Dunkle Zutat im Orchester "Die Tuba hat einen Imagewechsel erlebt"
11.08.2024, 14:24 Uhr Artikel anhören
1835 meldeten Wilhelm Wieprecht und Carl Wilhelm Moritz in Berlin die Tuba zum Patent an.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Die Tuba wird oft nur als dunkle Zutat im Orchester gesehen. Nun ist sie "Instrument des Jahres", was ihr zu mehr Gehör verhelfen soll. Heiko Triebener, Tubist der Bamberger Symphoniker, erzählt, wie er zum "tiefen Blech" kam und warum er es so sehr schätzt.
ntv.de: Herr Triebener, wie kamen Sie zur Tuba?

Heiko Triebener, in Berlin geboren, ist seit 1993 Tubist der Bamberger Symphoniker.
(Foto: Jörg Chmilewski)
Heiko Triebener: Durch einen glücklichen Zufall. Der Musiklehrer an meinem Gymnasium in Tübingen leitete das Schulorchester und fragte uns Fünftklässler, wer ein Instrument lernen wolle. Ich, der schon Blockflöte spielte, meldete mich für das Waldhorn. "Die haben wir genug", wurde mir erklärt: "Aber wenn du Tuba lernst, kannst du gleich ins Orchester einsteigen und sofort mit auf Reisen gehen." Das fand ich eine tolle Aussicht. Und so lernte ich Tuba. Tatsächlich kam ich dadurch nach Frankreich, England und sogar Israel, was wunderbar war.
Und so entstand die Liebe zur Tuba?
Dazu beigetragen hat eine Schallplatte des amerikanischen Tubisten Roger Bobo, die ich geschenkt bekam. Als ich sie hörte, dachte ich nur: Wow, das Instrument kann ja richtig toll klingen - das will ich auch können. Außerdem hat mir das Cover gefallen. Der Musiker stand lässig vor der Front eines Rolls-Royce mit dem Kennzeichen "BOTUBA", was mich sehr beeindruckt hat. Sein Kollege und Freund Thomas Stevens, damals Solotrompeter des Los Angeles Symphony Orchestras, war sich nicht zu schade, für das Plattencover als Chauffeur des Meisters zu posieren.
Dachten Sie da: Oh, damit kann man ja richtig berühmt werden, Geld verdienen und sich einen Rolls-Royce leisten?
Nein. Ich mochte schon als kleiner Junge schöne Wagen sehr gerne. Ich wollte als Kind Automobildesigner werden. Dann hatte ich ein Aha-Erlebnis. Mit meinen Eltern besuchte ich einen Berufsmusiker. Da wurde mir klar, dass man mit Musik auch seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Die Erkenntnis und die Schallplatte waren für mich echte Trigger. Von nun an übte ich jeden Tag fünf oder sechs Stunden.
Es scheint für Tubisten nicht ungewöhnlich zu sein, dass sie eher durch Zufall oder glückliche Fügung zu ihrem Instrument gekommen sind. Offenbar ist es für Kinder keine erste Wahl.
Damals war es so. Das hat sich allerdings gewandelt. Es gibt immer mehr Mädchen, die Tuba lernen. Sie hat einen Imagewechsel erlebt, vom hässlichen Entlein zum coolen Instrument. Kinder fahren total drauf ab und wollen es spielen. Inzwischen gibt es auch Tuben für Jungen und Mädchen, die deutlich kleiner und leichter sind als die für Erwachsene. Als ich das Instrument erlernte, musste ich mich noch auf einen Stapel Kissen setzen, um es zu halten und trotzdem an das Mundstück zu kommen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Kinder neuerdings Lust auf Tuba haben?
Ich glaube, die Zeit ist einfach reif dafür. Ich merke es selbst, wenn ich in Kitas und Schulen gehe, wie offen die Kleinen für das Instrument sind. Die staunen über dieses große glänzende Ding, was es für schöne warme Töne erzeugen kann. Es kann einfach mehr, als einen Bösewicht ankündigen.
Jetzt reden Sie über Richard Wagner?
