Moderatoren werden beschimpft Trauer um tote Krankenschwester
08.12.2012, 11:07 Uhr
Blumen und ein Kondolenzbrief am Londoner König Edward Hospital.
(Foto: dpa)
Ein als Scherz gemeinter Anruf nimmt ein furchtbares Ende: Eine Krankenschwester der Londoner Klinik, in der die schwangere Herzogin Kate behandelt wurde, ist tot. Sie war auf einen Trick zweier Radiomoderatoren hereingefallen. Es ist nicht das erste Mal, dass deren Sender schweren Schaden anrichtet.
Die Bestürzung über den Tod der britischen Krankenschwester Jacintha Saldanha, die auf den Trickanruf einer Radiostation hereingefallen war, sitzt tief. Die verheiratete Mutter zweier Kinder war am Freitag tot aufgefunden worden, vermutlich hat die 46-Jährige Suizid verübt. Das King Edward VII Hospital hatte den Tod seiner Mitarbeiterin bestätigt, die den Anruf in die Abteilung der schwangeren Herzogin Kate durchgestellt hatte. Die Polizei schloss Fremdverschulden aus, wollte aber nichts zur Todesursache sagen.
Zwei Moderatoren des australischen Radiosenders 2Day FM hatten sich als Elizabeth II. und Prinz Charles ausgegeben und sich nach dem Befinden der wegen Schwangerschaftsübelkeit im Krankenhaus behandelten Herzogin Kate erkundigt. Die Krankenschwester hatte den Anruf in den frühen Morgenstunden zur Station durchgestellt, in der Kate lag. Dann gab eine Kollegin den beiden Moderatoren Auskunft über Kates Zustand.
Die Aufzeichnung des Anrufs fand im Internet weltweite Verbreitung. Die Moderatoren und der Radiosender entschuldigten sich zwar lauwarm für "etwaige Unannehmlichkeiten", feierten die Aktion aber zugleich weiterhin als "größten königlichen Streich" aller Zeiten. Die Moderatoren prahlten auf Twitter mit dem Anruf, über den die Welt spreche. "Das ist definitiv ein Karrierehöhepunkt", zitierte eine australische Zeitung Mel Greig, die sich als Elisabeth ausgegeben hatte.
Sendung wird ausgesetzt
Nun sprach der australische Sender in einer Mitteilung von einer "Tragödie" und äußerte über seine Facebook-Seite sein "tiefstes Mitgefühl mit ihrer Familie und allen, die von dieser Situation weltweit betroffen sind". Die für den Streich verantwortlichen zwei Radio-DJs würden vorerst ihre Show ruhen lassen - "aus Respekt für das, was nur als Tragödie beschrieben werden kann." Die Moderatoren seien zutiefst erschüttert, versicherte der Chef des Unternehmens, dem die Station gehört, Rhys Holleran. Zugleich sagte er, Trickanrufe gehörten seit Jahrzehnten zum Radio. "Sie gibt es weltweit und niemand konnte vorhersehen, was nun passiert ist."
Die Radiostation geriet am Samstag schwer unter Druck. Australiens Regierungschefin Julia Gillard sprach von einer "schrecklichen Tragödie". "Unsere Gedanken sind mit ihrer Familie und ihren Freunden." Das Londoner Hospital schrieb einen Brief an den Sender. Es sei "absolut schockierend", dass zwei Mitarbeiterinnen der Klinik auf diese Weise verletzt und bloßgestellt worden seien. Der Vorfall könne nicht mehr rückgängig gemacht werden, der Sender müsse jedoch sicherstellen, dass so etwas nicht mehr passieren könnte. Vor dem Krankenhaus in London legten Menschen Blumen nieder.
Twitter-Konten gelöscht
Die Facebook-Seite des Senders wurde nach Bekanntwerden des Todes der Krankenschwester mit wütenden Reaktionen überschwemmt - zum Teil wurden die Moderatoren und die Station wüst beschimpft. Die Seite ist mittlerweile nicht mehr online. Auch die Twitter-Accounts der beiden Moderatoren existieren nicht mehr.
Jeff Kennett, der in Australien prominente Chef der Organisation "beyondblue", die über Depressionen informiert, nahm die Moderatoren in Schutz. "Sie haben sich nichts zu Schulden kommen lassen" sagte er: "Es war ein harmloser Scherz, sie hatten keine üblen Absichten." Die beiden brauchten jetzt Unterstützung und Hilfe statt Häme, meinte er.
Die Supermarktkette Coles zog derweil ihre Anzeigen bei dem Sender zurück und erklärte dazu, die "Australier sind verärgert und erschüttert über die tragischen Konsequenzen" dieses Streichs. Auch andere Unternehmen kündigten ihre Anzeigen bei 2Day FM. Kommunikationsminister Stephen Conroy forderte den Medienkontrollrat Australiens auf, die Angelegenheit zu untersuchen. Im vergangenen Jahr wurden die Lizenzauflagen für den Sender bereits verschärft, nachdem ein Moderator eine Journalisten während einer Sendung beleidigt und bedroht hatte.
14-Jährige am Lügendetektor
Der Anruf ist nicht die erste misslungene Aktion, mit der die Radiostation schweren Schaden anrichtet, wie die "New York Times" schrieb. So wurde sie im Jahre 2009 von der Medienaufsicht gerügt. Der Grund: Eine 14-Jährige war von ihrer Mutter in eine Live-Sendung gebracht worden, in der das Mädchen an einen Lügendetektor angeschlossen wurde. Während der Show wurde es gefragt, ob es schon einmal Sex gehabt habe – worauf das Mädchen preisgab, vergewaltigt worden zu sein.
Der Tod der Krankenschwester zeigt, was für schweren Schaden in der Medienwelt angerichtet werden kann, wenn um jeden Preis Aufmerksamkeit erzielt werden soll. Ein beschämendes Video reicht aus, um im Internet schnelle und weltweite Verbreitung zu erlangen – und nie mehr zu verschwinden.
"Einsam und verwirrt"
Prinz William und seine Frau Kate reagierten "tief traurig" auf die Nachricht, wie der St. James's Palace mitteilte. "Es wurde sich im King Edward VII Hospital zu jeder Zeit von jedem wundervoll um Ihre königlichen Hoheiten gekümmert - und ihre Gedanken und Gebete sind bei Jacintha Saldanhas Familie, den Freunden und den Kollegen in dieser sehr schwierigen Zeit." Ein Sprecher des Palastes ergänzte auf Nachfrage: "Zu keinem Zeitpunkt hat sich der Palast bei dem Krankenhaus über den Vorfall beschwert. Im Gegenteil: Wir haben den beteiligten Krankenschwestern und dem Krankenhaus-Personal zu jeder Zeit unsere vollste, von Herzen kommende Unterstützung angeboten."
Nach Informationen der BBC hatte Krankenschwester Saldanha wegen ihres Fehlers in der Klinik keine Schwierigkeiten bekommen. Sie sei nach der Panne "einsam und verwirrt" gewesen.
Das King Edward VII Hospital versicherte, die Krankenschwester seit dem Vorfall vom Dienstag unterstützt zu haben. Man habe der Frau "durch die schwere Zeit" geholfen, betonte die Klinikleitung. Auch unter ihren Kollegen habe sie keinen schweren Stand gehabt. Saldanha habe mehr als vier Jahre in dem Krankenhaus gearbeitet und sei eine "exzellente Krankenschwester" gewesen - "respektiert und beliebt" bei allen Kollegen. "Jeder hier ist schockiert."
Quelle: ntv.de, jga/dpa/AFP