Beispielloser Fälschungsskandal Kunsthandel schwer erschüttert
07.09.2010, 20:51 UhrEin dreister Kunstskandal schockiert Museen und Galerien. Eine Bande soll über Jahre Fälschungen bekannter Maler des 20. Jahrhunderts in den Kunstmarkt geschleust haben. Ein Millionenschaden ist entstanden. Auktionshäuser wie Lempertz und Christie's fürchten um ihren Ruf.

Die Internetseite des Auktionshauses Lempertz zeigt das Gemälde "Rotes Bild mit Pferden" an. (Bild vom 05.09.2010)
(Foto: dpa)
In den deutschen Museen schauen sich die Direktoren derzeit vor allem die Rückseiten ihrer Bilder genauer an. Ein Herkunftsaufkleber auf einem vermeintlichen Werk des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk führte auf die Spur eines Fälschungsskandals, der beispiellos für den internationalen Kunsthandel ist.
Aus einer Sammlung namens "Werner Jägers" sollte das über Jahrzehnte verschollene Tiergemälde "Rotes Bild mit Pferden" (1914) stammen, das vor vier Jahren für einen Rekordpreis von 2,4 Millionen Euro beim Kölner Auktionshaus Lempertz in Köln versteigert wurde. Aus dem anfänglichen Verdacht wurde ein Kunstkrimi: Inzwischen laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Häuser wurden durchsucht, drei Verdächtige aus der Familie Jägers festgenommen, gegen zwei weitere Personen wird ermittelt.
Insgesamt seien zwölf Bilder aus der vermeintlichen Jägers-Sammlung in den Handel geschleust worden, sagt der Inhaber des renommierten Kölner Auktionshauses Lempertz, Henrik Hanstein. Dazu gehören zwei weitere bei Lempertz versteigerte Werke von Max Pechstein. Auch Christie's in London habe zwei wohl falsche Campendonks sowie ein Werk von Max Ernst versteigert, das heute im Museum Würth in Künzelsau hänge. In den Niederlanden würden weitere Bilder geprüft. Und im Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museum hängt als Leihgabe der spanischen Telefongesellschaft Telefónica ein zweifelhaftes Werk des Kubisten Louis Marcoussis.
Fälschungen von höchster Qualität

Das 2003 für 500.000 Euro bei Lempertz versteigerte Werk "Liegender Akt mit Katze" von Max Pechstein gilt als Fälschung.
(Foto: dpa)
Bereits im Juli hatte der Fachmann Ralph Jentsch im Lehmbruck-Museum die Rückseiten der Bilder der Kubismus-Schau nach verdächtigen Aufklebern abgesucht, die den jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim zeigten. Jentsch war es, der die Fälschungsaffäre anhand dieser Aufkleber aufdeckte, die immer wieder auf den Rückseiten von Werken aus der "Jägers"-Sammlung zu finden waren.
Wie aber konnten die mutmaßlichen Fälschungen die Hürden der Expertisen im Kunsthandel überwinden? Die Fälschungen seien "genial", sagt Hanstein. Und: "Wir haben uns alle auf maßgebliche Experten verlassen." Diese hätten die Werke, von denen es jeweils nur Erwähnungen in der Fachwelt gegeben hatte, für echt befunden.
Die Bilder seien "in homöopathischen Dosen" über mehrere Jahre in Köln, London und Paris verkauft worden. Festgenommen wurden unter anderem zwei Enkelinnen Jägers, der in Wirklichkeit ein rheinischer Kaufmann war und auf einem Kölner Friedhof bestattet ist.
Klage eingereicht
Hanstein weist Vorwürfe, Lempertz habe nicht sorgfältig genug geprüft, zurück. "Wir sind im Kunsthandel alle nicht davor gefeit." Die Verunsicherung angesichts des dreisten Fälschungscoups sei in der Branche groß. "Wir sind die Opfer und werden alle darunter zu leiden haben."
Auch der Berner Galerist Wolfgang Henze, der das Pechstein-Werk "Liegender Akt mit Katze" 2003 für 500 000 Euro bei Lempertz ersteigerte, sagt: "Die Fälschungen sind wirklich von höchster Qualität." Henze hat sich dennoch einer Klage des Käufers des Campendonk-Bildes gegen Lempertz angeschlossen. Als der Verdacht der Fälschung des Pechstein aufkam, engagierte Henze einen Privatdetektiv. "Nach zwei Tagen war alles klar, es gibt keine Sammlung Jägers", sagt Henze. "In diesem Fall sind die Quellen nicht einwandfrei überprüft worden."
Schuldzuweisungen
Mit "schlichter Sorgfalt" und der Devise "Im Zweifel Nein" könnten sich die Kunsthäuser vor Fälschungen schützen, sagt Henzes Cousin Robert Ketterer, der das gleichnamige renommierte Auktionshaus in München leitet. Vor zwei Jahren seien bei Ketterer zwei angebliche Werke von Schmitt-Rottluff und Max Beckmann angeliefert worden. "Qualität spitze, Provenienz super." Und gerade das machte ihn misstrauisch. Letztlich stellten sich die Bilder als "fantastische Fälschungen" heraus.
Beim Campendonk war es übrigens neben dem Aufkleber das "Titanweiß", das auf die Spur der Fälscher führte. Zum Zeitpunkt der Entstehung 1914 gab es das Pigment noch gar nicht.
Quelle: ntv.de, Dorothea Hülsmeier, dpa