Spanien könnte Portugal folgen Bald weitere Urlaubsländer auf Risikoliste?
28.06.2021, 20:07 Uhr
Auch auf Mallorca hat die Delta-Variante bereits Fuß gefasst.
(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)
Nachdem Portugal-Urlauber von der Einstufung ihres Reiseziels als Virusvariantengebiet böse überrascht wurden, machen sich auch andere Deutsche Sorgen, nach ihrem Aufenthalt im EU-Ausland in Quarantäne zu müssen. Doch bis auf Spanien scheint vorerst kein Land auf der Kippe zu stehen.
Viele deutsche Urlauber wurden eiskalt erwischt, als Deutschland in der vergangenen Woche plötzlich Portugal zum Virusvariantengebiet erklärte und sie damit bei ihrer Rückkehr in eine 14-tägige Quarantäne müssen. Das Gleiche könnte deutschen Touristen in weiteren europäischen Ländern drohen, denn auch dort breitet sich die Delta-Mutante aus. Doch bisher steht nur ein EU-Land vor einer ähnlichen Entwicklung wie Portugal.
Ob Reisebeschränkungen innerhalb der EU überhaupt noch einen großen Unterschied machen können, ist fraglich. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) erwartet, dass die hochansteckende Variante bis Anfang August so oder so für 70 Prozent und Ende August für 90 Prozent aller Corona-Infektionen in der EU verantwortlich sein wird.
Delta setzt sich im Sommer in ganz Europa durch
Wie rasant Delta das Zepter übernimmt, ist am Beispiel Deutschlands zu sehen. In der dritten April-Woche meldeten die Labore sechs Fälle, zwei Wochen später 49. Mitte Mai zählte man 94 Delta-Neuinfektionen, in der ersten Mai-Woche 377, Mitte Juni waren es bereits 1294. Vergangene Woche rechnete das RKI der Variante 15 Prozent der Covid-19-Infektionen zu. Damit hatte sie ihren Anteil in den beiden vorangegangenen Wochen jeweils fast verdoppelt.
In Wirklichkeit ist Delta schon viel näher dran, in Deutschland die Vorherrschaft zu übernehmen. Denn die Werte des RKI waren bei der Veröffentlichung vergangenen Mittwoch schon 14 Tage alt. So sagte RKI-Chef Wieler in einer Runde der Bundesgesundheitsminister heute, den jüngsten ausgewerteten Sequenzierungen zufolge liege der Delta-Anteil in Deutschland bereits bei 36 Prozent. Aktuell habe die Variante aber bereits 50 Prozent erreicht, schätzt er.
Die Initiative GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data) veröffentlicht die Delta-Fälle, die weltweit erhoben werden. Man sieht auf ihrer Website die Gesamtzahl der bisher registrierten Ansteckungen und deren Anteil am Infektionsgeschehen der vergangenen vier Wochen. Damit weichen die Prozentwerte der GISAID von den wöchentlichen Angaben des RKI ab, können aber trotzdem als Basis für einen Vergleich der Entwicklung in den EU-Reiseländern dienen.
In Spanien steigt Inzidenz und Delta-Anteil
Demnach wäre Spanien der nächste Kandidat, der zum Virusvariantengebiet erklärt werden müsste - und zwar schon sehr bald. Denn laut GISAID beträgt dort der Delta-Anteil der vergangenen vier Wochen 20,9 Prozent, was fast doppelt so hoch wie der deutsche Wert von 12,4 Prozent ist.
Damit ist die Variante in Spanien zwar noch nicht so weit vorangekommen wie in Portugal, wo sie bereits bei 56,2 Prozent liegt. Aber wenn man eine ungefähre Verdoppelung des Delta-Anteils pro Woche zugrunde legt, könnte Spanien schon sehr bald dort sein, wo Portugal vergangene Woche war.
Dazu kommt eine 7-Tage-Inzidenz von 53,5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern, die zu den höchsten Europas gehört. Seit dem 18. Juni sinken die Fallzahlen in Spanien nicht mehr, sondern steigen wieder leicht an. Ähnlich verhielt es sich Mitte Mai in Portugal.
