Panorama

"Ausweichführungsstelle" Im Bunker der DDR-Auslandsspionage

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Deutsch-deutsche Geschichte - wie von einem anderen Planeten.  (Unser Autor hat zwei Euro investiert und Fotos gemacht.)

Deutsch-deutsche Geschichte - wie von einem anderen Planeten. (Unser Autor hat zwei Euro investiert und Fotos gemacht.)

(Foto: Rocco Thiede)

35 Jahre nach dem Mauerfall kann der Bunker der DDR-Auslandsspionage dank eines westdeutschen Vereins besucht werden. Es gibt Führungen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Für die "Bunker-Dokumentationsstätten" ist der Gosener Schutzbau "ein Originalschauplatz der deutsch-deutschen Spionage-Geschichte", für manchen Besucher nur ein "feuchter, sehr kalter Raum".

Im Jahr 1952 übernahm der damals 29-jährige Markus Wolf, ein gebürtiger Baden-Württemberger, die Leitung der ein Jahr zuvor gegründeten DDR-Auslandsspionage, intern auch als "Hauptverwaltung A" (HV A) bekannt. Sie war Teil des Ministeriums für Staatssicherheit und unterstand Stasi-Minister Erich Mielke. Sein Ziehsohn Wolf entwickelte in den 36 Jahren seiner Führung den Spionage-Dienst von 12 auf 17.000 Mitarbeiter. Für die Ausbildung des DDR-Geheimdienstes wurden im brandenburgischen Gosen bei Berlin eine Schule errichtet und in den 80er-Jahren eine geheime Bunkeranlage realisiert.

Vor 40 Jahren übergab man diesen in einem natürlichen Erdkessel unweit des Seddinsees gelegenen Bunker als "Ausweichführungsstelle für den Kriegsfall" an den Hausherrn Markus Wolf. "Ich habe irgendwann mal den Mietvertrag unterschrieben, sodass dieses Objekt für uns als authentischer Ort zum Thema Spionage zur Verfügung steht", begrüßt Jörg Diester die Besucher in Gosen-Neu-Zittau.

Der Verein "Bunker-Dokumentationsstätten" betreut in der ganzen Bundesrepublik acht Anlagen. Diester arbeitet hauptberuflich für die Handwerkskammer in Koblenz, kommt aber regelmäßig nach Brandenburg. Sonst führt er oft Gäste durch den Regierungsbunker im Ahrtal nahe Bonn. "Wir erklären unseren Besuchern das gesamte Krisenmanagementsystem, wie man es im Kalten Krieg aufgebaut hat, von den Bundesländern mit ihren Aufgaben bis zum Regierungsbunker. Der Bunker in Gosen ist die ideale Besetzung für den Osten, denn von hier aus sind die westlichen Anlagen ausspioniert worden. Und genau das war die Aufgabe der Hauptverwaltung A - möglichst viel auszuspionieren."

Bei Anruf Mord? Ach nein, das war ja Hitchcock und nicht Honecker.

Bei Anruf Mord? Ach nein, das war ja Hitchcock und nicht Honecker.

(Foto: Rocco Thiede)

Unser Gästeführer ist Polizeioberrat a.D. Ingenieur Hans Schmohl, der als Experte für das Nachrichtenwesen bis zum Alter von 45 Jahren in DDR-Staatsdiensten war. "Ich habe in einem anderen Objekt gearbeitet, und zwar in der Hauptführungsstelle der Partei- und Staatsführung der DDR, bekannt unter dem Namen 'Honecker-Bunker' oder 'Bunker Prenden'." Seit Mitte der 60er-Jahre lebt der Sachse in Ost-Berlin. Heute ist er im Ruhestand.

Zwischen Plattenbau und Datsche

Unweit des Seddinsees mit einem Badestrand und einigen Gartenhäuschen nimmt Schmohl uns auf einem Parkplatz in Empfang. Mit ihm gehen wir zu dem einst streng geheimen Ort. Wir passieren "einige Datschen, die gab es früher schon. Das war alles öffentliches Gebiet. Nur das eigentliche Bunkergelände war natürlich abgesperrt." Links von uns stehen Plattenbauten, das war die Schule der Hauptverwaltung Aufklärung.

Hauptverwaltung Aufklärung, kurz "HV A" - hinter dieser Abkürzung stand der Auslandsgeheimdienst des Ministeriums für Staatssicherheit, also der Geheimdienst der DDR. Die Stasi war zugleich Geheimpolizei und überwachte bis zur friedlichen Revolution im November 1989 40 Jahre lang viele unschuldige Menschen. In den Augen der Stasi waren es "Klassenfeinde", die sich gegen die Ideologie der SED stellten. Sie wurden ausspioniert, verhaftet, verhört und oft für Jahre in die Gefängnisse gesteckt.

Und immer schön mit Durchschlag!

Und immer schön mit Durchschlag!

