Zum Trommeln verurteilt Junge Straftäter machen Musik
18.05.2010, 09:58 Uhr
Durch das Trommeln sollen die Jugendlichen ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln.
(Foto: dpa)
Statt sie zu Arbeitsstunden zu verurteilen, schickt der Richter sie zum Trommeln. Beim Projekt "Beatstomper" sollen junge Straftäter Rhythmus finden - auch für ihr Leben.
Aus dem Alten Bahnhof in Bad Urach in Baden-Württemberg dröhnt ein Wummern und Stampfen. Drinnen stehen Jugendliche hinter hölzernen Kisten, an denen sie Blechdosen und Autofelgen, Stoßdämpfer und Eisenketten befestigt haben. Die Jugendlichen sind nicht freiwillig hier - sie sind Straftäter zwischen 14 und 24 Jahren und wurden zum Trommeln verurteilt.
Die meisten sind bisher durch Schlägereien, Raubüberfälle und Pöbeleien nur negativ aufgefallen, sagt Projektleiter Dierk Zaiser. "Jetzt können sie durch das Trommeln positiv auffallen." Nur wenn alle mitmachen und sich einordnen, klingt es gut. So entwickeln die Jungs Gemeinschaftsgefühl und Verantwortungsbewusstsein.
Die meisten kommen aus Migranten-Familien, sind von der Schule oder aus der Ausbildung geflogen, von der Abschiebung bedroht und haben wenig Perspektiven. "Ihre Biografien sind ein Auf und Ab", sagt Zaiser. Das Rhythmus-Projekt soll ihnen etwas Halt geben. "Wir trommeln nicht nur, wir sind auch eine Hilfe im Alltag." Wenn es Probleme in der Schule gibt, bitten die Jungs den Musikpädagogen regelmäßig um Hilfe. Und auch bei Bewerbungen helfen Zaiser und eine ehrenamtliche Mitarbeiterin in dem Projekt.
Alles, was laut ist
"Klassische Kulturangebote erreichen unsere Jugendlichen nicht", sagt Zaiser. Aber das Trommeln mit Alltagsmaterialien kommt an: Die Holztrommeln, groß wie Rednerpulte, hinter denen die Jugendlichen stehen, bauen die "Beatstomper" selbst. An der Seite hängen Autofederungen, Schilder, Dosen und alles, was irgendwie laut ist.
"Das ist besser als Arbeitsstunden, man hat was davon", sagen Ramadan und Lulzim, zwei 18- und 21-jährige albanische "Beatstomper". "Donnerstagabends wissen wir, wo wir hingehören." Zumindest einmal in der Woche hängen sie nicht einfach nur irgendwo in der Stadt rum.
Veränderungen brauchen Zeit
Einige haben bei Auftritten sogar schon Unternehmer begeistert, bei denen sie später einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz bekommen haben. Zaiser: "Bei unseren Auftritten treffen immer zwei Welten aufeinander, die sich sonst nicht begegnen würden." Auf der einen Seite die "Beatstomper", die mit gestylten Haaren und zerrissenen Jeans auffallen. "Und auf der anderen Seite die etablierte, bürgerliche Gesellschaft, die sich an diese andere Form der Bestrafung und Erziehung erst mal gewöhnen muss", sagt der Projektleiter.
"Veränderungen bei den Jugendlichen brauchen ihre Zeit. Aber sie sind möglich." Gewaltdelikten hätten die Jugendlichen abgeschworen, ist Zaiser überzeugt. Und viele "Beatstomper" schaffen, was vorher keiner geglaubt hätte: Sie engagieren sich nach ihrer Strafe freiwillig, binden sich langfristig und verschaffen sich Anerkennung. Einige haben über das Trommeln sogar den Weg in die Kultur gefunden und haben heute professionelle Engagements.
Quelle: ntv.de, Benjamin Dürr, dpa