Gegen Tiefsee-Bohrstopp Ölfirmen machen mobil
21.06.2010, 22:49 UhrMehrere Unternehmen aus dem Ölgeschäft klagen vor einem US-Gericht gegen das Verbot von Tiefseebohrungen. Sie fürchten massive Einnahme-Ausfälle. Unterdessen wird BP vorgeworfen, die gesunkene Bohrinsel im Golf von Mexiko nachlässig betrieben zu haben. Und der Konzern präsentiert die stetig steigenden Kosten.
Neue Berichte über Sicherheitsprobleme, Schlagzeilen um ein internes Papier zum Ölaustritt ins Meer - der Ärger für BP reißt nicht ab. Für die Washingtoner Regierung gibt es derweil Gegenwind an einer anderen Front: Vertreter mehrerer Ölservice-Unternehmen wollen vor Gericht erreichen, dass der von Präsident Barack Obama verfügte sechsmonatige Tiefsee-Bohrstopp aufgehoben wird.
Ein Bundesrichter in New Orleans im US-Staat Louisiana hörte die Argumente beider Seiten. Er will bis Mittwoch über eine einstweilige Verfügung gegen das Moratorium entscheiden, berichtete die "Times-Picayune" nach dem Hearing.
Die Firmen, die Schiffe und andere Ausrüstung für die Bohrinseln liefern, fürchten massive Einbußen durch den im vergangenen Monat angeordneten Stopp. Sie argumentieren, die Regierung habe keine Beweise dafür, dass die zum Teil schon lange vor dem Moratorium begonnenen Bohrungen eine Bedrohung für den Golf von Mexiko darstellten. Die Regierung beharrt darauf, dass Zeit benötigt werde, um Sicherheitsmaßnahmen und die Wirksamkeit von Regulierungen zu überprüfen.
Internes Dokument veröffentlicht
Der demokratische US-Abgeordnete Edward Markey, einer der lautstärksten BP-Kritiker in Washington, veröffentlichte am Sonntag ein internes Dokument des Konzerns. Darin wurde es für möglich gehalten, dass im schlimmsten Fall täglich bis zu 100.000 Barrel Öl - das sind 13.600 Tonnen - aus dem Bohrloch in den Golf von Mexiko austreten könnten. Das ist die bisher größte Menge, die in möglichen Schadensszenarien genannt wurde, seit die Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 24. April nach einer Explosion gesunken ist. Markey wertete die Zahl als neuen Beweis dafür, dass BP die Öffentlichkeit wiederholt über das wahre Ausmaß der Katastrophe getäuscht habe.
Der Sender CNN zitierte unterdessen BP-Sprecher Robert Wine mit den Worten, die Schätzung vom Mai sei "irrelevant". Sie basiere darauf, dass der defekte "Blowout Preventer", ein Ventilsystem über dem Bohrloch, abmontiert werde. Das sei aber nicht geplant. In der vergangenen Woche hatte die US-Regierung eine neue Schätzung veröffentlicht, nach der täglich bis zu 8200 Tonnen Öl austreten.
Frühere Probleme ignoriert
Nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters hat es auf der gesunkenen Ölplattform schon Wochen vor der Explosion Probleme mit der Sicherheit gegeben. Er habe einen Fehler an einer Dichtungsvorrichtung festgestellt und die zuständigen Vorgesetzten informiert, erläuterte Tyrone Benton der BBC. Statt das wichtige Teil zu reparieren, habe man es aber einfach abgeschaltet und sich auf eine zweite Sicherheitsdichtung verlassen, berichtete der britische Sender. BP verwies darauf, der Plattform-Besitzer Transocean sei für die Instandhaltung der betroffenen Vorrichtung zuständig gewesen. Transocean wiederum gab an, man habe das Teil noch kurz vor der Explosion überprüft und für fehlerfrei befunden.
Das Partnerunternehmen Anadarko ging auf Distanz zu dem Londoner Energie-Multi und warf BP unverantwortliches Verhalten im Vorfeld der Explosion auf der Bohrinsel vor. Anadarko-Chef James Hackett erklärte, es gebe immer mehr Beweise dafür, dass die Katastrophe vermeidbar und eine direkte Folge des verantwortungslosen Verhaltens von BP gewesen sei. Offenbar habe es sich um grobe Fahrlässigkeit und vorsätzliches Fehlverhalten gehandelt, sagte Hackett. Die Briten müssten daher für die Kosten allein aufkommen. Anadarko ist zu 25 Prozent an der Ölquelle beteiligt, das japanische Konzern Mitsui zu zehn Prozent. BP hält 65 Prozent. BP vertritt die Ansicht, dass sich die Partner an den Kosten der Ölpest beteiligen müssen.
Hayward will zu Medwedew
Die Rechnung derweil stetig. BP gab bekannt, die Kosten für den Kampf gegen die Ölpest beliefen sich mittlerweile auf rund zwei Milliarden US-Dollar (1,6 Milliarden Euro). Auch der Druck an der Börse steigt weiter nach der zwischenzeitlichen Erholung vergangene Woche.
Der wegen eines Segeltörns mitten in der Krise heftig kritisierte BP-Chef Tony Hayward will unterdessen das Vertrauen in die Zukunft des britischen Ölkonzerns wiederherstellen. Deshalb wolle er den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew besuchen, berichtete die "Financial Times". Russland gehört zu den lukrativsten Einsatzgebieten von BP. Hayward wolle den Geschäftspartnern dort zeigen, dass das Unternehmen wegen der Ölkrise im Gold von Mexiko keinesfalls kollabieren werde, hieß es. Der Besuch sei allerdings noch nicht endgültig bestätigt.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP