Bergungsarbeit in Bangladesch Retter finden weitere Überlebende
28.04.2013, 11:00 Uhr
Auf einem Spielplatz in Savar hängen Bilder von noch vermissten Arbeitern. Es gibt keine offizielle Zahl dieser Vermissten.
(Foto: dpa)
Rund vier Tage nach dem Einsturz eines Gebäudes in Bangladesch steigt zwar die Zahl der Toten, es werden aber auch weiterhin Überlebende geborgen. Mehr als 100 Stunden nach dem Unglück haben Rettungskräfte noch eine weitere Überlebende in den Trümmern geortet.
Der Besitzer des eingestürzten Gebäudes in Bangladesch, Sohel Rana ist verhaftet worden. Nachdem er tagelang untergetaucht war, konnten ihn die Behörden fassen. Rana hatte versucht das Land Richtung Indien zu verlassen, sagte der Landesminister für regionale Entwicklung, Jahangir Kabir Nanak. Er soll nun per Helikopter in die Hauptstadt Dhaka geflogen werden. Rana soll beim Bau des Gebäudes minderwertiges Material verwendet haben. "Hängt Rana, hängt den Mörder", rief die wütende Menge, sobald sie von der Festnahme erfahren hatte.
Vier Personen wurden zuvor bereits verhaftet. Dabei handelt es sich um den Besitzer sowie den Geschäftsführer der größten Fabrik in dem Gebäude. Sie sollen nach Polizeiangaben die Angestellten trotz Rissen in den Wänden zur Arbeit in dem maroden Gebäude gezwungen haben. Die Fertigungsräume der Fabrik lagen in den oberen Stockwerken, die illegal angebaut wurden. Zu den Kunden des Textilherstellers gehören mehrere Handelsketten in Europa und Nordamerika.
Nach über 100 Stunden finden Retter eine Frau
Zudem wurden zwei Ingenieure festgenommen, die an dem Bau des Hauses beteiligt waren. Ihnen wird vorgeworfen, das Gebäude mit mehreren Fabriken und einem Einkaufszentrum trotz Warnungen wegen Einsturzgefahr nicht abgesperrt zu haben. Ein weiterer Fabrikbesitzer stellte sich nach den Festnahmen selber.
"Die Chancen noch jemanden lebend zu finden, nehmen ab, deshalb müssen wir unseren Rettungseinsatz verstärken, um jedes wertvolle Leben zu retten, das wir können", sagte der Leiter der Rettungsaktion, Chowdhury Hassan Sohrawardi. Retter haben über 100 Stunden nach dem Einsturz eines achtstöckigen Gebäudes in Bangladesch eine weitere Überlebende gefunden.
"Wir können ihre Laute hören", sagte ein Feuerwehrmann. Die Frau habe sich als Sakhina Begum identifiziert. Drei weitere Verschüttete seien nicht mehr bei vollem Bewusstsein. Rettungskräfte versuchten mit Schneide- und Bohrwerkzeugen, zu der Frau vorzudringen. Gegen den Leichengeruch an der Unglücksstelle setzten sie Lufterfrischer ein - bei bis zu 35 Grad verwesen die Toten schnell. Zwei Ärzte hielten sich in der Nähe für den Fall bereit, dass der Frau Gliedmaßen amputiert werden müssen.
Retter setzen auf schweres Gerät
Derartige Eingriffe hat es am Unglücksort seit dem Einsturz des achtstöckigen Gebäudes am Mittwochmorgen immer wieder gegeben. Manchmal sei eine Amputation die einzige Möglichkeit, Überlebende aus den Trümmern zu befreien, sagte der Chirurg Arif Hossain. "Und statt einer orthopädischen Säge muss manchmal eine normale Säge benutzt werden", berichtete er.
Vier Menschen seien aus dem früheren vierten Stock des "Rana Plaza" geholt worden, berichtete der "Daily Star". Einige weitere Überlebende wurden demnach geortet. Die Bergungskräfte setzten bei der weiteren Suche erstmals riesige Hysraulikkräne ein, um das Gewirr aus Betonplatten zu beseitigen. "Es gibt an diesem Punkt keine andere Alternative mehr, als schweres Gerät zu verwenden", sagte Suhrawardy. Zugleich stieg die Zahl der Opfer weiter an. 377 Leichen zogen Helfer bislang aus dem Trümmerberg in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka.
Das eingestürzte Gebäude hatte mehrere Textilfabriken und Läden beherbergt. Fast 2500 Menschen wurden seit dem Unglück lebend geborgen. Ministerpräsidentin Sheikh Hasina versprach bei einem Besuch im Krankenhaus, die Regierung werde die Kosten für die Behandlung der Verletzten übernehmen.
Die Textilarbeiterin Marium Begum ist eine der fast 2500 Überlebenden im wohl schlimmsten Industrieunfall in der Geschichte von Bangladesch. Weil ihre Hand unter einem Betonbrocken eingequetscht war, hätten die Rettungskräfte sie abgetrennt, erzählt die Witwe im Krankenhaus. "Ich habe gearbeitet, um meine Kinder großzuziehen. Wer sorgt jetzt für sie", fragt sie sich.
Textilarbeiter demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen
Tausende Textilarbeiter in dem Land demonstrierten unterdessen für die Schließung der Textilfabriken und die Bestrafung der Besitzer für Arbeitsunfälle. Rund 4000 Textilfabriken stellten deshalb ihre Produktion ein. Die Demonstranten blockierten Straßen, zerstörten Autos und beschädigten einige Unternehmen im Industrieviertel der Hauptstadt. Die Polizei setzte in und um Dhaka Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Ansammlungen aufzulösen. Mindestens 20 Arbeiter wurden dabei verletzt.
Bangladeschs Verband der Textilproduzenten und -exporteure forderte von den Verantwortlichen der Textilfirmen, die in dem eingestürzten Gebäude produzierten, sich den Behörden zu stellen. Die Opposition rief zu einem nationalen Streik am 2. Mai auf.
In der Textilindustrie in Bangladesch sind rund 3,6 Millionen Menschen beschäftigt, die meisten von ihnen Frauen. Teilweise verdienen sie nicht mehr als 38 Euro im Monat. Das arme südasiatische Land ist weltweit einer der größten Exporteure von Kleidung. Abnehmer sind Europa und die USA. In Deutschland stehen Kleidungsimporte aus Bangladesch an dritter Stelle hinter China und der Türkei. Kritik an den Sicherheitsstandards in dem südasiatischen Land wird immer wieder laut. Im November kamen 112 Arbeiter bei einem Feuer in einer Fabrik bei Dhaka ums Leben. 64 starben als im Jahr 2005 eine Fabrik in Savar einstürzte. Mindestens 22 Menschen wurden getötet, als 2006 ein Haus in Dhaka zusammenbrach.
Quelle: ntv.de, dpa/Reuters