Madrid versucht, gegenzusteuern
Angesichts jüngster Ereignisse ist in Spanien eher ein stärkerer Anstieg als ein erneuter Rückgang der Inzidenz zu erwarten. So wurden mindestens 848 spanische Schülerinnen und Schüler nach ihrer Rückkehr von Abiturfeiern auf Mallorca in ihren Heimatorten positiv getestet.
Zwar heißt es derzeit, sie hätten sich mit der Alpha-Variante (B.1.1.7) angesteckt, doch vor allem in den spanischen Tourismus-Hochburgen muss man weiter mit ähnlichen Ereignissen rechnen. Die mit Abstand meisten Delta-Ansteckungen wurden bisher in der Region Katalonien mit 420 Fällen gezählt. Es folgen Valencia mit 39 und Mallorca mit 36 Delta-Infektionen.
Portugal hat seine hohe Delta-Inzidenz vermutlich britischen Touristen zu verdanken, die seit Mitte Mai praktisch ohne Einschränkungen ein- und ausreisen durften. Ab dem 30. Juni setzt die britische Regierung Mallorca auf die grüne Liste der Länder und Regionen, für die bei der Rückkehr keine Quarantäne fällig ist.
Doch die spanische Regierung hat die Gefahr erkannt und verlangt nun - genauso wie Portugal - von Briten für die Einreise einen nachgewiesenen vollen Impfschutz oder einen negativen PCR-Test. Ob Spanien damit noch die Kurve kriegt, bleibt abzuwarten. Portugal hat eine grundsätzliche Testpflicht auch nicht geholfen.
Hoher Delta-Anteil alleine kein Problem
Spanien steht in der GISAID-Liste so weit oben, weil die Initiative nach der Gesamtzahl der registrierten Delta-Fälle gruppiert. Wenn es um die Anteile am Infektionsgeschehen geht, nimmt dagegen Österreich mit 37 Prozent einen Spitzenplatz ein. Mit 7,6 Fällen ist dort die Inzidenz allerdings ähnlich niedrig wie in Deutschland und nimmt auch weiter ab. Das ist wichtig, denn wenn Delta zu keiner Zunahme der Fallzahlen führt, ist die Variante - wie in Deutschland erst mal kein Problem. Das gilt auch für Tschechien mit einem Delta-Anteil von 35,2 Prozent und einer Inzidenz von 8,0.
Italien-Urlaubern droht ebenfalls vorerst keine Quarantäne nach ihrer Rückkehr, obwohl das Land nach Deutschland, Portugal und Spanien bisher in der EU mit 424 Fällen die meisten Delta-Infektionen gemeldet und einen Varianten-Anteil von 17,8 Prozent hat. Die Inzidenz liegt bei 8,4 und die Kurve zeigt weiter nach unten.
Mit einem Blick auf Inzidenzen und Delta-Anteile müssen sich aktuell also nur Spanien-Urlauber Sorgen machen, sich in einem künftigen Virusvariantengebiet aufzuhalten oder dorthin reisen zu wollen.
Schweden könnte kippen
Ein kleines Alarmschild leuchtet über Schweden. Denn dort ist die 7-Tage-Inzidenz seit dem 20. Juni von unter 12 wieder auf über 42 gestiegen. Mit 12 Prozent bewegt sich der Delta-Anteil auch auf einem bereits kritischen Niveau, wenn die Fallzahlen weiter steigen.
Wie der Immunologe Peter Kern ntv.de sagte, geht es nicht darum, Delta für immer aufzuhalten. Die Variante wird das Zepter übernehmen und spätestens im Herbst wieder zu steigenden Fallzahlen führen. Es geht darum, die Fallzahlen so lange niedrig zu halten, dass bis dahin möglichst viele Menschen geimpft sind.
Dazu wollte Kanzlerin Merkel offenbar ein Einreiseverbot auch für vollständig geimpfte Briten in die EU durchsetzen. Griechenland, Spanien, Zypern, Malta und auch Portugal hätten gegen diesen Plan Widerstand angekündigt, berichtet "The Times". Es geht offensichtlich um die für diese Länder überlebenswichtigen Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft.
Das ist einerseits verständlich, andererseits kurzsichtig. Gerade Portugal sollte es besser wissen. Dort gilt eine Testpflicht, die aber offenbar nicht verhindern konnte, dass mit Tausenden einreisenden Briten nach dem Ende des Einreiseverbots ab 17. Mai einige Infizierte durchrutschen konnten.
Quelle: ntv.de