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Zu viele "wirre Gedankensprünge" Dolmetscher erklärt Ausraster bei Trump-Rede

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Trump redet gern und viel. Er verliert oft den roten Faden, schweift ab und bringt Sätze nicht zu Ende.

Trump redet gern und viel. Er verliert oft den roten Faden, schweift ab und bringt Sätze nicht zu Ende.

(Foto: picture alliance/dpa/Pool Getty Images/AP)

Die Amtseinführung von Donald Trump ist auch in Deutschland das Medienereignis. Viele Sender berichten live – darunter Phoenix. Doch während der Übertragung einer Rede des 47. US-Präsidenten reißt Dolmetscher Frank Deja der Geduldsfaden: "Sag‘ mal, wie lange wollt ihr bei dem Scheiß bleiben?", fragt er die Regie des Senders, klar hörbar für alle Zuschauer. Für seinen Ausraster erntet Deja viel Zustimmung, aber auch Kritik im Netz. Wie es dazu kam und vor welche Herausforderungen Trump Simultan-Dolmetscher stellt, erklärt er im Interview mit ntv.de.

ntv.de: Herr Deja, Ihr Ausspruch hat für Wirbel gesorgt. Der Sender Phoenix spricht von einer "technischen Panne". Was ist passiert?

Frank Deja: Ich war überzeugt, ich hätte mich stumm geschaltet. Ich habe aber im Eifer des Gefechts die falsche Taste gedrückt. Wir haben als Dolmetscher sogenannte Räusper-Tasten, mit denen wir uns stummschalten können. Dann geht das eben nicht über den Sender - und meine Aussage sollte natürlich auch nicht über den Sender gehen.

Haben Sie Ihren Fauxpas gleich bemerkt?

Gemerkt habe ich ihn erst hinterher, als die Aufregung kam. Ich hatte noch ungefähr zwei Minuten nach meinem Fauxpas weiter gedolmetscht. Anschließend bin ich zum Chef vom Dienst gegangen und meinte noch "Ey, das war ja ein Ding!", bezogen auf Trumps Rede. Der sagte mir aber: "Du warst live auf dem Sender." Dann erst wurde mir die Tragweite klar.

Können wir Ihren Ausspruch als politisches Statement verstehen?

Nein, das wäre ganz verfehlt. Die politischen Inhalte sind nicht das Problem. Ich dolmetsche ständig Leute, mit deren politischen Inhalten ich nicht einverstanden bin. Das Problem bei Trump war, dass er auf einmal anfing, frei zu assoziieren oder dreimal hintereinander dasselbe zu sagen. Diesen wirren Gedankensprüngen zu folgen, ist die Schwierigkeit beim Dolmetschen.

Es war aber nicht das erste Mal, dass Sie Trump eine deutsche Stimme verliehen. Ist es immer so mühsam mit ihm?

Das kommt darauf an, ob er vom Teleprompter abliest oder frei spricht. Das Problem ist, wenn er frei spricht, mäandert die Rede frei vor sich hin. Und das macht das Simultan-Dolmetschen sehr schwierig, weil man nicht antizipieren kann, was als Nächstes kommt. Wenn ein Redner mit geordneten Gedanken redet, dann kann man, sobald der Satz angefangen hat, schon ungefähr erahnen, wie es weitergeht. Man kann auf dieser Welle weiter surfen. Aber bei Trump ist das unmöglich.

Außerdem muss man sich ständig fragen: Moment mal, hat er das wirklich gesagt? Ich habe ihn später in der Nacht noch einmal gedolmetscht, als er in der Sporthalle vor seinen Anhängern geredet hat. Nach der Begrüßung der israelischen Familien von Geiselangehörigen, die in der Hand der Hamas sind, sagt er im gleichen Atemzug, er würde jetzt "die Geiseln vom 6. Januar" befreien. Trump stellte damit tatsächlich die wegen des Sturms auf das Kapitol verurteilten Straftäter mit den von der Hamas entführten israelischen Geiseln auf eine Stufe. Da dachte ich, ich höre nicht recht. Aber er hat es so gesagt.

Wie muss man sich die Arbeit eines Simultan-Dolmetschers vorstellen?

Beim Simultan-Dolmetschen geht es nicht darum, Wörter von einer Sprache in die andere zu schieben. Es geht um Inhalte und Bilder und Anliegen. Also man muss verstehen, worauf die Leute eigentlich hinauswollen, die da reden. Außerdem muss man eine sehr hohe Konzentration mitbringen und der deutschen Sprache mächtig sein. Das heißt, nach ein paar Sekunden noch selbst zu wissen, wie man den Satz angefangen hat, damit man ihn auch grammatikalisch beenden kann.

Ich vergleiche das Simultan-Dolmetschen gerne mit dem Surfen auf dem Gedankenstrom des Redners. Ich versuche mich anzuschmiegen und auch emotional zu folgen. Ich surfe sozusagen auf dieser Gedankenwelle mit, um das Gesagte in die Zielsprache zu bringen.

Gelingt Ihnen das im Falle von Trump gut?

Es ist eine Herausforderung für die Psychohygiene, ganz klar. Die Tatsache, dass Trump dieselben Sachen immer wiederholt, macht es auf der einen Seite einfacher. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr schwierig, diesen wirren Gedankensprüngen zu folgen.

In den Sozialen Medien verbreitete sich ihr Ausspruch wenig überraschend wie ein Lauffeuer. Viele fanden den Patzer lustig, einige rügten ihn aber auch als unprofessionell. Wie sehen Sie das?

Den Schuh muss ich mir anziehen. Das war natürlich doppelt unprofessionell. Zum einen habe ich die falsche Taste gedrückt, das ist mir hochgradig peinlich. Zum anderen hätte man natürlich auch einfach in einem neutralen Ton fragen können "Wie lange macht ihr noch?". Das mit so einer Wertung zu fragen, war einfach nicht gut. Das ist mir sehr unangenehm, auch dem Sender gegenüber.

Aber Sie hatten auch Fans im Netz. Auf X schrieben Nutzer beispielsweise "Wenn der Dolmetscher einfach mal sagt, was alle denken". Oder auch: "Bester Kommentar bisher - und ich fühle es." Ein Trost?

Ein kleines Trostpflaster vielleicht, aber darauf habe ich es echt nicht angelegt. Es ist mir nach wie vor einfach unangenehm. So etwas darf nicht passieren.

Ist Ihnen in Ihrer langen Karriere schon einmal so ein Fehler unterlaufen?

Ich dolmetsche seit 1987. So ein Fehler, dass ich plötzlich auf dem Sender bin, ist mir noch nie passiert - dafür sicherlich andere. In so einem langen Berufsleben bleibt das auch nicht aus. Das wird mir aber nicht nachgetragen. Schließlich macht jeder in seinem Beruf mal Fehler.

Mit Frank Deja sprach Hedviga Nyarsik.

Quelle: ntv.de

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