Nordkorea komplett offline Pjöngjang fliegt aus dem Netz
23.12.2014, 03:38 Uhr
Nordkorea bei Nacht: Der Machtbereich des Regimes ist von der Internationalen Raumstation aus klar zu erkennen (rechts unten Südkorea, links die chinesische Halbinsel Liaodong mit dem Großraum Shenyang).
(Foto: REUTERS)
Eskaliert der Streit um einen Sony-Film zum ersten offenen Cyber-Krieg der Geschichte? Analysten zufolge verliert Nordkorea zeitweise den Anschluss an das Internet. Möglich wäre ein technischer Fehler - oder ein gezielter Gegenschlag.
Inmitten der Auseinandersetzung wegen des Hackerangriffes auf das Hollywood-Studio Sony Pictures ist Nordkorea Experten zufolge vorübergehend vollständig vom Internet abgeschnitten worden. Als Ursache kämen ein technisches Versagen, aber auch ein Cyberangriff infrage, erklärte die US-Technologiefirma Dyn Research. Das Unternehmen beobachtet weltweit die Funktionalität des Internets.
Nach 24 Stunden zunehmender Instabilität sei die Anbindung des politisch, kulturell und wirtschaftlich isolierten Landes an das weltweite Internet für mehr als zwei Stunden unterbrochen gewesen, schrieben die Experten von Dyn Research. Demnach sank die Zahl der Verbindungen aus Nordkorea zum Netz immer weiter, bis das kommunistische Land schließlich komplett offline war.
Er wäre nicht überrascht, wenn gegen das Land momentan eine Art Cyber-Attacke laufen würde, ließ sich Doug Madory, leitender Dyn-Research-Mitarbeiter, in einem Nordkorea-Blog zitieren. Einem Bericht des US-Senders NBC zufolge bestritt ein US-Regierungsvertreter entschieden, dass die Vereinigten Staaten etwas mit dem Ausfall zu tun hätten. Laut NBC sind von der Internetunterbrechung lediglich die Eliten des kommunistischen Staates betroffen. Der Großteil der Bevölkerung verfügt ohnehin über keinen Internetzugang.
Die USA beschuldigen die Führung in Pjöngjang, hinter einem Hacker-Angriff auf das Filmstudio Sony Pictures zu stecken, das eine Nordkorea-Satire in die Kinos bringen wollte. Nordkorea weist dies zurück. Der Streit beider Länder hatte sich zuletzt verschärft.
US-Präsident Barack Obama hatte vor dem Wochenende eine Reaktion auf den Hackerangriff auf Sony angekündigt. Aus US-Regierungskreisen verlautete dann jedoch, die USA beteiligten sich nicht an Cyberangriffen gegen Nordkorea. Den Grund für die Störungen kenne man nicht.
Eine Komödie reizt Nordkorea
Bei dem Angriff auf Sony Pictures hatten Hacker im November viele vertrauliche Firmendaten erbeutet und veröffentlicht. Die Aktion war nach Darstellung der Angreifer eine Reaktion auf die geplante Veröffentlichung der Filmkomödie "The Interview". Darin geht es um fiktive Pläne zur Ermordung des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un.
Nordkorea hat den Film als Kriegshandlung kritisiert, eine Beteiligung an dem Hackerangriff aber zurückgewiesen. Im Zentrum der Affäre steht eine Gruppe mit dem Namen Guardians of Peace (GOP), die Ende November den Cyberangriff auf Sony gestartet hatte. Vor einigen Tagen sprach die Gruppe wegen der Parodie "The Interview" ominöse Drohungen aus und erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Daraufhin entschieden mehrere Kinoketten, den Film aus dem Programm zu nehmen.
Selbstzensur aus Sicherheitsgründen?
Sony Pictures sagte daraufhin die Veröffentlichung des Filmes ab - was in den USA wiederum als voreilige Selbstzensur kritisiert wurde. Dem Konzern entstand dadurch nach Expertenschätzung ein Schaden von einer halben Milliarde Dollar. Nach Erkenntnissen des FBI steht die Regierung in Pjöngjang hinter dem Angriff.
In der Praxis haben selbst privilegierte Nutzer in Nordkorea nur begrenzten Zugang zum World Wide Web. Nach Angaben von Dyn-Research-Sprecher Earl Zmijewski läuft die gesamte Telekommunikation des Landes über China Netcom, einer Tochter von China Unicom. "Als Nordkoreas einziger Internetprovider wäre es für China Unicom ein Leichtes, den Zugang zu blockieren", sagte Zmijewski. Washington hatte China um Mithilfe gebeten, um die nordkoreanischen Hacker-Aktivitäten zu stoppen. Beide Länder stehen aber selbst im Streit um Hacker-Angriffe auf US-Unternehmen.
Nach den Worten Zmijewskis gibt es keine eindeutige Ursache für den Ausfall: "Sie können beschlossen haben, die Verbindung einfach zu kappen, sie können aber ebenso einer Panne oder einem Angriff zum Opfer gefallen sein", sagte er.
UN-Bericht spricht von Konzentrationslagern
Der Konflikt zwischen dem Westen und Nordkorea wird mittlerweile auch im UN-Sicherheitsrat ausgetragen. Gegen den Widerstand von Russland und China wurde in dem Gremium über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen des Staates gesprochen. Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power sagte, das Leben in dem isolierten Land sei ein Albtraum, der Realität geworden sei. Zehntausende Menschen seien in Arbeitslagern eingesperrt.
Hintergrund ist ein UN-Bericht, wonach in Nordkorea systematisch gefoltert wird, politische Morde üblich sind und Gefangenenlager ähnlich den Konzentrationslagern der Nazis unterhalten werden. Mehrere UN-Mitglieder hatten den Sicherheitsrat aufgefordert, den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Dagegen würde China vermutlich ein Veto einlegen. Nordkorea hat erklärt, Grundlage der Kritik seien Lügen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts