Panorama

Zwischen Bundesrat und Wochenbett Das Hebammenproblem ist nicht gelöst

Selten waren sich Bürger und Politik so einig wie beim Haftpflichtproblem der Hebammen. Eltern gingen auf die Straße, Gesetze wurden geändert. Doch für die Geburtshelferinnen wenden sich die Dinge kaum zum Besseren.

Immer weniger Hebammen kommen zu Hausgeburten.

Immer weniger Hebammen kommen zu Hausgeburten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn der Bundesrat zustimmt, können Familien die Hilfe von Hebammen künftig zwölf statt bisher acht Wochen in Anspruch nehmen. Außerdem sollen sich Krankenkassen und Hebammen auf einen Sicherstellungszuschlag einigen, der für die Geburtshelferinnen die Haftpflichtversicherung bezahlbar halten soll. Eine Lösung für das Hebammenproblem ist nichts davon.

Katharina Jeschke, die für den Deutschen Hebammenverband mit den Krankenkassen-Spitzenverband GKV verhandelt, beobachtet, dass auch zum 1. Juli wieder zahlreiche Hebammen ihren Beruf aufgegeben haben. Sie können es sich nicht länger leisten, die erneut gestiegenen Haftpflichtbeiträge von über 6200 Euro jährlich zunächst aus eigener Tasche zu zahlen, bis es eine Einigung mit den Krankenkassen gibt. Zunächst muss nun die Schiedsstelle entscheiden, welche Summen die Hebammen wann von den Krankenkassen als Zuschlag für die Haftpflichtversicherung erhalten. Die Versicherungen sollen die Folgen möglicher Fehler in der Geburtshilfe abdecken.

Deren Kosten steigen seit Jahren, aber nicht etwa, weil Hebammen häufiger Fehler machten, sondern weil dank des medizinischen Fortschritts die Überlebenschancen von behinderten Kindern oder geburtsgeschädigten Müttern immer besser werden. Die Folge: Immer mehr Versicherungen bieten keine Policen für Hebammen mehr an, und die, die sie noch anbieten, verlangen immer höhere Beiträge.

Entbinden, wo es sich gut anfühlt

Was nach einem lösbaren Problem aussieht, bedroht nicht nur nach Ansicht des Hebammenverbandes die Wahlfreiheit der Frauen. Bisher können sich Schwangere noch aussuchen, ob sie ihr Kind lieber im Krankenhaus, im Geburtshaus oder doch zu Hause bekommen wollen. Wobei es schon in den vergangenen Jahren immer schwieriger wurde, eine Hebamme zu finden, die bereit ist, zu jeder Tags- oder Nachtzeit loszufahren, um dem Nachwuchs in den eigenen vier Wänden auf die Welt zu helfen.

Viele Hebammen haben reagiert, indem sie ihre Leistungen in einem Geburtshaus oder als Hebammengemeinschaft anbieten. Andere machen nur die Vorsorge und die Nachsorge, überlassen aber den Geburtsvorgang den Krankenhäusern. Doch selbst in den Kliniken bleiben die Hebammenstellen häufig lange unbesetzt. Dann müssen Frauen eben mit Wehen nach einem Krankenhaus suchen, in dem noch ein Kreißsaal besetzt ist.

Im Gespräch mit n-tv.de betont Jeschke, dass die Hebammen "auf keinen Fall aufgeben werden". Das Ziel sei nicht weniger als die flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe in Deutschland. Für eine Industrienation sollte das zu schaffen sein. Dafür bedürfe es unbedingt der Stabilität in der Haftpflichtfrage. Aber schon in einem Jahr laufen die Verträge wieder aus und noch wisse niemand, zu welchen Konditionen Hebammen dann die verpflichtende Berufsversicherung abschließen können.

Null Fehler gibt es nicht

"Den Hebammen ist bewusst, dass sie einen Beruf mit hohem persönlichen Risiko ergreifen", sagt Jeschke. Viele seien sehr engagiert dabei, Fehler zu vermeiden. Wenn dann doch ein Schadensfall passiert, seien oft auch die Hebammen schwer traumatisiert. Doch die Entstehung von Leben und auch die Geburt ist ein komplexer Prozess, in dem selbst der beste Arzt oder die erfahrenste Hebamme nicht alles voraussehen können. Jeschke wünscht sich deshalb eine gesellschaftliche Debatte darüber, "wie wir damit umgehen, wenn wir Fehler machen".

Nicht in jedem Fall, in dem nicht alles perfekt sei, habe auch jemand etwas falsch gemacht. Helfen würde das auch den betroffenen Eltern, denen es häufig selbst überlassen werde, ihr Leben mit einem behinderten Kind in den Griff zu bekommen. Dabei gehe es für diese Familien kaum darum, ob sie einfach nur Pech hatten, ihre Hebamme fahrlässig oder gar grob fahrlässig gehandelt hat. Geholfen werden könne ihnen sicher mit Geld, aber auch mit Betreuungsmöglichkeiten und mit Akzeptanz.

Quelle: ntv.de

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