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"Tatort" aus Münster Wissen macht Argh!

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Boerne (Jan Josef Liefers) und Haller (Christine Urspruch) müssen Hand anlegen.

Boerne (Jan Josef Liefers) und Haller (Christine Urspruch) müssen Hand anlegen.

(Foto: WDR/Thomas Kost)

Ein Mörder, der von Beginn an bekannt ist? Keine ideale Voraussetzung für kriminelle Hochspannung, wie "Man stirbt nur zweimal" beweist. Die Sache mit dem Täter im TV ist ein sensibles Thema - in Deutschland schlug es schon in den 60ern hohe Wellen.

Von "Vaterlandsverrat" war in der "Bild"-Zeitung die Rede. Ganz Deutschland - oder besser gesagt, jene Glücklichen, die im Januar 1962 die Chance hatten, vor einem der drei bis vier Millionen Fernsehgeräte zu sitzen - fühlte sich betrogen. Fünf Folgen lang hatte die Nation vor der Röhre mitgefiebert, so spannend war der Sechsteiler "Das Halstuch" aus der Feder von Francis Durbridge. Die Theater blieben leer, große Firmen stoppten die Fließbänder, damit die Belegschaft mitgucken konnte. Wer kein eigenes Gerät hatte, klingelte bei den Nachbarn oder schaute in der Kneipe fern. Die Frage, die alle bewegte: Wer zur Hölle ist denn nun der Halstuch-Mörder? Zum Spielverderber wurde schließlich Wolfgang Neuss. Der Berliner Kabarettist schaltete am Vortag des letzten Teils eine große Anzeige in der Zeitung "Der Abend":

"Ratschlag für morgen (Mittwochabend): Nicht zu Hause bleiben, denn was soll's: Der Halstuchmörder ist Dieter Borsche …… Also: Mittwochabend ins Kino! Ein Kinofan (Genosse Münchhausen)"

Die junge Fernsehnation - ARD, 1950 gegründet, war damals noch das einzige TV-Programm - drehte durch, die "Bild" feuerte an. Neuss erhielt Morddrohungen, dabei wollte der doch nur ein wenig Werbung machen - für sich, für "Genosse Münchhausen", jenen Film, den er gerade drehte, und das Kino als solches. Doch beim Krimi samt Täterrätsel verstand das Publikum keinen Spaß. Die Frage aller Fragen - "Wer war es?" - einfach mal so vorweg verraten? Ein Skandal.

Heute gilt "Whodunit?", so der englische Terminus, als das Nonplusultra des gemeinen Krimis. Wer hat gemeuchelt, gemordet, geschossen, gestochen, gewürgt? Dass der Täter, die Täterin, wie jetzt im Münsteraner "Tatort" geschehen, schon zu Beginn verraten wird, eher ungewöhnlich. Das Publikum steht auf den Kitzel des Mitratens, des Geheimnisvollen und natürlich - spätestens seit Neuss nichts Neues - auf die Spannung bis zum Schluss.

Woher wusste Neuss vom wahren Mörder?

Seinen Anfang nahm dieses klassische Krimi-Konzept vom "Who has done it?" schon zu Zeiten von Edgar Allan Poe, später wurden Arthur Conan Doyle und Agatha Christie zu stilprägenden Autoren. Während es sich in den Folgejahren bei Protagonisten wie Philip Marlowe, Mike Hammer oder Columbo um Dinge wie Whiskeysorten, geheimnisvolle Frauen und ungebügelte Trenchcoats drehte, stand bei Sherlock Holmes oder Miss Marple vor allem diese Frage im MIttelpunkt: Who has done it? Whodunit? Wer war's? Vom sogenannten "doppelten Narrativ" ist die Rede, jenem rätselhaften, das die Tat umrankt, und jenes der Aufklärung eben dieses Rätsels.

So attraktiv, so unterhaltsam war das Ganze von Beginn an, dass es bald Spiele zum Thema gab. Aus dem Jahre 1948 stammt etwa "Cluedo", der Klassiker unter den Krimi-Brettspielen und ungebrochen populär. Wer heute nach einer Idee für die nächste Geburtstagsparty sucht, landet womöglich beim Krimi-Dinner: Whodunit?, Hähnchen à la Provence, ein Gläschen Schampus und ein zünftiger Mord, fertig ist die Birthday-Sause. Mit dem jüngsten "Tatort" aus Münster hätte es nicht zum Bestellen einer Portion Pommes Rot-Weiß gereicht, so schnell wusste man, wer dem schicken Anwalt Weintraub das Lebenslicht ausgehaucht hatte.

Und wie war nun Wolfgang Neuss an sein Hoheitswissen geraten, da es sich bei Dieter Borsche ja, wie wir heute längst wissen, tatsächlich um den Halstuch-Mörder gehandelt hatte? Er habe nur geraten, so der 1989 verstorbene Kabarettist. In der Presse jedoch kursierte ein anderes Gerücht, so obskur, dass es selbst fast zum Gegenstand eines Whodunit? gereichen könnte. Da nämlich hieß es, Neuss' Mutter und Borsches damalige Ehefrau, Monika Drum, hätten in Berlin dieselbe Pediküre besucht und beim Nägelmachen ein wenig aus dem Nähkästchen geplauscht.

Unglaublich? Aber so steht es geschrieben.

Am kommenden Sonntag, den 22. Dezember um 20.15 Uhr, ermittelt das Duo Grandjean und Ott in Zürich. Im "Tatort: Fährmann" geht es um die Suche nach einem Serienkiller. Wer das am Ende ist? Wolfgang Neuss würde es vielleicht erraten ...

Quelle: ntv.de

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