Panorama

Verunglückter Germanwings-Airbus Absturz stellt Luftfahrtexperten vor ein Rätsel

Die Absturzstelle ist schwer zu erreichen, Hubschrauber können sich als erstes einen Überblick verschaffen.

Die Absturzstelle ist schwer zu erreichen, Hubschrauber können sich als erstes einen Überblick verschaffen.

(Foto: REUTERS)

Was geschah mit dem Germanwings-Flug? Auf diese Frage hat derzeit noch niemand eine gesicherte Antwort. In einem Punkt sind sich Luftfahrtexperten aber einig: Die Umstände des Absturzes sind ungewöhnlich.

Das Wetter war gut, Flug 4U9525 hatte seine Reiseflughöhe erreicht. Warum der Airbus am späten Vormittag trotzdem sofort wieder in den Sinkflug ging und schließlich abstürzte, können Luftfahrtexperten sich noch nicht erklären. Fragt man sie, fallen Worte wie "auffällig" oder "ungewöhnlich". Und dann folgt der Hinweis darauf, dass man sich auf "Spekulationen" nicht einlassen wolle. Zu Recht, denn zu kurz ist der Absturz her und zu wenig ist über die Umstände bekannt, um verlässliche Aussagen zu treffen. Dafür müssten die Experten zuerst das Wrack untersuchen, den Flugdatenschreiber und den Stimmrekorder aus dem Cockpit auswerten. Mit Sicherheit kann man derzeit eben nur sagen, dass der Absturz "ungewöhnlich" war - und das aus vielen Gründen.

Dass Flugzeuge europäischer Airlines abstürzen, ist schon statistisch selten. "Hier in Europa verunfallen mit am wenigsten Flugzeuge, wenn man auf die letzten 20 bis 30 Jahre zurückblickt", sagt Jan-Arwed Richter n-tv.de. Richter arbeitet für die Organisation Jacdec, die Flugunfälle untersucht und lobt die Sicherheitsstandards der europäischen Airlines. Dass es sich bei Flug 4U9525 um die Maschine eines Low-Cost-Carriers, einer "Billigfluglinie", handelte, spiele dafür keine Rolle. Nach etlichen Jacdec-Analysen steht laut Richter fest: "keine strukturellen Sicherheitsdefizite" bei Billig-Airlines.

Auch am Alter der Maschine, sie war bereits 24 Jahre im Betrieb, kann es laut Richter kaum gelegen haben. "Selbst ein Flugzeug, dass 20 Jahre alt ist, ist technisch gesehen nicht unbedingt unsicherer als ein Fabrikneues", sagt Richter. Nach zwei Jahrzehnten im Dienst häuften sich zwar Verschleißerscheinungen. "Das führt dann aber nur dazu, dass ein Flugzeug mal ausfällt oder verspätet abfliegen kann, aber nicht dazu, dass ein Flugzeug aus Reiseflughöhe einfach abstürzt." Der Defekt eines einzelnen Teils, so Richter, sei nie Ursache für einen Absturz. Nur sehr vorsichtig deutet Richter an, dass es im Falle von Flug 4U9525 zu einem Ausfall mehrerer Sicherheitsketten gekommen sein könnte.

Womöglich ein Ausfall mehrerer Sicherheitsketten

Ähnlich äußert sich der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: "Die Auswertung von Radardaten über eine Webseite, die darauf spezialisiert ist, zeigt, dass das Flugzeug schnell an Höhe verloren hat. Das deutet darauf hin, dass es vielleicht, mit aller Vorsicht, eine technische Ursache gegeben hat", sagte er n-tv.

Ein Grund dafür, dass sich Großbongardt so vorsichtig ausdrückt, dürfte sein, dass der Flugzeugtyp, es handelt sich um einen A320, unabhängig vom Alter zu den verlässlichsten überhaupt gehört. "Wenn man sich den Safety Record ansieht, wenn man sich die Statistik ansieht, wie viele Unfälle es pro eine Million Flugbewegungen gegeben hat, dann liegt die A320 ganz hervorragend", sagt Großbongardt.

Bei 6000 Maschinen im Dienst kam es nach Angaben der Webseite AviationSafety.net zu 27 Zwischenfällen, darunter 18 vollständigen Verlusten von Flugzeugen. Großbongardt bezeichnet das Flugzeug als "Stolz und Bestseller" von Airbus. Der Luftfahrtexperte kann sich nicht daran erinnern, dass ein Jet dieses Typs je in der als besonders sicher geltenden Reiseflughöhe einfach abgestürzt sei.

Nach Angaben des n-tv Luftfahrtexperten Ralf Benkö wirkten die letzten Minuten vor dem Absturz wie ein kontrollierter Sinkflug. Daraus leitet er anders Richter und Großbongardt mögliche Szenarien ab. Ein Grund für einen kontrollierten Sinkflug könnte laut Benkö ein Druckabfall in der Kabine gewesen sein. Dann hätten die Piloten den kontrollierten Sinkflug aber spätestens bei ungefähr 3000 Meter Höhe beenden müssen, zumal der Jet direkt auf die Alpen zusteuerte. Doch das geschah nicht, auch einen Kurswechsel nahmen die Piloten nicht vor. "Hier beginnt das Rätsel so richtig", sagt Benkö.

Als zweites mögliches Szenario gibt er eingefrorene Fluglagensensoren an, ein Problem, das schon vermehrt auftrat - auch bei Fliegern des Typs A320. Benkö machte allerdings deutlich, dass es sich dabei genauso wie bei der Möglichkeit eines Terroranschlags bislang um reine Spekulation handelt.

Quelle: ntv.de, ieh

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