(Foto: Rocco Thiede)

Mit Hans Schmohl begeben wir uns in die Zeit des Kalten Krieges, als Ost und West noch nicht mit der Möglichkeit rechneten, dass es einen 9. November geben würde, die Mauer fallen könnte und wenig später die DDR aufhören würde zu existieren. Wie kam Spionagechef Markus Wolf vom MfS, dem Ministerium für Staatssicherheit, auf die Idee, ausgerechnet im idyllischen Ort Gosen in Brandenburg die Koordinierungsstelle für die DDR-Auslandsspionage einzurichten? "Ein Grund ist sicherlich, dass man hier ein Objekt gefunden hat, das sich von der baulichen Seite her eignet. Zum anderen liegt es etwas abseits von der Siedlung, sodass die Geheimhaltung gewährleistet war. Die Bewaffneten benötigten eine Stunde, um den Talkessel zu umrunden", erklärt Schmohl.

Bis Ende 1989 wurde dieser Ort genutzt, wobei dies eine Ausweichführungsstelle war, die nur bei Kriegsgefahr bezogen worden wäre. Permanent vor Ort waren sechs Leute, die das Ganze instand gehalten haben, zusätzlich noch eine Wachmannschaft von etwa zehn Mann. Das waren Einheiten des berüchtigten Stasi-Wachregiments "Feliks Dzierzynski", benannt nach dem Gründer der sowjetischen Geheimpolizei. Der militärische Verband des Ministeriums für Staatssicherheit unter Führung von Erich Mielke schützte auch die Politbürosiedlung Wandlitz und andere Partei- und Regierungsgebäude.

Fotografieren kostet extra

Weil der ehemals geheime Bunker unter der Erde liegt, ist es dort auch zur warmen Jahreszeit recht kühl. Hans Schmohl empfiehlt, die Jacken anzulassen und langsam nach unten zu gehen. "Hier riecht es komisch und es ist richtig kalt", sagt ein Kind, das mit seinen Eltern die gut 90-minütige Tour zum Preis von 12 Euro pro Person gebucht hat. Fotografieren kostet zwei Euro extra. Der Bunker ist etwa 1000 Quadratmeter groß. Zwei Jahre wurde gebaut, 1984 war er einsatzbereit. Die Bauarbeiter wurden vorher vom MfS ausgesucht.

Gemütlich ist etwas anderes, aber um acht Tage zu überleben, sollte es gehen.

Gemütlich ist etwas anderes, aber um acht Tage zu überleben, sollte es gehen.

(Foto: Rocco Thiede)

Dann gibt es einen Vortrag wie aus einer anderen Zeit - hier scheint ein Experte zu "Kollegen" zu sprechen. "Immerhin werden wir nicht mit 'Genosse' angesprochen", kommentiert eine Besucherin. Viele Details sind für allgemein interessierte Bunker-Neugierige sehr speziell. Das wird im Laufe der Diashow über das Stasi-Nachrichtenwesen leider nicht besser. "Wir befanden uns in der Hochphase des Kalten Krieges", verweist Schmohl auf die damalige Gefahr eines Weltkrieges mit Atomwaffen.

Bunker-Interessierte bekommen viel Spezialwissen über verdeckte Fernsprechverbindungen und Nachrichtentechnik vermittelt, sodass wir am Ende froh waren, uns endlich durch den Bunker bewegen zu können. Zuerst sehen wir "im Gang 14 das Zimmer vom Chef", mit dem Bunker-Bett von Markus Wolf: Vom Bett des "Chefs" bis über die Küche für die Essensrationen, die für acht Tage gereicht hätten, bis hin zur Wasserversorgung und den sanitären Anlagen - hier wird ein eher deprimierendes Bild gezeichnet. Nach dem Mauerfall gab es "Bunkerrandalierer" und "die haben alles, was sie nicht klauen konnten, kaputt geschlagen", erklärt Schmohl.

Er zeigt uns die Luftversorgung im Bunker, anschließend die Heizungsanlage, das Notstromaggregat, die Anlagen für Telegrafie und Nachrichtenübermittlung mit ihren Organisationseinheiten. Sowjetische Armeetechnik wurde genutzt und die Leitungen für geheime Regierungsfernsprechvermittlungen waren extra gesichert, selbst innerhalb des Bunkers, um keine Abhörmöglichkeit zu schaffen.

Randalierer haben ihren Gefühlen freien Lauf gelassen.

Randalierer haben ihren Gefühlen freien Lauf gelassen.

(Foto: Rocco Thiede)

An einer Tafel wird sichtbar: "Hier haben wir das MfS noch mal aufgeteilt in die Ausweichführungsstellen in Oranienburg und in Müncheberg sowie eine Standleitung in die Normannenstraße", also in die Zentrale des MfS in Ost-Berlin, dort, wo das Ministerium für Staatssicherheit saß und Erich Mielke sein Büro hatte. Heute befindet sich hier das Stasi-Museum. Eine Besucherin stellt fest: ein perfektes System, ausgedacht von den im Volksmund sogenannten "Genossen des VEB Horch und Guck".

Und wie ist es um heutige Bunker bestellt, schließlich haben wir ja wieder Krieg in Europa? "Es ist nicht mehr viel da. Kurz nach Antritt von Frau Merkel wurde das Zivilschutzbunkerprogramm eingestellt. Das heißt, die Bunker wurden nicht mehr gewartet, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch einige in Ost und West gab", bedauert Schmohl.

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Quelle: ntv.de

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