Panorama

"Großmeister" des Nachkriegstheaters Trauer um Peter Zadek

Die Theaterwelt hat mit Peter Zadek einen der wichtigsten Regisseure des 20. Jahrhunderts verloren. Der "Grand Old Man" des deutschsprachigen Theaters starb nach schwerer Krankheit in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 83 Jahren in Hamburg, wo er zuletzt mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth Plessen lebte.

Peter Zadek verbeugt sich mit seinen Hauptdarstellerinnen Eva Mattes (l.) und Ilse Ritter nach der Aufführung von "Die verlorene Zeit" von John Hopkins am 28.01.1985 an der Freien Volksbühne in Berlin.

Peter Zadek verbeugt sich mit seinen Hauptdarstellerinnen Eva Mattes (l.) und Ilse Ritter nach der Aufführung von "Die verlorene Zeit" von John Hopkins am 28.01.1985 an der Freien Volksbühne in Berlin.

(Foto: dpa)

Mit Zadek, Vorbild für Generationen, hat einer der einflussreichsten "Großmeister" des Nachkriegstheaters die Bühne endgültig verlassen. Künstlerkollegen und Politiker reagierten mit Trauer auf den Tod des "großen Zauberers" und "Anarchisten", der das europäische Theater revolutioniert habe.

"Frischer Wind auf den Bühnen"

Bundespräsident Horst Köhler hob hervor, dass Zadek mit seinen Inszenierungen die deutschsprachige Theaterlandschaft prägte. Er habe sein Publikum immer neu zu begeistern gewusst, "auch weil er es gelegentlich provozierte". Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte Zadek als einen Theatermann, dem es immer wieder gelungen sei, "sein Publikum tief zu berühren".

Bundesaußenminister und SPD- Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte, Zadeks Tod hinterlasse nicht nur bei Theaterbegeisterten eine große und schmerzhafte Lücke. Mit seinen mutigen und frechen Inszenierungen habe er frischen Wind auf die Bühnen gebracht.

Vernünftig und verrückt zugleich

Eva Mattes: "Der wichtigste Mann in meinem Theaterleben."

Eva Mattes: "Der wichtigste Mann in meinem Theaterleben."

(Foto: ZB)

Der am 19. Mai 1926 in Berlin geborene und 1933 mit seinen Eltern nach England emigrierte Zadek - 1958 kehrte er wieder nach Deutschland zurück - habe das Theater revolutioniert, hieß es in vielen Reaktionen. Zu Zadeks Protagonisten gehörten über Jahre vor allem Schauspieler wie Gert Voss, Ulrich Wildgruber, Eva Mattes und Uwe Bohm. Mattes würdigte Zadek als "wichtigsten Mann in meinem Theaterleben" und sagte: "Peter Zadek war so präzise, klug, scharf, witzig, warm, zärtlich, wie er brutal, verachtend, arrogant, grob sein konnte, er war vernünftig und verrückt zugleich, und er war immer ein Verliebter in Menschen, in ihre Extreme, in ihre Gefühle und ihr Verhalten."

Mit Ulrich Tukur inszenierte Zadek 1984 in Berlin und Hamburg einen seiner größten Theatererfolge, Joshua Sobols "Ghetto". Wildgruber war der unvergessene Othello in Zadeks Shakespeare- Inszenierung 1976 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, die der Regisseur nach eigener Aussage für "einen absoluten Wendepunkt für das deutsche Theater" hält, das sage er ohne Eitelkeit. Allein in mehr als 40 Jahrgängen des Theatertreffens deutschsprachiger Bühnen wurden Zadeks Arbeiten über 20 Mal als "bemerkenswert" nach Berlin eingeladen.

Noch einmal meldete sich Zadek Anfang Februar 2009 in Zürich mit seiner Inszenierung "Major Barbara" von George Bernard Shaw zurück, die aus Krankheitsgründen zunächst verschoben werden musste. Für Wien wollte er noch eine Oper vorbereiten, und mit Dieter Dorn hatte er ein Projekt in München angedacht.

Musste zwanzigste Shakespeare-Inszenierung absagen

Peter Zadek im Gespräch mit Rockmusiker Udo Lindenberg (r.) in Hamburg am 13.12.1978.

Peter Zadek im Gespräch mit Rockmusiker Udo Lindenberg (r.) in Hamburg am 13.12.1978.

(Foto: dpa)

Zadeks Leitstern auf der Bühne hieß Shakespeare. Er plante mit "Was ihr wollt" seine 20. Shakespeare-Inszenierung. Daraus wurde nichts, ein Lebenstraum zerplatzte noch im hohen Alter, als er diese Inszenierung als Einstand einer neuen freien Theaterproduktion, die er zusammen mit Tom Stromberg gegründet hatte, krankheitsbedingt im Mai 2007 absagen musste.

Es war eine Katastrophe für den alten Theaterhasen und sein hochkarätiges Ensemble um Eva Mattes, Susanne Lothar und Angela Winkler wie auch für die beteiligten Wiener Festwochen und Berliner Festspiele. Weil Zadek den ihm zuerkannten Europäischen Theaterpreis im April 2007 in Griechenland aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich entgegennehmen konnte, wurde ihm die Auszeichnung wieder aberkannt.

Unerschrockener und liebevoller Provokateur

Peter Zadek bedankt sich am 10.11.2001 im Wiener Volkstheater für den Nestroy-Preis.

Peter Zadek bedankt sich am 10.11.2001 im Wiener Volkstheater für den Nestroy-Preis.

(Foto: dpa)

Die Liebe zu den Schauspielern sowie mit Intelligenz und Vergnügen Theater machen - das war vielleicht auf einen Nenner gebracht das berufliche Credo von Peter Zadek. Ein besonders guter Intendant allerdings war der Regisseur und "grelle Entertainer" nach eigenem Bekunden nie, weder in Bochum, Hamburg noch Berlin, auch wenn er auf diesen Posten teilweise Furore machte.

Dafür war Zadek als Regisseur der unerschrockene und liebevolle Provokateur des bürgerlichen Bildungstheaters, das er auffrischte wie nur wenige andere - mit Shakespeare, Tschechow und Ibsen als seinem "Dreigestirn unter den Theatergöttern".

Am meisten beschäftigt hat den Theatermann, der dem Boulevardesken und dem Revuehaften ebenso zugetan war wie der Darstellung des blanken Grauens und der Tragödie, die Figur des Shylock in Shakespeares "Kaufmann von Venedig": "Weil ich mich mit der Figur komplett identifiziert habe - als Jude, als Außenseiter und natürlich besonders in Deutschland", bekannte Zadek einmal, der auch eine mehrbändige Autobiografie verfasst hat - der dritte Band soll nun postum im Frühjahr 2010 erscheinen. Im zweiten Teil seiner Erinnerungen berichtete Zadek über "Die heißen Jahre 1970-1980" (Kiepenheuer & Witsch) vor allem über seine Bochumer Intendantenzeit.

Quelle: ntv.de, Wilfried Mommert, dpa

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