Panorama

Schlamperei im Fall Chantal Bericht belastet Jugendamt massiv

Chantal wurde nur elf Jahre alt.

Chantal wurde nur elf Jahre alt.

(Foto: dapd)

Gewalt, Rohheiten, Drogen - die kleine Chantal aus Hamburg hat viel gelitten in ihrem kurzen Leben. Auch, weil Aufsichtsbehörden versagten. Trotz der Hinweise über die drogensüchtigen Eltern reagierte das Jugendamt nicht angemessen. Der Bericht der Innenrevision zum Tod des Kindes spricht eine klare Sprache.

Es ist das schreckliche Protokoll des Versagens. Fünf Monate nach dem Methadon-Tod des Pflegekindes Chantal legt die Hamburger Behördenaufsicht ihren Bericht vor. Die Ermittler der Innenrevision kommen zu einem knallharten Urteil: Das Jugendamt hat schwerste Versäumnisse begangen. Die Drogensucht der Pflegeeltern, der schlechte Zustand der Wohnung und viele Hinweise von Nachbarn und der Schule auf die schwierigen, von Gewalt und Rohheiten geprägten Familienverhältnisse - das alles sei den Mitarbeitern bestens bekannt gewesen, heißt es in dem 72 Seiten langen Bericht.

Die Behörde stellte ihre Erkenntnisse ins Internet, schwärzte jedoch aus Gründen des Datenschutzes etliche Abschnitte. Das Fazit aber ist klar: Die kleine Chantal hätte gar nicht erst in diese Pflegefamilie kommen dürfen. Es geschah dennoch. Und dann wurde sie von den zuständigen Sozialarbeitern auch noch extrem schlecht betreut.

Was die Ermittler finden, sind vor allem schlecht geführte Akten, aus denen sich kein gescheites Gesamtbild ergeben hätte. "Die Akte enthält keine Entwicklungshistorie. Es existieren keinerlei Zeitvergleiche oder vergleichbare Auswertungen", so die Ermittler. Einige Widersprüche blieben unaufgeklärt. Zudem seien die Papiere über den Aufenthalt des Mädchens bei den Pflegeeltern nicht einmal chronologisch sortiert gewesen. Bis 14 Tage nach dem Tod des Kindes sei die Behörde nicht in der Lage gewesen, eine vollständige Akte abzuliefern, verschiedene wichtige Unterlagen fehlten einfach.

"Sie wurde nicht vermisst"

Erschütternder allerdings sind die Umstände, unter denen das Kind leben musste – obwohl das Jugendamt Kenntnis davon hatte. Zum Beispiel aus Berichten der Schule. Die Situation in der Familie sei durch "viel Streit" und "Gewalt" geprägt gewesen. Der Tonfall der Eltern, berichteten Lehrer, sei "oft sehr rau" gewesen. Einmal bringt der Schulleiter eines der Pflegekinder sogar nach Hause – weil es nicht abgeholt worden war. Es sei aber von den Pflegeeltern "nicht vermisst" worden, gibt er weiter. Die Schule spricht sogar von "psychischer Gewalt" gegen das Mädchen.

Schon im Vorfeld passierten schwere Fehler. Allein das Formular zur Bewerbung als Pflegefamilie enthalte "unzureichende und fehlende Angaben für die Beurteilung der Eignung", heißt es in dem Bericht. Zudem seien finanzielle Verhältnisse, Führungszeugnisse und gesundheitliche Beschwerden der Pflegeltern weder abgefragt noch ausreichend recherchiert worden.

Selbst hilflos stellen die ermittelnden Beamten fest: "Warum ausgebildete Sozialarbeiter Hinweise und Wohnungszustände nicht erkannt, ausreichend bemängelt und der Familie und den Pflegekindern keine weitere Hilfen und Unterstützung angeboten haben, ist nicht begründbar."

Chantal war am 16. Januar in der Obhut ihrer Pflegeeltern an einer Überdosis des Ersatzstoffes Methadon gestorben. Das zuständige Bezirksamt hatte dem betreuenden freien Träger "Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen" (VSE) daraufhin gekündigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen eine Sozialarbeiterin des Trägers VSE, fünf Mitarbeiter des Jugendamts und die Pflegeeltern.

Quelle: ntv.de

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