Panorama

Kürzungen bei der Geburtshilfe "Frauen werden gar nicht mehr gefragt"

Die Gebärenden sollen mitreden können.

Die Gebärenden sollen mitreden können.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am 25. März 2014 startete die zweifache Mutter Michaela Skott eine Petition an den Bundestag. Darin fordert sie, dass das Recht auf eine selbstbestimmte Geburt im Grundgesetz verankert werden soll. Zwei Jahre später wird Skott dazu im Petitionsausschuss angehört. Inzwischen ist die Schwerinerin Teil der Bundeselterninitiative Mother Hood e.V.; ihr Anliegen findet sie dringender denn je. 

n-tv.de: Ihre Petition ist von 2014, inzwischen haben wir das Jahr 2016, jetzt werden Sie im Bundestag angehört. Wie aktuell ist denn Ihr Anliegen noch?

Michaela Skott: Unser Anliegen ist aktueller denn je, denn die Situation hat sich in der Geburtshilfe ja nicht verbessert, sondern verschlechtert. In diesen zwei Jahren wurden mehr Kreißsäle geschlossen, es gibt weniger Hebammen, es gibt weniger Betten in den Krankenhäusern, die für die Frauen zur Verfügung stehen.

Es wurde in diesem Zusammenhang bisher viel über die Berufssituation der Hebammen gesprochen. Ihnen geht es vor allem um die gebärenden Frauen - warum?

Weil niemand die gebärenden Frauen zu Wort kommen lässt. Deshalb wird es Zeit, dass diejenigen, die direkt betroffen sind, auch mit am Tisch sitzen und darüber sprechen können, wie gute Geburtshilfe für sie aussieht. Bisher meinen Politiker, Versicherer, Anwälte, Ärzte und Hebammen, bestimmen zu können, was das Beste für die Frauen ist. Aber die Frauen sollten einfach gefragt werden. Wir haben ein Selbstbestimmungsrecht, wir haben ein Patientenrecht, wir können Untersuchungen ablehnen. Selbstbestimmung ist generell in der Medizin schwierig, aber in der Geburtshilfe wird man als Frau überhaupt nicht mehr gefragt. Und durch die aktuelle Entwicklung wird das weiter eingeschränkt. Wir können den Geburtsort nicht mehr frei wählen und dabei geht es nicht nur darum, sich zwischen klinischer und außerklinischer Geburt entscheiden zu können.

Worum geht es denn noch?

Es geht vor allem darum, zwischen einer hochtechnisierten Einrichtung  und einer, die vielleicht weniger Technik anbietet, wählen zu können. Konkret muss ich mich für eine Klinik entscheiden können, die weniger Kaiserschnitte macht. Inzwischen ist es aber oft so, dass ich in eine Klinik muss, die eine hohe Kaiserschnittrate hat, weil es keine andere gibt. Das gehört auch zur freien Wahl des Geburtsortes und der ist aus unserer Sicht schon jetzt nicht mehr gewährleistet.

Was fordern Sie genau in Ihrer Petition?

Ich fordere die Errichtung eines Grundrechts auf die freie Wahl des Geburtsortes und Bezugshebammen im Schlüssel von 1:1. Für jede gebärende Frau soll genau eine Hebamme da sein, die die Frau bei der Geburt begleitet. Ich weiß auch, dass das eine gewagte Forderung ist, weil das eine Grundgesetzänderung bedeuten würde. Aber tatsächlich ist es so, dass es schon jetzt europäische Rechtsnormen gibt, aus denen sich das ableiten lässt. Im deutschen Recht ist es nur bisher nirgends festgeschrieben. Zwar steht Sozialgesetzbuch, dass eine versicherte Frau die Kosten für eine Geburt, egal an welchem Ort, erstattet bekommt. Aber da geht es nur um gesetzliche versicherte Frauen, nicht um die Frau an sich. Vor allem dreht sich alles ums Geld, aber nicht darum, dass jemand diesen Ort und die Begleitung durch eine Hebamme auch wirklich vorhält.

Warum muss es die 1:1-Betreuung sein?

Studien belegen deutlich, dass die Bezugshebamme die sicherste Form der Geburtsbegleitung ist. Das gilt von der Feststellung der Schwangerschaft über die Geburt bis zur Nachsorge im Wochenbett. Wenn wir in Deutschland von der besten Geburtsmedizin sprechen wollen, dann führt daran kein Weg vorbei. Denn wenn in der Geburtshilfe ein Problem auftaucht, dann kommt das selten Knall auf Fall. Meist kündigt sich das im Geburtsverlauf an, wenn eine Hebamme eine Frau begleitet und sich Zeit nimmt, merkt sie das. Wenn da aber niemand ist, steigen die Interventionsraten. Es wird ja schon jetzt kaum noch eine Geburt in Kliniken vollständig natürlich durchgeführt.

Haben Sie sich bei der Geburt Ihrer Kinder in Ihrer freien Wahl bereits eingeschränkt gefühlt?

Ich persönlich hatte das Glück, meine Hebamme noch wählen zu können, die mich sowohl bei meinem Kaiserschnitt, als auch später bei einer Spontangeburt 1:1 betreut hat. Aber inzwischen ist es auch hier in Schwerin so, dass die Zahl der Hebammen dramatisch abgenommen hat. Der Beruf ist immer weniger attraktiv und die Hebammen haben auch Angst vor der Haftung. Eine Befragung des Deutschen Hebammenverbandes hat ergeben, dass die Hebammen in den Kreißsälen inzwischen mindestens zwei Gebärende gleichzeitig betreuen, wenn nicht drei oder vier.  

Was erhoffen Sie sich von der Anhörung?

Die Politiker sollen dafür sensibilisiert werden, dass es notwendig ist, die Frauen und die Familien an allen Vorgängen rund um die Geburtshilfe rechtsverbindlich zu beteiligen, uns mitanzuhören und unsere Argumente auch zu prüfen. Die Rettung der Hebammen ist nur ein kleiner Teil eines sehr großen Problems. Es geht darum, die bestmögliche Geburtshilfe für die Frauen und die Familien zu schaffen. Da geht es auch um Kliniken, um Fragen der Selbstbestimmung, um Haftungsfragen. In diese Prozesse wollen wir Eltern ganz klar mit eingebunden werden. Hier in Mecklenburg-Vorpommern gab es gerade eine Bürgerinitiative, die binnen kürzester Zeit 19.000 Unterschriften gegen die Schließung eines Kreißsaales gesammelt hat. Die wurde einfach abgebügelt, davon haben wir die Nase voll.

Mit Michaela Skott sprach Solveig Bach

Quelle: ntv.de

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