Urteil gegen Bayern-Präsidenten "Hoeneß hat einen Promi-Malus"
13.03.2014, 06:31 Uhr
Streitbar war Uli Hoeneß schon immer, in diesen Tagen polarisiert der Bayern-Präsident aber wohl noch mehr als jemals zuvor.
(Foto: imago/Chai v.d. Laage)
Heute fällt die Entscheidung im Prozess gegen Uli Hoeneß in München. Aus Sicht des Steuerrechtlers Karsten Randt hat der Präsident des FC Bayern gute Chancen auf ein mildes Urteil. Sollte er dennoch eine Freiheitsstrafe erhalten, liegt es möglicherweise an zwei fehlenden Sätzen.
Analysen, Hintergründe, Meinungen: Alles zum Prozess gegen Uli Hoeneß gibt es um 13.30 Uhr, 15.15 Uhr und 18.30 Uhr in einem "News Spezial" bei n-tv.
n-tv.de: Heute findet der vierte und voraussichtlich letzte Tag im Hoeneß- Prozess statt. Wie ist Ihr bisheriger Eindruck?
Karsten Randt: Hoeneß hat einen erheblichen Promi-Malus. Fälle wie den seinen kennt die Praxis schon seit Jahrzehnten und man ist damit immer sehr großzügig umgegangen. Die Frage ist am Ende immer: Wie clever und wie versiert ist der Berater, der die Selbstanzeige macht? Der Fall Hoeneß hätte wie jeder andere Steuerfall auch durch die Selbstanzeige repariert werden können.
Statt wie angenommen 3,5 Millionen Euro hat Hoeneß 27,2 Millionen Euro hinterzogen. Was für Auswirkungen hat die Höhe der Summe auf das Urteil?
Zunächst einmal ist die Frage zu klären, ob die von Herrn Hoeneß angegebene Selbstanzeige rechtlich wirksam ist. Wenn das der Fall ist, spielt die Höhe der Nacherklärung keine Rolle. Eine rechtliche Grauzone ist es jedoch, welche Voraussetzungen an eine sogenannte geschätzte Selbstanzeige in der ersten Stufe zu stellen sind.
Was sagt die Rechtsprechung dazu?
Man kann durchaus sehr großzügig schätzen. Ob die Anzeige von Hoeneß diesen Anforderungen gerecht wird, können wir bisher noch nicht abschließend beurteilen. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Selbstanzeige unwirksam ist, wäre in einem zweiten Schritt zu würdigen, welche strafmildernde Wirkung der Anzeige beizumessen ist.
In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht der Eindruck, dass Hoeneß und seine Verteidiger, zum Beispiel durch das Nachlegen von Dokumenten, im Prozess eine unglückliche Figur abgeben. Täuscht das?
Es entsteht der Eindruck einer Salami-Taktik, das mag sein, trotzdem muss ich dem widersprechen. In dem Augenblick, in dem ein Steuerpflichtiger eine Bank und eine Kontoverbindung angibt, ist allen Beteiligten klar, dass diese Kontoauszüge für die steuerliche Auswertung zugrunde zu legen sind. Schauen wir mal in die 90er zurück: Damals gab es Fälle von Kapitalflucht deutscher Steuerpflichtiger nach Luxemburg. Diejenigen, die damals eine Selbstanzeige mit ihrer Bankverbindung abgegeben haben, konnten sich in die Straffreiheit retten. Auch, wenn sie zum Zeitpunkt der Anzeige nicht in der Lage waren, den genauen Nachzahlungsbetrag zu beziffern.
Ist es in Anbetracht des Prozessverlaufs wahrscheinlich, dass sich die Selbstanzeige für Hoeneß strafmildernd auswirken könnte?

Muss Uli Hoeneß ins Gefängnis?
Das ist ohne Zweifel der Fall: Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift von 3,5 Millionen Euro hinterzogenen Steuern ausgeht, darf man zu Recht annehmen, dass die Ermittlungsbehörde wohl nicht im Blick hatte, dass noch sehr viel höhere Beträge tatsächlich zu berücksichtigen sind. Das heißt: Hätte Hoeneß die weitergehenden Unterlagen nicht vorgelegt, wäre dieses Volumen gar nicht bekannt geworden. Insofern ist das, auch wenn es kleckerweise erfolgte, ein wichtiger Milderungsgrund.
Mit was für einem Urteil muss Hoeneß rechnen?
Die Hinterziehung von Hoeneß hat ein großes Ausmaß und stellt eine zu missbilligende Tat dar. Der Fall hat eine moralisch-emotionale Betrachtungsebene, die das Gericht allerdings nicht zu bewerten hat. Die juristische Frage ist, ob Hoeneß durch eine wirksame Selbstanzeige Straffreiheit erlangt hat. Es sprechen gute Gründe dafür, dass man zu einem solchen Ergebnis kommen kann.
Einstellung des Verfahrens oder Bewährungsstrafe: Was ist aus Ihrer Sicht das realistischere Urteil?
Darüber, was realistisch ist, mag ich nicht spekulieren. Ich habe die Befürchtung, dass aufgrund der starken Emotionalisierung möglicherweise eine empfindliche Freiheitsstrafe herauskommen kann. Die Tragik dieses Verfahrens besteht in folgendem Punkt: Wenn Herr Hoeneß auf einem Blatt Papier eine handgeschriebene Selbstanzeige mit weit überhöhten Schätzbeträgen für die Steuernachzahlung abgegeben hätte, wäre er in jedem Fall straffrei geblieben beziehungsweise es wäre von der Strafverfolgung abgesehen worden.
Was für einen Fehler hat Hoeneß gemacht?
Sein Steuerberater hat lediglich die Jahresendbestände seines Kontos kommuniziert. In einem zweiten Schritt hätte man darauf hinweisen müssen, dass möglicherweise noch große Spekulationsgewinne aus Devisentermingeschäften im Raum stehen. Wenn er zum Beispiel geschrieben hätte, "Ich halte es für möglich, dass dies sogar ein Steuerbetrag von 27,2 Millionen Euro erreicht", wäre seine Strafanzeige wirksam gewesen. Zwei Sätze hätten gereicht.
Ist auch eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung vorstellbar?
Das kann ich schwer einschätzen. Ich halte es für möglich, hielte es angesichts dessen, was wir wissen, aber nicht für richtig.
Der Bundesgerichtshof hat 2008 klargestellt: Wer mehr als eine Million Euro Steuern hinterzieht, muss ins Gefängnis. Ist das ein Maßstab im Hoeneß-Prozess?
Eine unmittelbare Anwendbarkeit dieser Entscheidung von 2008 ist nicht korrekt. Diesem Urteil lag damals eine Fall-Konstellation zugrunde, dass ein Steuerpflichtiger von den Ermittlungsbehörden durch eigene Erkenntnisse aufgegriffen wurde. Eine Selbstanzeige hat in diesem Fall gar keine Rolle gespielt. In unserer Abgabenordnung ist es ja ausdrücklich geregelt: Eine Steuerstraftat in der Vergangenheit lässt sich ausräumen, indem man der Behörde diesen Umstand mitteilt und die entsprechenden Steuern nachzahlt.
Mit Karsten Randt sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de