"Tatort" aus Frankfurt Turm schlägt Dame
25.12.2018, 19:59 Uhr
Was Anna Janneke nach der Ohnmacht bleibt, sind diffuse Erinnerungsfetzen und unscharfe Fotos.
(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)
Klingt nach Stephen King, zitiert ein bisschen "Blow up" und bleibt am Ende so diffus wie einer von Jannekes Schnappschüssen: "Der Turm", als Parabel auf die Finanzwelt, deutet viel an und enthüllt doch wenig.
Als auf dem Asphalt vor einem Frankfurter Hochhaus die unbekleidete Leiche einer jungen Frau gefunden wird, überschlagen sich zunächst die Ereignisse. Anna Janneke (Margarita Broich) ist vor Kollege Brix (Wolfram Koch) am Tatort, die Polizeibeamten sind noch schlaftrunken, da macht die ungeduldige Kommissarin sich allein auf in den Wolkenkratzer, den titelgebenden Turm. Eine Entscheidung mit Folgen, denn kurz danach liegt sie mit einer klaffenden Kopfwunde ohnmächtig im Fahrstuhl.
Paul Brix hat im Anschluss alle Hände voll zu tun. Da ist die Sorge um die Kollegin mit dem Schädeltrauma, die chronische Auseinandersetzung mit Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern) und die langsam reifende Erkenntnis, dass es in diesem Fall wenig bis nichts zu gewinnen gibt. Noch rätselhafter wird die Angelegenheit, als sich herausstellt, dass die Tote bereits vor dem Sturz nicht mehr am Leben war.
Während Brix versucht, über zwei IT-Spezialisten (Rouven Israel und Rauand Taleb) des im Turm ansässigen Finanzunternehmens an Informationen zu kommen, berappelt Janneke sich nur langsam. Gemeinsam versuchen die beiden, aus den Aussagen, Jannekes diffusen Erinnerungsfetzen und den unscharfen Fotos, die sie allein im Gebäude gemacht hatte, das Puzzle zusammenzusetzen.
Zwei Kosmen treffen aufeinander
Wieder einmal bekommen es die Frankfurter Kommissare also mit einem unheimlichen Haus zu tun. Ging es in "Fürchte Dich", dem Halloween-Tatort aus dem Vorjahr, jedoch um einen Jahrhunderte alten Fluch, sind die Geister in diesem Gebäude äußerst jetztzeitig. Was sie jedoch kaum greifbarer macht, sind die Börsenhaie aus dem Kaukasus doch fast leichtflüchtiger als irgendein Nachtgespenst.
Regisseur Lars Henning, von dem auch das Drehbuch stammt, inszeniert diesen achten Fall des Frankfurter Duos als eine Parabel, in dem zwei höchst unterschiedliche Kosmen aufeinandertreffen: Hier die Bodenständigkeit und die chronisch etwas zu kurze Hutschnur eines Paul Brix, dort die rätselhafte Zwischenwelt der Spekulanten, der Börsennotierungen und Aktienkurse. Der Turm ist dabei nicht nur ein Gebäude, sondern fungiert vielmehr als Sinnbild einer in den Himmel wachsenden Schmarotzer-Kultur, deren Protagonisten und Handlungsbevollmächtigte so unscharf und konturenlos bleiben, wie die schemenhaften Gestalten auf Anna Jannekes Bildern.
Mit den jungen Computernerds und der kühl kalkulierenden Anwältin des Unternehmens, Dr. Rothmann (Katja Flint), bekommt der Gegner für kurze Zeit ein Gesicht, aufhellend ist das am Ende nicht. Ein "Tatort" der etwas anderen Art, einer, der seine Story nicht auserzählt, der im Trüben fischt, vage bleibt und mit Katharsis äußerst sparsam umgeht - den Zuschauer damit letztlich aber auch ein wenig kalt lässt.
Quelle: ntv.de