Panorama

EHEC: EU fordert bessere Koordination Kritik an Bundesregierung wächst

Wo ist die EHEC-Quelle? Spurensuche auf einem Hof in Bienenbüttel.

Wo ist die EHEC-Quelle? Spurensuche auf einem Hof in Bienenbüttel.

(Foto: dapd)

Die Bundesregierung muss nach Ansicht der EU-Kommission bei der Bewältigung der EHEC-Krise stärker mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Kritik gibt es auch an der Art und Weise, wie nach der Quelle für die Epidemie gesucht wird. Auch deutsche Experten fordern ein besseres Krisenmanagement. Handel und Kliniken leiden bereits unter der den Folgen von EHEC.

Vor dem Sondertreffen von Bund und Ländern zur EHEC-Krise hat EU-Gesundheitskommissar John Dalli die deutschen Behörden zu einer engeren Zusammenarbeit mit ausländischen Experten aufgefordert. "Wir müssen auf die Erfahrung und die Expertise in ganz Europa und sogar außerhalb Europas setzen", sagte Dalli der "Welt". "Ich betone ausdrücklich, wie wichtig es ist, dass wir eng zusammenarbeiten und unser Fachwissen teilen, um den Ausbruch von EHEC möglichst schnell zu beenden."

Nach Informationen des Blattes erwarten EU-Kreise vor allem, dass Deutschland Experten aus den USA und Japan bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Erregers hinzuzieht. Die Gesundheits- und Verbraucherminister von Bund und Ländern wollen heute über das Krisenmanagement zur Eindämmung des gefährlichen Darmkeims beraten. Zu der Sonderkonferenz in Berlin wird auch Dalli erwartet. Laut Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr soll auch über Koordination und Kooperation der zuständigen Stellen gesprochen werden. Kritik am Vorgehen der Behörden wies er aber zurück. Nach den Worten von Bahr soll bei dem EHEC-Sondertreffen über Konsequenzen gesprochen werden. Für sofortige Änderungen sei es aber noch zu früh: "Auf dem Höhepunkt des Ausbruchs kann man jetzt noch nicht sagen, genau so muss es anders werden."

Diplomaten kritisierten der Zeitung zufolge intern auch, dass die Fragebögen der deutschen Behörden, in denen bei der Suche nach der Infektionsquelle nach den Essgewohnheiten von EHEC-Patienten gefragt wird, "zu eng gestrickt" seien, weil sie sich zu stark auf den Verzehr von bestimmten Gemüsearten konzentrierten.

Kritik am RIK

Krankenhäuser haben unter den Kosten durch die Krise zu leiden.

Krankenhäuser haben unter den Kosten durch die Krise zu leiden.

(Foto: dpa)

Nicht nur aus dem Ausland wird ein besseres Management der Krise angemahnt. Das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie fordert als Konsequenz einen zentralen Regierungskoordinator für das Krisenmanagement beim Auftreten gefährlicher Erreger. Dieser müsse die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien verbessern, sagte der Direktor des Berliner Instituts, Stefan Kaufmann, der "Welt". Derzeit entstehe durch die vielen Wortmeldungen der Eindruck, als würde die Politik den Ereignissen hinterherhecheln.

Auch der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband, Gerd Billen, verlangte für die Zukunft ein "Krisenmanagement aus einem Guss". Dieses sollte ein mit größeren Kompetenzen ausgestattetes Robert-Koch-Institut übernehmen, sagte Billen der "Mittelbayerischen Zeitung". Die föderale Struktur beim Verbraucherschutz behindere die Aufklärung bei Lebensmittelkrisen. Sobald die EHEC-Krise ausgestanden sei, müssten die Institutionen neu aufgestellt werden.

Der Chef des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, wies den Vorwurf zurück, das Institut sei mit zu wenig Personal im Einsatz gewesen, räumte aber ein, bisweilen nicht schnell genug gewesen zu sein. "Wir hätten manches noch rascher transparenter machen sollen. Aber die Ereignisse überschlagen sich, alle Mitarbeiter sind extrem gefordert und man kann nicht alles gleichzeitig machen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Ich sehe von unserer Seite keine groben Fehler und Versäumnisse."

Gesundheitsminister Bahr wies allerdings Forderungen nach einer zentralen Stelle für die Gesamtkoordination zurück. "Das ist typisch deutsch: Es wird sofort wieder nach einer neuen Behörde, einer neuen Struktur gerufen", sagte Bahr der ARD. Er erinnerte daran, dass es eine solche Stelle - das Bundesgesundheitsamt - bereits gab. Dessen Zuständigkeiten wurden aber 1994 im Zusammenhang mit HIV-verseuchten Blutpräparaten 1994 aufgeteilt.

Handel und Kliniken leiden

Der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel leidet erheblich unter der EHEC-Seuche: "Wir haben Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent bei Obst und Gemüse", sagte der Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), Kai Falk, der "Bild"-Zeitung. Auch bei anderen Lebensmitteln gingen die Umsätze deutlich zurück. "Der Handel spürt die große Verunsicherung der Kunden."

Bauern und Handel bleiben derzeit auf Gemüse sitzen.

Bauern und Handel bleiben derzeit auf Gemüse sitzen.

(Foto: dpa)

Die EHEC-Epidemie reißt zudem Löcher in die Budgets von Krankenhäusern und hat eine Kostendiskussion ausgelöst. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) forderte Finanzhilfen für die Hochleistungskrankenhäuser, die Patienten mit dem lebensbedrohlichen Darmkeim behandeln. Sämtliche EHEC-Fälle müssten außerhalb des vereinbarten Budgets zum vollen Preis abgerechnet werden. Die Krankenhäuser handeln mit den Krankenkassen Budgets für eine bestimmte Anzahl von Patienten aus. Wird diese vereinbarte Patientenzahl überschritten, tragen die Kassen nur noch 35 Prozent der Kosten.

Kosten nicht absehbar

"Hierzu muss das Bundesgesundheitsministerium tätig werden, damit die Kassen sich nicht hinter den gesetzlichen Regelungen verschanzen können", erklärte VUD-Generalsekretär Rüdiger Strehl in Berlin. Der Vizepräsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Andreas Tecklenburg, sagte: "Wir Krankenhäuser mit Maximalversorgung können nicht das gesellschaftliche Risiko für Epidemien und Seuchen tragen."

Die Kosten für die Behandlung der EHEC-Patienten seien noch nicht abzusehen, sagte der Klinik-Manager. Pfleger und Ärzte auf den betroffenen Stationen arbeiteten rund um die Uhr, andere Operationen müssten verschoben werden. "Drei Viertel einer Intensivstation ist durch EHEC blockiert", sagte Tecklenburg. Die Medizinische Hochschule Hannover versorgt derzeit knapp 50 EHEC-Patienten, darunter zwölf Kinder, die überwiegend unter der schweren Form HUS leiden.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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