Am Donnerstag Urteil im Hoeneß-Prozess Der Chancenlose könnte das Spiel noch drehen
12.03.2014, 17:06 Uhr
(Foto: imago/Future Image)
Dieses Mal gibt es im Gerichtssaal etwas zu lachen, und sogar Uli Hoeneß erlaubt sich ein Schmunzeln. Die gute Nachricht für ihn ist, dass niemand weitere Horrorzahlen präsentiert. Und auch ein Zeuge sorgt für Entlastung.

Ist Uli Hoeneß als Bayern-Präsident noch tragbar?
Das Spiel am Vorabend scheint Uli Hoeneß gut getan zu haben. Er war im Stadion, als seinen Bayern ein 1:1 gegen den FC Arsenal reichte, um ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen. Jetzt steht er vergleichsweise entspannt zwischen seinen Anwälten und wartet, dass die Kameraleute und Fotografen den Saal verlassen - erst dann setzt Hoeneß sich hin.
Sollte der Präsident des FC Bayern München jedoch glauben, der sportliche Erfolg des Vereins sei ein Omen für diesen Prozess, dann stünde er mit dieser Auffassung ziemlich einsam da. Selbst ein Bayern-Fan, der den Prozess seit Montag täglich verfolgt hat, sagt am Morgen, er glaube angesichts der immer höheren Summen nicht mehr an eine Bewährungsstrafe.
Denn die Hinterziehungssumme von 3,5 Millionen Euro, die in der Anklage aufgeführt wird, hat sich mehrfach erhöht. Hoeneß' Anwalt Hanns W. Feigen bezifferte die Steuerschuld des Angeklagten am Montag auf "mindestens" 18,5 Millionen Euro. Am Dienstag dann nannte die mit dem Fall betraute Steuerfahnderin des Finanzamts Rosenheim die rekordverdächtige Summe von 27,2 Millionen.
Verteidiger geht zum Angriff über
Richter Rupert Heindl hat ganz offensichtlich nicht Fußball geschaut. "Wir haben den gestrigen Abend dazu genutzt", sagt er, die Dinge "selbst nachzuvollziehen", die die Steuerfahnderin vorgetragen habe. Ein paar leichte Korrekturen trägt er vor. Im Grunde ändert sich dadurch aber nichts. Die Verteidigung erklärt, man akzeptiere die Summe.
Dann liest Feigen der Presse, vor allem aber Gerichtssprecherin Andrea Titz, gehörig die Leviten. Was die Verteidigung "bedrückt", sei der Umstand, dass das, was die Rosenheimer Steuerfahnderin "gestern am Richtertisch gesagt hat, in weiten Teilen nicht verstanden wurde".
Feigen rechnet Folgendes vor: In der Selbstanzeige wird als Gewinn für 2003 eine Summe von knapp 52 Millionen Euro genannt, für 2005 eine Summe von 78 Millionen Euro. Für alle anderen Jahre sind in der Selbstanzeige Verluste ausgewiesen. Unterm Strich steht folglich die Summe von rund 130 Millionen Euro. Davon seien nach Angaben der Steuerfahnderin 70 Millionen Euro steuerbefreit. Auf die übrigen 60 Millionen würde eine Steuer von rund 30 Millionen Euro fällig - eine Summe, die tatsächlich sehr nah bei den 27,2 Millionen liegt, von der die Rosenheimer Finanzbeamtin am Dienstag gesprochen hatte.
Es bestehe also kein Grund, sagt Feigen an Titz gewandt, zu sagen, die Verteidigung sei "überrascht" gewesen. "Wir verbitten es uns, dass die Kommentierung von außen sagt, wir sind überrascht. Wir sind doch nicht dämlich." Wer behaupte, die Selbstanzeige sei aus dem Ruder gelaufen, "der hat einfach die Sache nicht verstanden".
Nicht nur ein Schuhkarton
Sein Kollege, Rechtsanwalt Bernd Groß, gibt eine ganz ähnliche, wenn auch weniger scharf formulierte Erklärung zu den ominösen PDF-Dateien ab, die am Dienstag für Aufsehen gesorgt hatten. Dabei geht es um einen USB-Stick, den die Anwälte dem Finanzamt und der Staatsanwaltschaft am 27. Februar, also nur elf Tage vor Beginn des Prozesses, übergeben hatten. Die Dateien enthalten Unterlagen über Hoeneß' offenbar hochgradig chaotische Transaktionen. Durch die Aussage der Steuerfahnderin war der Eindruck entstanden, die Dateien auf diesem Stick seien bereits am 18. Januar 2013 abgespeichert worden.