Und über Igor Strawinsky. Der hat aber das Instrument völlig falsch verstanden. Er hat die Tuba wie ein Schlaginstrument eingesetzt. Richard Strauss und Anton Bruckner waren die ersten Komponisten, die verstanden haben, dass die Tuba so wunderbar melodisch klingen kann wie ein Waldhorn, nur eben tiefer.
Maurice Ravel hat in seinem "Bolero" jedem Blasinstrument ein Solo zugeteilt. Nur der Tuba nicht. Ärgert das einen Tubisten?
Das ist völlig unbefriedigend. Ich frage mich manchmal, wie die Welt der Tuba verlaufen wäre, hätte Ravel ihr auch einen solistischen Part gegeben. Aber bei ihm ist es wie bei Strawinsky. Die Tuba darf hier und da kurze Töne loswerden - und das war es. Dafür haben neben Bruckner und Strauss Gustav Mahler und vor allem Sergej Prokofjew die Qualitäten der Tuba erkannt. Wir Tubisten lieben Prokofjews und Mahlers 5. Sinfonien. Dort ist die Tuba solistisch gefragt, und der Tubist ist im Dauereinsatz!
Fragen an Tubisten muss man immer wieder beginnen mit: Ist es ärgerlich, dass … Zum Beispiel: Sie werden niemals Bach oder Mozart im Konzertsaal geben. Schlimm?
Könnte ich sie gar niemals spielen, wäre es deprimierend. Aber im Barock war es ja üblich, dass eine Komposition für das eine Instrument für ein anderes eingerichtet wurde. In dieser Tradition haben wir Musik der Epoche bearbeitet. Die Cello-Suiten Bachs musizieren Tuba-Studierende transponiert auf ihrem Instrument. Ich halte es für essenziell, dass sich der Nachwuchs mit Mozart befasst und Werke von ihm auf der Tuba spielt. Auch ich tue das. Gemeinsam mit dem Bamberger Schauspieler Martin Neubauer gebe ich als Parodie "Die Zaubertuba", frei nach Mozarts "Zauberflöte", inklusive der Arie der "Königin der Nacht".
Die Tuba wird in der Öffentlichkeit vor allem als Instrument der Blasmusik wahrgenommen. Ihre warme Seite ist weniger bekannt. Können Sie erklären, was die Tuba hat, dass sie lyrische Töne erzeugt?
Das liegt an dem Rohr, wie es auch das Flügel- und das Waldhorn hat, das vom Mundstück bis zum Schallbecher allmählich und kontinuierlich breiter wird. Bei Trompeten und Posaunen ist das anders, weshalb sie fanfarenartige Töne erzeugen und eher metallisch-schmetternd klingen. Ich verstehe nur nicht, warum Komponisten erst 120 Jahre nach Erfindung des Instruments auf die Idee gekommen sind, seine lyrische Seite zu nutzen.
Vielleicht galt die Tuba als bieder und nicht virtuos genug.
Dazu fällt mir die Geschichte ein, dass der Solist der Uraufführung des Tuba-Konzerts von Ralph Vaughan Williams, Philip Catelinet, seiner Frau den Besuch der Premiere verbot, weil er glaubte, er erlebe einen desaströsen Abend und werde ausgebuht. Die Schmach wollte er seiner Gattin ersparen. Dann war es so ein Erfolg, dass das Konzert wiederholt werden musste.
Die Tuba wird gerne zur Untermalung des Landlebens verwendet, etwa wie in der ZDF-Serie "Die Rosenheim-Cops". Nervt Sie das?
Im Gegenteil, das liebe ich sehr, speziell die Titelmelodie "Pfeif drauf" von Haindling mag ich voll gern, dass ich für meine Studis ein Tuba-Duett daraus gebastelt habe. Wenn das Instrument dazu dient, genüsslich einen der drei übergewichtigen, aber cleveren Kommissare akustisch zu charakterisieren, habe ich nicht das geringste Problem damit. Hier wird ja nicht mit dummen, längst überholten Klischees gespielt, sondern virtuos und gekonnt ein Stilmittel eingesetzt: Slapstick vom Feinsten!
Mit Heiko Triebener sprach Thomas Schmoll
Quelle: ntv.de