Fraktionen beraten Scholz zeigt sich verhandlungsbereit über Wahltermin
08.11.2024, 15:37 Uhr Artikel anhören
Der Kanzler weilt derzeit beim informellen EU-Gipfel in Budapest.
(Foto: dpa)
Eigentlich strebt Kanzler Scholz Neuwahlen im Frühjahr an. Erst im kommenden Jahr will er die dazu nötige Vertrauensfrage stellen. Die Opposition lehnt dies ab - und dringt auf einen früheren Termin. Scholz ist nun bereit, Gespräche darüber zu führen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich nach dem Aus der Ampel-Koalition verhandlungsbereit beim Zeitplan für die Neuwahl des Bundestags gezeigt. "Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren", sagte er nach dem informellen EU-Gipfel in Budapest. Am Mittwoch hatte der SPD-Politiker angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen zu wollen. Diese würde den Neuwahl-Prozess auslösen - diese könnten dann im März stattfinden.
Die Union fordert jedoch einen deutlich früheren Termin für die Neuwahl. CDU-Chef Friedrich Merz brachte bei Stern/RTL/ntv den 19. Januar als Wahltermin ins Spiel - das wäre einen Tag vor der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump. Scholz müsste die Vertrauensfrage dann bereits kommende Woche stellen.
"Das sind von jetzt an gerechnet noch zweieinhalb Monate", sagte Merz und verwies mit Blick auf nötige Vorbereitungen auf Frankreich, wo Neuwahlen "innerhalb von vier Wochen möglich" gewesen seien. "In Deutschland wäre es ohne Weiteres möglich, an einem solchen Tag Bundestagswahlen abzuhalten. Und es wäre auch meine Empfehlung, es zu tun." Bereits am Donnerstag hatte Merz klar gemacht, dass er erst nach der Vertrauensfrage bereit ist, mit Scholz über eine mögliche Unterstützung von Gesetzesvorhaben zu sprechen.
"Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren", sagte Scholz in Budapest. "Es wäre gut, wenn im Bundestag unter den demokratischen Parteien eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden können." Diese Verständigung könne dann auch die Frage beantworten, welcher Zeitpunkt dann der richtige ist, im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, auch im Hinblick auf den möglichen Neuwahltermin, so der Kanzler weiter.
"Der Wahltermin ist kein rein politisch festzusetzendes Datum, er muss auch den Anforderungen der Bundeswahlleiterin genügen", fügte Scholz an. Es brauche "eine ausreichende Zeit für die Organisation einer fairen und demokratischen Wahl".
Schlagabtausch im Bundestag
Auch im Bundestag war es nach dem Scheitern der Ampel-Koalition zu einem Schlagabtausch darüber gekommen, wann es die vorgezogene Bundestagswahl geben soll. Redner von SPD und Grünen verteidigten in einer Aktuellen Stunde den bisherigen Zeitplan von Scholz, am 15. Januar im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Die Opposition erneuerte eindringlich ihre Forderungen nach einem früheren Termin.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei von der CDU, verwies auf die schlechte Wirtschaftslage und die internationalen Krisen. In einer solchen Situation brauche es einen handlungsfähigen Bundestag und einen handlungsfähigen Bundeskanzler. "Wenn Sie Verantwortung für unser Land übernehmen wollen, dann darf man nicht auf diesen Plätzen kleben, da muss man den Weg frei machen für Neuwahlen. Wir brauchen schnell eine neue stabile Mehrheit und einen neuen Bundeskanzler für dieses Land." Er warf Scholz einen "durchsichtigen Versuch" vor, die FDP zum Alleinverantwortlichen und Sündenbock für den Ampel-Bruch zu machen. "Der Bankrott der Ampel ist der Bankrott von Olaf Scholz."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr appellierte an seine ehemaligen Koalitionspartner, eine schnellere Vertrauensfrage herbeizuführen. Die Rumpfkoalition habe keine Mehrheit mehr, etwa für Steuerentlastungen bei der sogenannten kalten Progression. "Machen Sie den Weg frei für diese Entscheidung, indem der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag stellt", sagte Dürr.
SPD gegen Wahlkampf zu Weihnachten
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte vor einer überstürzten Neuwahl mit einem Wahlkampf an Weihnachten. Es sei ein geordneter und verantwortungsvoller Weg zur Neuwahl notwendig. Wiese sagte weiter, es stünden dringende Entscheidungen für Deutschland an: etwa für den Wirtschaftsstandort oder eine sichere Rente.
Scholz hatte angekündigt, er wolle bis Weihnachten im Bundestag alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht keinerlei Aufschub duldeten. Rot-Grün hat allerdings ohne die FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte, es müsse einen geordneten Übergang zur Neuwahl geben.
Der Wähler müsse jetzt sehr schnell sein Machtwort sprechen, forderte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann. Scholz müsse den Weg für eine sofortige Neuwahl freimachen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa