Lebenszeichen per Video NASA soll Kumpeln helfen
27.08.2010, 13:14 Uhr
Ein Verschütteter signalisiert per Video, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht.
(Foto: dpa)
Die 33 verschütteten Bergleute in Chile versuchen ihr Leben unter Tage zu organisieren. Noch drei bis vier Monate müssen sie in 700 Metern Tiefe auf ihre Rettung warten. Ihren Angehörigen schicken sie nun per Video Botschaften. Chiles Regierung ruft derweil die NASA um Hilfe.
Das chilenische Fernsehen hat erstmals Videoaufnahmen der verschütteten Bergarbeiter gezeigt, die sich in 700 Metern Tiefe so gut es geht eingerichtet haben. "Wir haben hier alles gut organisiert", sagt einer der 33 Arbeiter mit nacktem Oberkörper und Bart in die Kamera und zeigt auf eine Art Badezimmerecke, in der Medikamente, Zahnpasta, Deo und auch Alkohol aufbewahrt werden.
Aus einem Kanister verteilen sie Wasser für Gesicht und Hände, ein kleines Wasserglas dient zum Zähneputzen. Das Video ist 45 Minuten lang, das Fernsehen zeigte Ausschnitte. Aufgenommen wurde es mit einer Mikrokamera, die über den Schacht, über den die Bergarbeiter auch mit Nahrung versorgt werden, hinuntergelassen wurde.
"Hier beten wir"
"Hier in dieser Ecke versammeln wir uns, wir treffen uns jeden Tag und stellen einen Plan auf", erklärt der Minenarbeiter und geht dann ein paar Meter weiter. "Und hier beten wir." Insgesamt sind auf dem Video rund 20 der seit Anfang August verschütteten 33 Bergleute zu sehen. Viele der Männer sendeten Botschaften an ihre Familien. "Hallo liebe Familie, bitte holt uns schnell hier raus", sagte einer von ihnen. Zum Schluss stimmten sie die Nationalhymne an.
Jeder der Bergleute verlor nach Angaben von Gesundheitsminister Jaime Mañalich in den Tagen seit dem Einsturz der Gold- und Kupfermine zwischen acht und zehn Kilo Gewicht. Die Rettung der Eingeschlossenen kann sich noch drei bis vier Monate hinziehen.
Die Minenarbeiter sind seit dem 5. August eingeschlossen. Am Sonntag wurde der erste Kontakt zu ihnen hergestellt, tags darauf wurden sie über ein acht Zentimeter dünnes Rohr mit Nahrungsmitteln zunächst zum Trinken versorgt. In den kommenden Tagen sollen sie auch immer mehr feste und kalorienreichere Nahrung bekommen, wie Mañalich sagte.
Hilfe von der NASA
Zudem ist nach Angaben des Ministers geplant, den in der Gold- und Kupfermine eingeschlossenen Männern durch den wenige Zentimeter breiten Verbindungsschacht, einen kleinen Projektor zu schicken, damit die Eingeschlossenen Filme gucken können. Die Rettung kann sich noch drei bis vier Monate hinziehen. Mit der Bohrung eines breiteren Rettungsschachts soll in den nächsten Tagen begonnen werden.
Experten der US-Raumfahrtbehörde NASA sollen Mañalich zufolge spätestens zu Wochenbeginn an der Mine in San José am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, eintreffen, um die chilenischen Helfer zu unterstützen. Die chilenische Regierung bat die NASA um ihren Rat, da die Situation der Bergleute vergleichbar sei mit Astronauten, die monatelang in Weltraumstationen ausharrten.
In Sorge um die Psyche
Psychologen sorgen sich vor allem um die nervliche Belastung der Eingeschlossenen und deren Familien. Nach der Euphorie darüber, dass die Männer nach zweieinhalb Wochen lebend gefunden wurden, könnten schon bald posttraumatische Stresserscheinungen auftreten. Die Rettung der Männer kann mehrere Monate dauern.
Traumaexperte Georg Pieper traut den seit drei Wochen in einer eingestürzten Mine in Chile eingeschlossenen Bergleuten zu, dass sie bis zu ihrer vermutlichen Rettung in vier Monaten durchhalten werden. "Ich erlebe immer wieder, dass Menschen, die gemeinsam Extremsituationen erleben, ganz starke zusätzliche Kräfte der Gemeinsamkeit entwickeln", sagte Pieper. Gerade bei Bergleuten habe er diese starke Solidarität beobachtet. "Insofern halte ich die vier Monate für machbar."
Rituale sind wichtig
Pieper arbeitet seit 29 Jahren als Psychotherapeut. 1988 wurde er als erster deutscher Psychologe hinzugezogen, als sechs Bergleute drei Tage lang in einem Stollen im hessischen Borken verschüttet waren. Er hält es für richtig, dass die 33 chilenischen Kumpel nicht mehr über ihr weiteres Schicksal im Ungewissen gelassen wurden. "Man muss mit offenen Karten spielen", sagte er. Der Mensch sei unglaublich anpassungsfähig. Dass die Gruppe so groß ist, hält Pieper für eine weitere Chance. Einige der Kumpel würden "ihre eigene Stärke daraus beziehen, anderen zu helfen". Sie seien für die Moral der Gruppe unersetzlich.
Auch ein geregelter Tagesablauf helfe beim Durchhalten: "Es müssen Rituale eingeführt werden, zum Beispiel feste Essenszeiten, Gebete oder Meditationen, oder Sport." Darüber hinaus sei der Kontakt mit der Außenwelt wichtig: "Sie könnten ein Fußballspiel zumindest hören, sie sollten Nachrichten aus der Welt erhalten und Feiertage feiern," sagte Pieper. Es müsse "so viel Normalität herrschen wie möglich".
Quelle: ntv.de, AFP