Ramsauer lädt zum Hitze-Gipfel Bahn gibt sich "großzügig"
16.07.2010, 23:34 Uhr
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Nach heftiger Kritik an der Entschädigung von Hitzeopfern in Zügen durch Reisegutscheine lenkt die Bahn ein. Von einer "großzügigen Entschädigung" ist die Rede, über den Umfang schweigt man sich aber aus. Bahnchef Grube und Verkehrsminister Ramsauer planen derweil ein Spitzentreffen.
Die Bahn bleibt wegen der überhitzten ICE-Wagen unter Druck. Verbraucherschützer und der Fahrgastverband forderten als Entschädigung Geld statt Reisegutscheine. Die Bahn versprach, Hitzeopfer "großzügig zu entschädigen". Die Pannenserie bei Klimaanlagen der ICE-2-Baureihe wird am kommenden Dienstag bei einem Spitzentreffen in Berlin erörtert. Daran sollen außer Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer auch die Verkehrsexperten der Bundestagsfraktionen teilnehmen. Derweil wurden zunächst keine neuen Ausfälle von Klimaanlagen bekannt.
Die Deutsche Bahn will zumindest die Hitzeopfer, die ärztlich versorgt werden mussten, "großzügig entschädigen". Über den Umfang konnte eine Bahnsprecherin noch nichts sagen. Das Unternehmen stehe in Kontakt mit den beiden Schulen in Willich und Remscheid, deren Teilnehmer einer Klassenfahrt am 10. Juli in mehreren überhitzten ICE saßen. Am Ende wurde die Fahrt in Bielefeld gestoppt, neun Schüler kamen ins Krankenhaus. Bislang hat die Bahn ihnen den anderthalbfachen Fahrpreis in Form von Reisegutscheinen zugesagt.

Mit diesem Formular können Bahnkunden Entschädigungen beantragen, etwa bei Verspätungen.
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Wer durch den Ausfall der Klimaanlage gesundheitliche Probleme bekomme, habe Anspruch auf Schadenersatz in barer Münze, teilte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz mit. Dies gehe unter anderem aus der Europäischen Fahrgastrechtverordnung hervor. "Gutscheine sind ein geschickter Schachzug der Bahn, um trotz eigenem Fehlverhaltens ungeschoren davon zu kommen." Ein Reisegutschein koste die Bahn nichts, denn die Züge führen mit oder ohne Gutscheininhaber.
Umrüstung "ein jahrelanger Prozess"
Bahnchef Grube bestritt, dass die Hitzeprobleme etwas mit einem Sparkurs vor dem im Herbst 2008 geplanten und dann abgesagten Börsengang zu tun haben. Vielmehr habe die Bahn für die Wartung der Fernzüge in den vergangenen Jahren mehr ausgegeben, sagte Grube im Deutschlandfunk. Die Bahn hatte nach einer Überprüfung der Klimaanlagen bereits am Donnerstag mitgeteilt, es gebe weder einen Wartungsmangel noch einen Konstruktionsfehler. Die Anlagen in den ICE seien jedoch - je nach Baujahr - nur bis 32 Grad oder 35 Grad voll funktionstüchtig.
Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, der Grünen-Politiker Winfried Hermann, forderte eine Ausrüstung der neuen Züge der Bahn mit leistungsfähigeren Klimaanlagen. "Die Klimaanlagen müssen dann bis zu 45 Grad Außentemperatur bewältigen können. Bei der Modernisierung der älteren Züge, vor allem der ICE-2-Flotte, müssten die Klimaanlagen ausgetauscht werden. Die technische Anpassung werde voraussichtlich "ein jahrelanger Prozess", sagte Hermann der "Mitteldeutschen Zeitung".
Arbeitsbedingungen für Zugpersonal verbessern

Transnet betont die Verantwortung des Bundes: Wer der Bahn eine halbe Milliarde jährlich "abpresst", muss sich über marode Züge nicht wundern.
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Die Lokführergewerkschaft GDL setzte sich für eine "vorbeugende Instandhaltung" ein. "Es ist ein Unterschied, ob ich nur das warte und instandhalte, was dringend notwendig ist oder ob ich die Wartung und Instandhaltung so gestalte, dass sie darauf abstellt, dass Mängel nicht auftreten", sagte GDL-Chef Claus Weselsky in Berlin. Gebraucht würden außerdem mehr einsetzbare Züge. Die Gewerkschaften Transnet und GDBA verlangten angesichts der Hitzeperiode in Deutschland, auch die Arbeitsbedingungen für das Zugpersonal zu verbessern. Die Züge müssten mit zusätzlichen Mitarbeitern besetzt werden. Auch die Beschäftigten sollten kostenfrei mit Getränken versorgt werden.
Die Fahrgast-Organisation Pro Bahn kritisierte das Krisenmanagement des Konzerns: "Es ist völlig unsinnig, dass Lokführer sich erst eine Genehmigung holen müssen, um einen Zug zu stoppen", sagte der Vorsitzende Karl-Peter Naumann.
Auf Zahlungen an Bund verzichten
SPD-Fraktionsvize Florian Pronold plädierte dafür, auf die 500 Millionen Euro im Bundeshaushalt zu verzichten, die die Bahn laut Regierungsbeschluss von 2011 an jährlich beitragen soll. Die Bahn solle das Geld lieber investieren, etwa in funktionierende Klimaanlagen, sagte Pronold dem "Handelsblatt". Ähnlich argumentierte auch der Fahrgastverband Pro Bahn.
Die SPD-Fraktion forderte zudem Minister Ramsauer auf, eine Sondersitzung des Bahn-Aufsichtsrates einzuberufen. Darin solle der Bund als Eigentümer der Bahn klären, ob sie "ihre gesetzliche Verpflichtung als Betreiber für die Sicherheit der Fernverkehrszüge umfassend ernst genommen hat", sagte SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer der "Rheinischen Post".
FDP-Fraktionsvize Patrick Döring widersprach dem: "Die Bundesregierung muss sich gegenüber dem Parlament verantworten. Der Aufsichtsrat ist dafür sicherlich das falsche Gremium." Einer Anhörung im Verkehrsausschuss stehe die FDP nicht im Wege. Bei dem Treffen mit Grube und Ramsauer am Dienstag handelt es sich nach Angaben aus dem Büro des Ausschussvorsitzenden Winfried Hermann um ein "Informationsgespräch".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP