Amoklauf von Lörrach Ermittler suchen nach Motiv
20.09.2010, 16:25 Uhr
(Foto: REUTERS)
Warum genau tötete die 41-jährige Anwältin und Sportschützin ihren Mann, ihren Sohn und einen Krankenhauspfleger? In der Krankenhausakte der Frau finden die Ermittler in Lörrach einen ersten Hinweis. Stück für Stück fügt sich nach dem Amoklauf das Puzzle der Tat zusammen.
Nach dem Amoklauf von Lörrach mit vier Toten suchen die Ermittler weiter nach dem Motiv der Täterin. Die Anwältin Sabine R. hatte am Sonntag zunächst ihren getrennt lebenden Ehemann und ihren gemeinsamen Sohn getötet und dann ihre Kanzlei in Brand gesteckt. Dann erstach sie einen Pfleger in einer Klinik und verletzte weitere Menschen, ehe die Polizei sie selbst tötete.
Die "Badische Zeitung" berichtete unter Berufung auf Nachbarn, die Frau habe mit dem Vater des Kindes offenbar einen Sorgerechtsstreit gehabt. Die Frau sei als schwierig und verbittert wahrgenommen worden. Als der Vater das bei ihm lebende Kind abholen wollte, tötete die Frau beide.

Wegen der schweren Explosion gehen die Behörden davon aus, dass die Tat vorbereitet war.
(Foto: Wilke)
Der Oberstaatsanwalt von Lörrach, Dieter Inhofer, teilte mit, die Frau habe ein Messer und eine kleinkalibrige Sportfeuerwaffe bei sich getragen. Sie war Sportschützin und besaß für die Tatwaffe eine Erlaubnis. Das erklärt, woher die 41-jährige Rechtsanwältin die Waffe und die Munition für die Bluttat hatte.
Heftige Explosion
Der erste Tatort war die Anwaltskanzlei der Frau in einem Mehrfamilienhaus in der Lörracher Innenstadt. Die Frau hatte in den Räumen Brandbeschleuniger verteilt und ihn vom Eingangsbereich der Kanzlei aus angezündet. Daraufhin kam es zur Explosion. Die Wucht der Detonation sei gewaltig gewesen, sagte der Einsatzleiter.
Der Mann und das Kind seien bereits tot gewesen, als es zur Explosion kam, sagte Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech. Der Körper des Sohnes weist keine Schussverletzungen auf, sondern "Einwirkung stumpfer Gewalt", so die Staatsanwaltschaft. Woran der Fünfjährige genau starb soll eine Obduktion klären. Der Ehemann wurde offenbar erschossen.
Die Frau stürmte anschließend in die gynäkologische Abteilung des benachbarten Elisabethen-Krankenhaus, wo sie einen Pfleger mit Messerstichen und Schüssen tötete. Zudem verletzte sie durch Schüsse vor dem Gebäude zwei Passanten sowie in der Klinik einen Polizeibeamten. Alle Verletzten befinden sich außer Lebensgefahr.
Feuergefecht in der Gynäkologie
Im Flur des ersten Obergeschosses verschanzte sich die Frau und feuerte mehrfach durch die Tür eines Patientenzimmers, hinter der sich mehrere Personen befanden. Dann erschoss die Polizei die Amokläuferin. "Durch ihr beherztes Eingreifen haben die eingesetzten Beamten Schlimmeres verhindert", sagte der baden-württembergische Landespolizeipräsident Wolf Hammann. Von der Explosion bis zum letzten Schuss seien nicht einmal 40 Minuten vergangen. Die Frau hatte etwa 300 Patronen bei sich.
Im Jahr 2004 hatte die Frau in dem Krankenhaus eine Fehlgeburt erlitten, sagte Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer. Dies könne "eventuell" der Grund für die dortige Tat gewesen sein.
Schwieriger Feuerwehreinsatz
Aus dem brennenden Wohnhaus rettete die Feuerwehr sechs Erwachsene sowie ein Kind. 15 Bewohner mussten mit Rauchgasvergiftungen in Krankenhäuser gebracht werden. Im Einsatz waren rund 300 Polizisten und Retter aus ganz Südbaden.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zeigte sich bestürzt. "Mein Mitgefühl gilt den Opfern und deren Familien", sagte Mappus. Zur Frage einer Verschärfung des Waffengesetzes sagte er, man müsse alle Informationen zunächst einmal sammeln. Letztendlich sei auch die Politik machtlos. "Man kann nicht generell verhindern, dass so etwas passiert, man kann es nicht vollständig ausschließen", so Mappus.
Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewährte sich in Lörrach das Einsatzkonzept der Polizei zu Amoklagen. "Das schnelle und beherzte Eingreifen der baden-württembergischen Polizei in einer unübersichtlichen und chaotischen Situation hat möglicherweise weitere Opfer verhindert", erklärte der GdP-Chef Konrad Freiberg.
"Die Kollegen sind nach Winnenden entsprechend geschult worden, schnell und effizient einzugreifen", sagte Polizeisprecher Joachim Langanky in Lörrach. "Das Konzept ist voll aufgegangen." Das rasche Ende des Amoklaufes sei ein Ergebnis der neuen Maßnahmen.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP