Panorama

Todesstrafe für Vergewaltiger Urteil spaltet indische Bevölkerung

Nach der Vergewaltigung im Dezember forderten Inderinnen in Mumbai: "Hängt den Vergewaltiger".

Nach der Vergewaltigung im Dezember forderten Inderinnen in Mumbai: "Hängt den Vergewaltiger".

(Foto: picture alliance / dpa)

Kein anderer Prozess hat Indien in den letzten Monaten so beschäftigt wie der um die Massenvergewaltigung an einer Studentin und ihren anschließenden Tod. Die vier Täter werden zur Todesstrafe verurteilt. Indiens Bevölkerung jedoch findet das nicht uneingeschränkt richtig.

Viele Inder brachen in Freudenschreie aus, als sie das Todesurteil gegen die vier Vergewaltiger und Mörder einer 23 Jahre alten Studentin hörten. Doch nicht alle sind darüber erfreut. Der Menschenrechtsanwalt Yug Mohit Chaudhary zum Beispiel findet es falsch, dass hier das Gesetz als eine Art Rache-Instrument verwendet wird. Vor allem aber seien die Auswirkungen durch die Todesstrafe nicht positiv, sondern negativ. "Hinrichtungen verstärken den Instinkt nach Rache, so dass unsere Gesellschaft blutdürstiger und gewalttätiger wird", meint Chaudhary, der den Kampf gegen die Todesstrafe in Indien anführt. "Unserer Sicherheit wird es in keinster Weise helfen."

Gegner der Todesstrafe betonen immer wieder, dass die staatliche Tötung keineswegs vor Straftaten abschreckt. Doch zahlreiche Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in Neu Delhi, in dem die vier Männer zum Tode verurteilt wurden, sahen das anders. "Hängt sie!", schrien sie immer wieder, denn nur so könne ein Zeichen für alle anderen Täter gesetzt werden. Einige legten sich symbolisch den Strick um den Hals, um eine möglichst schnelle Exekution zu fordern.

Mehr angezeigte Vergewaltigungen als zuvor

Indien verschärfte seine Gesetze für Sexualstraftäter kurz nachdem der erste Massenvergewaltigungsfall bekannt wurde.

Indien verschärfte seine Gesetze für Sexualstraftäter kurz nachdem der erste Massenvergewaltigungsfall bekannt wurde.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch die indische Politik setzt auf den Schrecken des Gesetzes. Wenige Monate nach der Gruppenvergewaltigung vom 16. Dezember wurden die Gesetze für Sexualstraftäter verschärft. Vergewaltigern droht nun die Todesstrafe, wenn das Opfer an den Folgen der Tat stirbt oder dauerhaft im Koma liegt. Der Strang ist auch für Täter vorgesehen, die bereits zum zweiten Mal wegen einer Vergewaltigung verurteilt werden.

Trotzdem ging die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen seitdem nicht zurück - sie stieg. Tara Rao von Amnesty International meint, dass nicht das Strafmaß entscheidend ist, sondern ob die Gesetze auch tatsächlich angewendet werden. "Die Regierung muss ganz klar mehr dafür tun, dass mehr Verbrechen von der Polizei auch wirklich aufgenommen, untersucht und verfolgt werden. Es geht darum sicherzugehen, dass kein Vergewaltiger damit davonkommt." Ein starkes Strafverfolgungssystem schrecke viel mehr ab als eine schlimme Höchststrafe.

40 Prozent für die Abschaffung

Die indische Gesellschaft ist in der Frage gespalten. In einer Umfrage, die die Zeitung "The Hindu" im Juli durchführen ließ, sprachen sich 40 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Todesstrafe aus, während 30 Prozent für die Beibehaltung waren. Indien gehört laut Amnesty International zu den 21 Staaten der Welt, wo noch hingerichtet wird. 400 Menschen sind demnach auf dem Subkontinent auf der Todesliste.

Doch in jüngster Zeit wurde das Todesurteil kaum noch vollstreckt. Zuletzt geschah das in den Jahren 1995, 2004 - und dann um den Jahreswechsel 2012/2013 gleich zweimal im kurzen Abstand. Denn Pranab Mukherjee, der im vergangenen Jahr das Präsidentenamt übernahm, lehnte laut einem Zeitungsbericht alle liegengebliebenen Gnadengesuche ab. Die letzten demnach erst im vergangenen Monat von zwei Männern, die eine 18-Jährige vergewaltigten und töteten.

Indische Gesellschaft noch nicht bereit?

"80 Prozent der Bevölkerung ist ungebildet, in den Dörfer und abgelegenen Gegenden passieren alle möglichen Verbrechen, die eine Schande für die Menschheit sind", meint der pensionierte Verfassungsrichter P.B. Sawant. Für diese Menschen sei die Todesstrafe sehr wohl eine Abschreckung. Nur die Elite in Indien glaube, darauf verzichten zu können. "Wir haben noch nicht die Stufe erreicht, auf der wir die Todesstrafe abschaffen können."

Quelle: ntv.de, Siddhartha Kumar, dpa

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