Aufruf zur Lynchjustiz Minister nimmt Polizei in Schutz
02.04.2012, 13:09 UhrDie Polizei zwischen Aufklärungsdruck und Sorgfalt: Gab es hier Probleme im Emdener Mordfall? Fachminister Schünemann sagt nein. Doch Fragezeichen bleiben. Unterdessen ermitteln die Beamten gegen den Initiator einer Lynchjustiz-Kampagne. Gesprochen haben sie ihn noch nicht.
Nach einem Internet-Aufruf zur Lynchjustiz im Zusammenhang mit dem Mädchenmord in Emden hat die Polizei noch keine neuen Erkenntnisse. Der aus Ostfriesland stammende Urheber ist noch nicht befragt worden. Gegen den Mann wird aber wegen öffentlichen Aufrufens zu einer Straftat ermittelt, weil er im Internet zu Gewalt gegen den ersten Verdächtigen aufgefordert hatte. Dieser inzwischen 18 Jahre alte Berufsschüler war am Freitag wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil seine Unschuld bewiesen wurde. Am Wochenende hatte dann ein gleichaltriger Mann die Tötung des Mädchens zugegeben. Er sitzt nun wegen Mord-Verdacht in Untersuchungshaft.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) verteidigte die Polizei gegen Kritik an der ersten Verhaftung. Die Ermittler hätten "sehr professionell" und "völlig richtig" gehandelt, sagte Schünemann dem ZDF.
Schünemann sagte, er sei "erschrocken" über die Gewaltdrohungen. Dafür könne aber nicht die Polizei verantwortlich gemacht werden. Sie habe den jungen Mann stets nur als Verdächtigen bezeichnet, der sich als unschuldig erweisen könne. Allerdings gibt es zahlreiche Experten-Stimmen, die sagen, die Verhaftung hätte erheblich dezenter und weniger öffentlich stattfinden können. So hätte vermieden werden können, dass Name und Adresse des Verdächtigen bekannt werden.
Dass über soziale Netzwerke im Internet Lynchaufrufe verbreitet wurden und sich daraufhin 50 Menschen zu einem wütenden Auflauf vor einer Polizeiwache versammelt hätten, sei "nicht nachvollziehbar", sagte Schünemann. Dagegen müsse vorgegangen werden. Es zeige vor allem, dass es vielen an "Medienkompetenz" fehle. Das zu ändern sei jedoch eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe".
Nach den Lynchaufrufen hatte die Polizei bereits in der vergangenen Woche angekündigt, mit "aller strafrechtlichen Härte" gegen die Urheber vorzugehen. Sie identifizierten inzwischen den 18-Jährigen, der mit seinen Äußerungen den Auflauf vor der Polizeiwache ausgelöst haben soll. Die Staatsanwaltschaft rief Medien und Öffentlichkeit zu Besonnenheit auf. Die Lynchaufrufe sorgten auch bundesweit für großes Entsetzen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von "Wild-West-Methoden", die in einem Rechtsstaat nicht toleriert werden dürften.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP