Im Zweifel für den Angeklagten Ulvi K. ist bald ein freier Mann
14.05.2014, 10:08 Uhr
Viele glaubten von Anfang an, dass Ulvi K. unschuldig ist.
(Foto: dpa)
Der wegen Mordes an der neunjährigen Peggy verurteilte Ulvi K. wird im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Das Gericht kommt nach lediglich sechs Verhandlungstagen zu der Erkenntnis: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass er die Tat begangen hat. Nach der Entscheidung brandet im Gerichtssaal Beifall auf.
Am Ende überraschte das Urteil niemanden mehr: Das Landgericht Bayreuth hat die frühere Verurteilung des geistig behinderten Ulvi K. wegen des Mordes an der neunjährigen Peggy aufgehoben. "Ich habe die Peggy nicht umgebracht. Mein Wunsch ist, dass sie noch lebend gefunden wird", hatte K. betont, nachdem die Schlussplädoyers gehalten worden waren.
Damit befreit das Gericht Ulvi K. von dem Vorwurf, er habe Peggy im Mai 2001 umgebracht. Nicht nur sein Verteidiger Michael Euler, auch die Staatsanwaltschaft forderten am Dienstag vor dem Landgericht Bayreuth im Wiederaufnahmeverfahren seinen Freispruch. Mit dem nun verkündeten Urteilsspruch wird die rechtskräftige Verurteilung des Gastwirtssohns durch das Landgericht Hof vor zehn Jahren wieder aufgehoben - eine Seltenheit in deutschen Strafprozessen. Unterstützer von K. reagierten im Gerichtssaal mit Applaus und Bravo-Rufen auf das Urteil.
Ulvi Ks. Anwalt Michael Euler nannte den Urteilsspruch nach der Verkündung einen Freispruch erster Klasse. "Es gibt nichts; es gibt keinen einzigen Beweis, dass Ulvi K. Peggy getötet hat." Der Gerichtssprecher Thomas Goger betonte dagegen, die Kammer habe weder die Schuld noch die Unschuld des Angeklagten eindeutig feststellen können. Das hieße, dass das Gericht nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" entschieden hat.
Euler will nun dafür kämpfen, dass Ulvi K. aus der psychiatrischen Klinik entlassen wird, in der er wegen exhibitionistischer Handlungen untergebracht ist. Auch der Vater des Angeklagten sagte: "Wir sind überglücklich und hoffen, dass Ulvi bald aus dem Bezirkskrankenhaus freikommt."
Allgemeine Forderung: Freispruch
Zuletzt hatte auch Staatsanwältin Sandra Staade beantragt, die Verurteilung von Ulvi K. aufzuheben und ihn freizusprechen. Sie begründete die Forderung nach einem Freispruch jedoch damit, dass ein Gutachter im Wiederaufnahmeverfahren nicht mehr ausschließen konnte, dass ein Tatgeständnis des geistig behinderten K. falsch war. Bei Zweifeln an dem Geständnis müsse aber gelten, im Zweifel für den Angeklagten zu urteilen. Im ersten Prozess vor dem Landgericht Hof vor zehn Jahren hatte der Gutachter das Geständnis noch als glaubwürdig dargestellt, obwohl es K. später zurückgenommen hatte.
K.s Verteidiger Michael Euler betonte hingegen in seinem Plädoyer: "Alles, was er gestanden hat, ist widerlegt." So gebe es auch keine Beweise für einen sexuellen Missbrauch von Peggy durch Ulvi K.. Im ersten Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft eine Vergewaltigung des Mädchens durch den Angeklagten als Motiv für die Tat angenommen.
Peggy wird seit dem 7. Mai 2001 vermisst, eine Leiche der Schülerin wurde trotz vieler Suchaktionen nie gefunden. Als ihr Mörder wurde im April 2004 Ulvi K. in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Fall wurde neu aufgerollt, weil das damalige Geständnis der vermuteten Tatversion der Polizei auffällig ähnlich war. Außerdem hatte ein Belastungszeuge zugegeben, in dem ersten Prozess falsch ausgesagt zu haben.
Kein Sachbeweis gefunden
In dem neu aufgerollten Strafverfahren beendete das Landgericht Bayreuth bereits vorzeitig die Beweisaufnahme - aus Mangel an Beweisen. Just am 13. Jahrestag von Peggys Verschwinden sagte der Vorsitzende Richter Michael Eckstein: "Bis zum heutigen Tag ist kein einziger Sachbeweis für das damalige Geständnis von Ulvi K. gefunden worden."
Einen Anspruch auf Entschädigung für Ulvi K. sieht die Staatsanwaltschaft nicht. Dieser war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden, wo er bis heute untergebracht ist. Seine Haftstrafe musste er noch nicht antreten.
Quelle: ntv.de, sba/dpa/AFP