Panorama

Virus-Variante wütet in Europa Bleibt die Omikron-Welle in Deutschland aus?

Wie es um die Verbreitung von Omikron in Deutschland tatsächlich bestellt ist, lässt sich derzeit kaum abschätzen.

Wie es um die Verbreitung von Omikron in Deutschland tatsächlich bestellt ist, lässt sich derzeit kaum abschätzen.

(Foto: imago images/UIG)

Die hochansteckende Corona-Variante Omikron ist europaweit auf dem Vormarsch. In vielen Ländern explodieren die Infektionszahlen. Nur Deutschland scheint bislang verschont worden zu sein. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Dass es aber so bleibt, ist fraglich.

Die Omikron-Welle rollt unaufhaltsam über Europa. Viele Länder, darunter Frankreich, Großbritannien und Griechenland, verzeichnen derzeit Höchstwerte bei den Neuinfektionen. In Italien verdoppelt sich die Fallzahl binnen eines Tages. Auch Spanien meldet einen explosionsartigen Anstieg trotz hoher Impfquote. Und Deutschland? Eine Oase auf dem virusverseuchten Kontinent. So scheint es zumindest beim Blick auf die Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI): Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt seit Anfang Dezember kontinuierlich und liegt aktuell bei 205. Eine Omikron-Welle ist bislang nicht in Sicht. Macht die neue Corona-Variante einen Bogen um Deutschland?

Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Omikron auch hierzulande die dominante Variante sein wird und die Infektionszahlen in die Höhe schnellen lässt, sagen Wissenschaftler und Experten. Dass Deutschland derzeit in den Statistiken so glimpflich davonkommt, liegt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zufolge vor allem daran, dass während der Feiertage keine zuverlässigen Daten zu den Neuinfektionen erhoben werden. Es wird weniger getestet, Gesundheitsämter und Testzentren sind personell spärlich besetzt.

Lauterbach befürchtet, dass der Schein der sinkenden Inzidenzen trügt. Er erkenne eine "Omikron-Dynamik, die in den offiziellen Zahlen nicht zutreffend abgebildet" sei, sagte der Minister der "Bild"-Zeitung. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nach Lauterbachs Einschätzung zwei bis drei Mal höher als in den derzeitigen Statistiken ausgewiesen. "Die gegenwärtig ausgewiesene Inzidenz unterschätzt die Gefahr, in der wir uns befinden", warnte er heute in Berlin.

Zudem liefern die Labore in Deutschland ein eher unvollständiges Bild über die Verbreitung der Omikron-Variante. In Ländern wie Großbritannien und Dänemark wird deutlich mehr sequenziert, jede zehnte positive Corona-Probe wird seit Pandemiebeginn standartmäßig untersucht. Deutschland hinkte lange hinterher. Inzwischen hat die Bundesregierung zwar nachgebessert und festgelegt, dass mindestens fünf Prozent der positiven Tests pro Tag sequenziert werden sollen. Doch laut einer Mitteilung des "Vereins der akkreditierten Labore" kurz vor Weihnahten arbeiten die fachärztlichen Labore "in Bundesländern mit hohem Infektionsgeschehen über der Belastungsgrenze". So ist der offizielle Omikron-Anteil von derzeit knapp zehn Prozent mit Vorsicht zu genießen.

Europa ächzt unter Omikron-Welle

Wie es um die Corona-Lage in Deutschland tatsächlich bestellt ist, lässt sich so kaum abschätzen. Der Blick ins europäische Ausland verheißt allerdings nichts Gutes - zumindest was das Infektionsgeschehen betrifft:

In Frankreich steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen innerhalb kürzester Zeit dramatisch an. Am ersten Weihnachtsfeiertag registrieren die Behörden erstmals mehr als 100.000 neue Fälle. Nur vier Tage später springt die Zahl auf über 200.000. Innerhalb von 24 Stunden seien rund 208.000 Neuinfektionen registriert worden, teilte heute der französische Gesundheitsminister Olivier Véran mit. Experten gehen davon aus, dass Omikron eine große Rolle bei der sprunghaften Dynamik spielt. Landesweit lag der Anteil der Variante vor Weihnachten bereits bei mindestens 20 Prozent und im Großraum Paris bei rund 35 Prozent. Inzwischen dürfte er deutlich gestiegen sein.

Erst vor kurzem hatte Véran davor gewarnt, dass die Neuinfektionen Anfang Januar auf bis zu 250.000 pro Tag wachsen könnten. Sollte sich das Infektionsgeschehen so dynamisch weiterentwickeln wie in den letzten Tagen, könnte diese Schwelle bereits noch dieses Jahr erreicht werden. Um dem entgegen zu wirken, hatte die französische Regierung am Montag ihre Corona-Maßnahmen noch einmal deutlich verschärft. Ziel ist es, eine Überlastung des Gesundheitswesens sowie eine gravierende Störung der Wirtschaft zu verhindern.

