht im "Tatort" noch einmal wiedersehen, ist offen.
(Foto: WDR / Ester.Reglin.Film / Martin Rottenkolber)
Mit "Love is Pain" hat sich der angeschlagene Kommissar Faber aus dem Exil zurückgemeldet. Die Erkenntnis: Es gibt ein Leben nach Bönisch, auch wenn es schwerfällt. Bei aller Emotion fast ein wenig unter den Tisch gefallen: die Nummer mit der Super-Recognizerin. Wir klären auf.
Alles mit "super" vorweg, ist natürlich erstmal, nun ja, eben super: Supergrass. Supertramp. Super Discount. Superstar. Und: Super-Recognizer (auch Recogniser geschrieben). Mit bedeutungsschwangerem Tonfall wurde sie am Vorabend im Dortmunder "Tatort" vorgestellt, Beate Gräske (Sar Adina Scheer), die Frau mit dem besonders scharfen Blick. Ihr Auftrag: Unter den zigtausenden Gesichtern auf den Bildschirmen des CCTV, dem urbanen Video-Überwachungssystem "Closed Circuit Television", den Messermörder aus der Straßenbahn zu finden. Ihre besondere Befähigung für diese Wimmelbild-Aufgabe: Sie ist in der Lage, sich Gesichter überdurchschnittlich gut einprägen und unter Tausenden wiedererkennen zu können.
Nun war ein bisschen viel los in "Love is Pain", Fabers Comeback, Pawlaks Sorgerechtsstreit, Herzogs mütterliche Baustelle, sodass man zwar viele graustichige Monitorbilder zu sehen bekam, der wissenschaftliche Hintergrund aber etwas diffus blieb. Die Sache mit den Super-Recognizern ist folgende: Es handelt sich um Menschen, die über jene Inselbegabung verfügen, so gut wie jedes Gesicht wiedererkennen zu können. Gerade mal 15 Jahre ist es her, da Wissenschaftler dieses Phänomen ausmachten und begannen, sich damit beschäftigten. Ursprünglich ging es bei dem Projekt der Harvard University um die sogenannte Prosopagnosie, also das Gegenteil davon. Unter den Probanden fand man im Zuge der Tests nicht nur Teilnehmer mit pathologischer Gesichtserkennungsschwäche, sondern auch diverse mit einer ausgeprägten Gesichtserkennungsstärke.
In Großbritannien wurden Verfahren wie etwa der Cambridge Face Memory Test entwickelt, mit denen Probanden auf ihre Erkennungsfähigkeiten hin untersucht wurden. Das Ergebnis: Nur ein bis zwei Prozent besitzen diese besondere Gabe, das Talent zum Super-Erkennen. Es reicht dafür eine flüchtige Begegnung, ein Gesicht mit Maske, ein Ausschnitt - und beim Super-Recognizer läutet das Erinnerungsglöckchen.
Blick nach vorn
In den 2010er-Jahren haben einige Polizeidienststellen damit begonnen, sich dieses Verfahren zunutze zu machen. Eine 2015 vom britischen Metropolitan Police Service gegründete Einheit war in der Lage, binnen kürzester Zeit hunderte Verdächtige aus bis dato ungeklärten Fällen zu identifizieren. In München ging man 2018 ähnlich vor. Insgesamt waren 6600 Polizeibeamte einem Test unterzogen worden, 37 Super-Recognizer konnten dabei ausgemacht werden. Mit ihrer Hilfe wurden im Anschluss um die 200 knifflige Fälle gelöst.
Auch Sachsens Polizei will sich in Zukunft in diese Richtung orientieren, unter anderem sollen so Gewalttäter im Umfeld von Ausschreitungen bei Fußballspielen identifiziert werden. Die Kriminalpolizei Frankfurt unterstützt in diesen Tagen die Kollegen in Neapel, um den Chaoten rund ums Champions-League-Spiel der Eintracht beim SSC Neapel im März auf die Schliche zu kommen.
Ob wir Beate Gräske, die Super-Recognizerin vom Dortmunder Revier, wiedersehen, ist offen, Peter Faber (Jörg Hartmann) allerdings wird sich mit Sicherheit zurückmelden. Nach dem Tod seiner so geschätzten Kollegin Martina Bönisch schaute der notorische Parka-Träger lange Zeit in den Abgrund - diesmal, so schien es, ging der Blick zum ersten Mal wieder nach vorn. Gut so.
Quelle: ntv.de