Steuerberater im Berliner Westend Sohn für Mord an Vater verurteilt
03.10.2014, 12:11 Uhr
Polizisten am Tatort im Berliner Westend.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es war ein Mord über den die halbe Republik sprach. Ein 17-jähriger Junge soll seinen Vater, einen Steuerberater in dessen Büro im Berliner Westend erschossen haben. Nun ist ein Urteil gesprochen und das Strafmaß festgelegt worden.
Er hat den ganzen Prozess geschwiegen - dennoch war das Gericht am Ende von seiner Schuld überzeugt: Der 17-jährige Sohn eines Berliner Steuerberaters ist am Donnerstag wegen Mordes an seinem 49-jährigen Vater von der Jugendkammer des Landgerichts Berlin zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Fülle der Indizien führte zu dem Schuldspruch gegen den Jungen, der "heimtückisch" gehandelt habe, sagte ein Gerichtssprecher nach Prozessende.
Die Tat hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der Steuerberater Ingo W. war im August vergangenen Jahres am hellichten Tag in seiner Kanzlei im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Westend erschossen worden. Das Gericht folgte in seinem Urteil weitgehend der Staatsanwaltschaft, die achteinhalb Jahre Haft für den Angeklagten gefordert hatte. Dieser schwieg an den 26 Prozesstagen eisern. Das Verfahren war wegen seines jugendlichen Alters unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden.
Dennoch war das Gericht zuletzt überzeugt, dass der damals 16-jährige Schüler sich am frühen Nachmittag des Tattags mithilfe eines Schlüssels Einlass in die Steuerkanzlei verschaffte. Dort ging er an den Mitarbeitern vorbei in das Büro des Vaters und gab zehn Schüsse aus einer Pistole auf ihn ab.
Vier Kugeln in die Brust
"Dies passierte für Ingo W. völlig unerwartet", sagte der Gerichtssprecher zum Mordmerkmal der Heimtücke. Vier Kugeln trafen Ingo W. im Bereich des Oberkörpers und eine am Kopf. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er wenig später seinen Verletzungen erlag.
Schon kurz nach der Tat gerieten der Angeklagte und sein zwei Jahre älterer Bruder in Verdacht. Im Oktober vergangenen Jahres wurde dann der jüngere der Söhne festgenommen. Immer mehr Indizien tauchten auf, die auf seine Schuld hinwiesen.
Nach Angaben des Anwalts der Großeltern, die als Nebenkläger im Prozess auftraten, Roland Weber, fanden Ermittler Schmauchspuren am Angeklagten. An den verwendeten Patronen wurde seine DNA entdeckt. Außerdem gab es Hinweise der Kanzleimitarbeiter, die in seine Richtung wiesen. Eine weitere Zeugin habe den Jungen erkannt, als er wenige Minuten vor der Tat das Haus betrat, in dem sich die Kanzlei befand.
Tatmotiv im "innerfamilären Bereich"
Es habe kein "allein entscheidendes Indiz" gegeben, das das Gericht überzeugt habe, sagte der Sprecher. Die Zeugenaussagen in Verbindung mit DNA- und Schmauchspuren hätten das Gericht "in der Gesamtschau" überzeugt. "Das Gericht hatte keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten", sagte er. Die Mutter und der Bruder des Jungen ließen sich vor Gericht nicht ein. Gegen die beiden ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter wegen einer möglichen Tatbeteiligung.
Zum Tatmotiv sagte der Gerichtssprecher, es habe "im innerfamiliären Bereich" gelegen. Laut Medienberichten wollte Ingo W. sich von seiner Frau scheiden lassen. Nebenkläger-Vertreter Weber sagte indes, es habe keine "ernsthaften Streitigkeiten" zwischen dem Vater und seinen Söhnen gegeben. Der Streit habe zwischen den Eheleuten stattgefunden.
Am Tag der Urteilsverkündung regte sich bei dem 17-Jährigen keine Miene, berichtete Weber. Der Junge habe "überhaupt nicht reagiert". Sein Verteidiger Dirk Lammer kündigte an, "sehr wahrscheinlich" Revision einzulegen. Er hatte auf Freispruch plädiert.
Quelle: ntv.de, Mechthild Henneke, AFP