Groß greift ein Bild auf, das Richter Heindl am Vortag benutzt hatte. Bei den Dokumenten auf dem USB-Stick habe es sich nicht nur um einen "Schuhkarton" voller Unterlagen gehandelt. Es seien viele Schuhkartons gewesen, die "auf den Boden gekippt" worden seien. Das habe erst sortiert werden müssen.
256 Megabyte Chaos
Tatsächlich bestätigt der Zeuge diese Darstellung mehr oder weniger. Der Mann arbeitet in der EDV des Finanzamtes Rosenheim, er hatte die Daten auf dem USB-Stick überprüft und in einen bearbeitungsfähigen Zustand versetzt. Drei Ordner hätten sich auf dem Datenträger befunden, insgesamt 256 Megabyte. Die Ordner enthielten jeweils einzelne PDF-Dokumente: elf in einem Ordner namens "FX-Geschäfte" für die Devisenspekulationen sowie zehn Dokumente im Ordner "001" und sieben im Ordner "002". Hinter diesen insgesamt 28 Dokumenten verbergen sich sage und schreibe 52.000 einzelne Blätter.
Die elf PDF-Dokumente im Ordner "FX-Geschäfte" seien am 20. Februar 2014 erstellt worden - also nur wenige Tage, bevor der Datenträger übergeben wurde, sagt der Zeuge, während Rechtsanwalt Feigen zufrieden nickt. Anders ist es mit den Daten aus den Ordnern "001" und "002". Sie wurden am 18. Januar 2013 zwischen 8.32 Uhr und 17.16 Uhr angelegt, also einen Tag nach Abgabe der Selbstanzeige. Allerdings sei dies nur das Erstellungsdatum, betont der EDV-Experte. Das heiße nicht, dass diese Dateien zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig gewesen seien.
Feigen fasst die Aussage des Zeugen im Sinne der Anklage zusammen: Die These, der Stick hätte Hoeneß oder der Verteidigung seit dem 18. Januar 2013 vorgelegen, sei "reiner Unfug". Beweisbar ist diese These jedenfalls nicht.
Betriebsprüfer hat "Fußballfragen gestellt"
Der zweite Zeuge des Tages ist der Betriebsprüfer des Finanzamts Miesbach, der im Jahr 2012 die letzte Steuerprüfung im Hause Hoeneß durchgeführt hatte. Ihm seien damals "ein paar Umzugskisten voll Unterlagen" mit 30 bis 40 Ordnern übergeben worden. Diese Menge sei allerdings "angemessen" gewesen, "durchaus normal".
So chaotisch wie Hoeneß Schweizer Bank Vontobel hat seine deutsche Bank Reuschel die Spekulationsgeschäfte offenbar nicht geführt. Der Betriebsprüfer betont zwar, diese Prüfung sei "aufwändig" gewesen, "das fällt einem nicht in den Schoß". Aber nach kurzer Einweisung durch einen Mitarbeiter der Bank hat er die Unterlagen offenbar überblickt. Zur Steuerstrafsache Hoeneß kann der Mann nichts beitragen.
Richter Heindl will dann noch wissen, wer bei der Betriebsprüfung sein Ansprechpartner gewesen sei, Steuerberater Günther Ache oder Hoeneß selbst. Inhaltlichen Kontakt hätte er mit Hoeneß nicht gehabt, sagt der Finanzbeamte. Und wenn er doch Kontakt mit Hoeneß hatte? "Dann hab ich Fußballfragen gestellt." Gelächter im Publikum, auch Hoeneß kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es ist einer der ganz seltenen Momente dieses Prozesses, in denen Hoeneß nicht als Steuerhinterzieher und Spekulationstrottel dasteht. Sondern als Mensch.
Dann ist der Tag schon vorbei. Um 10.50 Uhr verkündet Heindl, die beiden Schöffinnen müssten noch einige Unterlagen durcharbeiten, die Sitzung werde daher unterbrochen, Fortsetzung an diesem Donnerstag um 9.30 Uhr. Dann werden die Plädoyers gehalten, wahrscheinlich wird sogar das Urteil verkündet. Am Ende dieses Tages sieht es für Hoeneß noch immer nicht gut aus. Aber besser, als es am Dienstag zu erwarten war.
Quelle: ntv.de