Weiter kein Wintereinbruch in Sicht Grenzwetterlage bringt "Frühling" im Januar
13.01.2014, 15:26 Uhr
Blüte im Januar: Wie dieser Kirschbaum in Hamburg wähnen sich derzeit viele Menschen eher im Frühling als im Winter.
(Foto: picture alliance / dpa)
Während in Nordamerika Rekord-Minuswerte erreicht werden und im Dezember gar schon in Ägypten Schnee lag, scheint der Winter um Mitteleuropa derzeit noch einen Bogen zu machen. n-tv Meteorologe Björn Alexander erklärt im Interview, wie die milden Temperaturen im langjährigen Vergleich einzuordnen sind.
n-tv.de: Björn, man hört es in letzter Zeit immer wieder: Der Winter soll noch kommen. Ist da was dran?
Björn Alexander: Grundsätzlich sind wir in dieser Woche schon mal deutlich näher dran als in der letzten Woche. Die sehr milden, fast schon frühlingshaften Werte sind vorbei und wir bewegen uns auf einem normaleren Niveau. Und das wird auch langsam, aber sicher mal Zeit. Schlussendlich war der vergangene Dezember rund drei Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt. Die ersten zehn Tage im Januar brachten einen Temperaturüberschuss von gut sechs Grad.
Müssen wir uns denn jetzt auf Schnee und Eis einstellen?
Den ganz großen Wintereinbruch haben wir erst einmal nicht zu erwarten. Allerdings ist der richtige Winter auch nicht mehr allzu weit entfernt. Derzeit hat sich die Dauerfrostluft mit nächtlichen Tiefstwerten von teils unter minus 30 Grad über Skandinavien und Osteuropa angesammelt. Damit steht der Winter vor unseren Toren und kann von der Ostsee her auch schon mal ganz zaghaft anklopfen. Auf der anderen Seite beweisen auch die Sturmtiefs über dem Atlantik, dass sie eine enorme Standfestigkeit haben und führen immer wieder mildere Luft gegen den Winter aus Nordosten heran. In der Meteorologie bezeichnen wir dieses Phänomen als Grenzwetterlage, bei der sich weder der Winter noch der Frühling bei uns durchsetzen kann.
Was bedeutet das für unser Wetter?
In der Osthälfte gibt es die eher normalen Januartemperaturen, die in dieser Woche oft zwischen null und fünf Grad erreichen. In den westlichen Landesteilen ist es milder. Hier sind meist Höchstwerte zwischen fünf und zehn Grad möglich. Allerdings ziehen dort dafür immer wieder die Tiefausläufer mit Regen durch. Der Osten und der Südosten bleiben ab der Wochenmitte hingegen mehrheitlich trocken und bevorzugt auf den Bergen, oberhalb von Nebel oder Hochnebel, kann sich immer wieder die Sonne durchsetzen. Nachts kann es bei längeren Aufklarungen gebietsweise schon mal für leichten Frost und entsprechende Glätte reichen.
Ist schon absehbar, ob sich der Winter irgendwann doch noch bei uns einfindet?

Seltener Anblick auf dem Sinai: Mitte Dezember versank der Nahe Osten erstmals seit Jahrzehnten im Schnee.
(Foto: picture alliance / dpa)
Gerade bei solchen Umstellungen, die uns vom gefühlten Frühling in der letzten Woche in Richtung Winter bringen, haben die Wettermodelle immer wieder große Probleme. Und auch momentan würde ich sagen, dass für die kommende Woche vieles möglich ist. Derzeit können wir davon ausgehen, dass sich der tiefe Druck von Nordwesten her bei uns verstärkt und ab Montag nächster Woche wieder vermehrt für Niederschläge sorgen kann, auf den Bergen auch mit Neuschnee. Im Flachland sieht es bei Temperaturen von meist drei bis sieben Grad eher nach Schneeregen oder Regen aus. Und wenn es tatsächlich so kommt, dann würden auch die Nachtfröste wieder häufiger und intensiver werden.
Den Winter dürfen wir also weiterhin nicht abschreiben?
Ich würde es zumindest noch nicht tun. Die Winterluft liegt in Lauerstellung und wir haben ja gerade erst Mitte Januar. Und auch der Blick in die Klimastatistik zeigt uns beispielsweise, dass der Dezember 2011 rund drei Grad zu warm war. Der Januar 2012 brachte es auf gut zwei Grad mehr als normal. Der darauf folgende Februar 2012 zeigte hingegen seine Winterqualitäten und war fast drei Grad kälter als der langjährige Durchschnitt.
Noch eine Frage zur Statistik: auf welchen Zeitraum bezieht sich denn der "langjährige Durchschnitt"?
Wenn vom klimatischen Mittel geredet wird, dann ist das in der Regel der Zeitraum von 1961 bis 1990. Um eine internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten, hat die WMO (World Meteorological Organization) diesen Zeitraum vorgegeben. Natürlich wäre es durchaus sinnvoll, den 30-jährigen Zeitraum zu aktualisieren und nach hinten zu verschieben. Also beispielsweise von 1981 bis 2010. Aber nur, wenn dann auch alle Wetterdienste mitmachen. Bis dahin gilt: alle Abweichungen vom Klimamittel beziehen sich auf den Zeitrahmen von 1961 bis 1990. Es sei denn, der Referenzzeitraum wird explizit anders angegeben.
Müssen es denn 30 Jahre sein?
Für klimatologisch relevante Betrachtungen sind 30 Jahre der vorgeschriebene Zeitraum. Dabei geht es eben um langfristige Beobachtungen und Vergleiche, die eine langjährige Datengrundlage haben müssen. Die nächste offizielle Umstellung des Zeitfensters gibt es dementsprechend erst 2021. Aber natürlich kann es schon mal sehr sinnvoll sein, den Vergleichszeitraum anzupassen. Gerade wenn es um die Beurteilung des Klimawandels geht. Jedoch muss diese Änderung dann - wie schon gesagt - auf jeden Fall auch kenntlich gemacht werden. Schlussendlich sollte es dabei ja um den Versuch gehen, exakte Wissenschaft zu betreiben und nicht darum, mit irgendwelchen Zahlenspielen eine möglichst große Öffentlichkeit zu erreichen.
Quelle: ntv.de