Auch Großbritannien verzeichnet mit mehr als 129.000 Fällen einen neuen Höchstwert bei den Neuinfektionen. Dabei sind die Zahlen aus Nordirland und Schottland wegen Verzögerungen bei der Datenübermittlung über die Feiertage noch nicht einberechnet. Somit könnte die tatsächliche Zahl deutlich höher sein. Im Vereinigten Königreich breitet sich die Omikron-Variante rasant aus. Ihr Anteil hat sich laut Experten beinahe jeden zweiten Tag verdoppelt und liegt inzwischen bei knapp 60 Prozent.

Dennoch will die britische Regierung vorerst keine strengeren Corona-Regeln einführen - und vertraut auf die Booster-Impfungen. Gesundheitsminister Sajid Javid rief die Bevölkerung dazu auf, wachsam zu sein, Silvester möglichst im Freien zu feiern und vor der Teilnahme an Veranstaltungen einen Schnelltest zu machen. Trotz täglicher Neuinfektionen in Rekordhöhe scheint Omikron weniger Infizierte ins Krankenhaus zu schicken. Aktuell liegen dort rund 9000 Corona-Patienten. Das sind zwar so viele wie seit März nicht mehr, aber immer noch deutlich weniger als zur Spitze im Januar. Damals mussten bis zu 39.000 Infizierte im Krankenhaus behandelt werden.

In Italien zeigt die Infektionskurve ebenfalls steil nach oben. Laut Experten ist auch hier Omikron die Ursache für die besorgniserregende Dynamik. Das Gesundheitsministerium meldet am Dienstag 78.300 Neuinfektionen binnen eines Tages. Das sind weit mehr als doppelt so viele wie noch am Vortag. Seit Pandemiebeginn waren die täglichen Neuerkrankungen in Italien nie so hoch wie jetzt. Zum Vergleich: Vor einem Monat registrierte das Land nur rund 8000 Neuinfektionen. Immerhin: Die Zahl der Toten ist mit 202 trotzdem deutlich niedriger als vor der Omikron-Variante und den Corona-Impfstoffen. Im April 2020 starben bis zu 800 Menschen am Tag im Zusammenhang mit dem Virus.

Auch aus Griechenland werden neue Höchststände gemeldet. Die Gesundheitsbehörde registrierte in den vergangenen 24 Stunden insgesamt mehr als 21.600 Corona-Neuinfektionen. Das ist mehr als doppelt so viel wie am Tag zuvor und ein neuer Negativ-Rekord seit Beginn der Pandemie. Bisher lag die Zahl der Neuinfektionen in dem Land mit seinen rund elf Millionen Einwohnern täglich bei 3000 bis 5000 Fällen. Den sprunghaften Anstieg führen die Fachleute auf die Omikron-Variante zurück, die sich vor allem in Athen ausbreitet. Gut die Hälfte der Neuinfektionen registrierten die Behörden im Großraum der Hauptstadt, bei rund 70 Prozent handele es sich um Omikron, hieß es im Staatsfernsehen.

Die Omikron-Welle überrollt auch Spanien und Portugal. Noch vor kurzer Zeit galten die beiden Länder wegen ihrer hohen Impfquoten als weltweite Vorbilder. Jetzt meldeten die spanischen Gesundheitsbehörden aktuell fast 100.000 neue Fälle - mehr als doppelt so viele in der bisher schlimmsten Virus-Welle im Januar 2021. Auch Portugal verzeichnet mit 17.172 Ansteckungen einen explosionsartigen Anstieg der Fallzahlen. Zum Vergleich: Anfang Dezember waren es noch rund 4000 Neuinfektionen pro Tag. Die portugiesischen Gesundheitsbehörden führen mehr als 60 Prozent der Fälle auf die neue Virus-Variante zurück.

Auf der Iberischen Halbinsel steigt jedoch die Zahl der Covid-Patienten in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen nur langsam an. Das gilt auch für die Todesfälle. In spanischen Krankenhäusern liegt im Vergleich zur verheerenden Covid-Welle zu Jahresbeginn nur rund ein Drittel der Corona-Patienten von damals. Jeder zweite von ihnen ist ungeimpft, berichten Intensivmediziner. In Portugal bezeichnen die Behörden die Zahl der Todesfälle und der Einweisungen auf Intensivstationen weiterhin als "stabil". Als ein Grund dafür wird die hohe Impfquote genannt, die in Spanien bei rund 80 Prozent und in Portugal bei 89 Prozent liegt.

In Dänemark dominiert die Omikron-Mutante schon seit mehr als zwei Wochen das Infektionsgeschehen. Die Behörden melden aktuell rund 13.000 Neuinfektionen pro Tag. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 1.567, der höchste Wert in Europa. Auch in den Niederlanden breitet sich die neue Virus-Variante rasch aus. Mittlerweile werde Omikron bei mehr als der Hälfte aller Infektionen festgestellt und sei damit zur dominanten Variante geworden, teilte das staatliche Gesundheitsinstitut RIVM zuletzt mit. Die Regierung verhängte bereits am 19. Dezember einen strengen Lockdown, der zunächst bis Mitte Januar gilt. Die strengeren Maßnahmen hätten einen Rückgang der Krankenhausaufnahmen bewirkt - in der vergangenen Woche um etwa ein Viertel auf etwas mehr als 1000, heißt es aus Den Haag.

Quelle: ntv.de

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