Tag drei im Steuerprozess Verteidigung hofft auf Straffreiheit für Hoeneß
12.03.2014, 14:26 Uhr
Hanns Feigens und sein Mandat Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II.
(Foto: REUTERS)
Wie "auf den Boden gekippte Schuhkartons" wirkt die Selbstanzeige von Uli Hoeneß, sagt sein eigener Anwalt. Trotzdem hofft die Verteidigung auf ein mildes Urteil. Denn im Kern sei die Selbstanzeige in Ordnung gewesen. Und noch eine Botschaft hat Rechtsanwalt Feigen: "Wir sind doch nicht dämlich."
Am dritten Tag des Steuerprozesses gegen den Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß ist die Verteidigung deutlich in die Offensive gegangen. Eine Zeugenaussage stützte zudem die Darstellung der Rechtsanwälte, man habe die Bankunterlagen nicht früher zur Verfügung stellen können. Bereits um 10.50 Uhr vertagte der Vorsitzende Richter Rupert Heindl die Verhandlung. Ein Urteil an diesem Donnerstag gilt mittlerweile als wahrscheinlich.
"Ich hoffe, dass wir morgen fertig werden", sagte Hoeneß' Anwalt Hanns Feigen nach dem dritten Prozesstag. Eine Andeutung, welches Urteil er erwarte, wollte er nicht geben. "Das hören Sie morgen in meinem Plädoyer."
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, die Anklage gehe weiterhin davon aus, dass die Selbstanzeige vom 17. Januar 2013 unwirksam sei. Laut Gesetz muss eine Selbstanzeige, wenn sie strafbefreiend wirken soll, "rechtzeitig und ordnungsmäßig" abgegeben werden. Dies war bei Hoeneß zweifellos nicht der Fall - die Selbstanzeige war unvollständig, einzelne Posten wurden dem Finanzamt erst nach und nach übergeben. Die vollständigen Unterlagen erhielten Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder erst am 27. Februar, also elf Tage vor Prozessbeginn.
"Tat war noch nicht entdeckt"
Insgesamt sei das Material nicht mit einem "Schuhkarton mit irgendwas" vergleichbar, sagte einer von Hoeneß' Anwälten. Diese Formulierung hatte der Richter am Tag zuvor gebraucht. Der Anwalt setzte nun noch einen drauf: Eher seien es viele Schuhkartons, die "auf den Boden gekippt" wurden.
Feigen räumte ein, dass die Selbstanzeige nicht vollständig war. Hoeneß' Steuerberater Günther Ache habe versäumt darauf hinzuweisen, dass in den Jahren 2006 bis 2009 zusätzliche Gewinne erzielt worden sein könnten, sagte der Rechtsanwalt. Dies jedoch ändere nichts am "Kern" der Selbstanzeige.
Vom Tisch sei zudem der Vorwurf, die Steuerhinterziehung sei zum Zeitpunkt der Selbstanzeige "ganz oder zum Teil bereits entdeckt" gewesen. Für diesen Fall wäre eine Strafbefreiung laut Gesetz ausgeschlossen. Aus Sicht der Verteidigung hat die Verhandlung ergeben, dass der "Stern"-Reporter, der im Januar schon seit Monaten zu einem Schweizer Konto einer deutschen "Sportgröße" recherchierte, am 16. Januar 2013 noch keine Ahnung hatte, dass es um ein Konto des Bayern-Präsidenten ging. Im Laufe des Verfahrens verwies die Verteidigung mehrfach auf eine Aktennotiz vom Februar 2013. Darin heißt es, die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass ohne die Selbstanzeige aller Wahrscheinlichkeit nach die Ermittlungen der Behörden ergebnislos verlaufen wären. Damit könnte die Verteidigung morgen beantragen, das Verfahren fallenzulassen.
"Wir sind doch nicht dämlich"
Zum Auftakt des dritten Verhandlungstages hatte Feigen mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert, dass "in weiten Teilen nicht verstanden wurde", was die Rosenheimer Steuerfahnderin am Dienstag ausgesagt habe. Damit meinte der Anwalt zum einen die Medien, vor allem jedoch Gerichtssprecherin Andrea Titz, die er auch namentlich ansprach. Zwischen den Zahlen der Steuerfahnderin und der Selbstanzeige gebe es keinen Widerspruch, betonte Feigen. Es gebe also keinen Grund, sagte Feigen ausdrücklich an Titz gerichtet, zu sagen, die Verteidigung sei "überrascht" gewesen. "Wir verbitten es uns, dass die Kommentierung von außen sagt, wir sind überrascht. Wir sind doch nicht dämlich."
Die Zahlen der Steuerfahnderin, die am Vortag eine Hinterziehungssumme von 27,2 Millionen Euro genannt hatte, bezweifelte Feigen ausdrücklich nicht. Er räumte auch ein, dass diese Zahl eine "Best-Case-Betrachtung" sei. Im Steuerverfahren könne man vielleicht "über das eine oder andere streiten", sagte er. Hoeneß habe das jedoch nicht vor, er wolle zu einer schnellen, einvernehmlichen Lösung kommen. Und strafrechtlich sei die exakte Summe ohnehin nicht relevant.
Selbstanzeige enthält laut Feigen alle relevanten Zahlen
Feigen machte folgende Rechnung auf, um zu begründen, warum die Selbstanzeige im Kern korrekt sei: In der Selbstanzeige sei als Gewinn für 2003 eine Summe von 51,9 Millionen Euro genannt, für 2005 eine Summe von 78 Millionen Euro. Da für alle anderen Jahre in der Selbstanzeige Verluste ausgewiesen sind, steht unterm Strich die Summe von rund 130 Millionen Euro. Davon sind nach Angaben der Steuerfahnderin 70 Millionen Euro steuerbefreit. Auf die übrigen 60 Millionen würde eine Steuer von rund 30 Millionen Euro fällig - eine Summe, die tatsächlich sehr nah bei den 27,2 Millionen liegt, von der die Rosenheimer Finanzbeamtin am Dienstag gesprochen hatte.
Am Montag hatte Feigen allerdings am Rande des Prozesses verlauten lassen, zusätzlich zu den 3,5 Millionen Euro aus der Anklage habe Hoeneß "deutlich über 15 Millionen" hinterzogen, zusammen also mindestens 18,5 Millionen Euro. Auf die Frage, warum diese Zahl so weit unter den jetzt aktuellen 27,2 Millionen liege, sagte Feigen, am Montag sei diese Summe noch nicht absehbar gewesen. Hoeneß selbst hatte in seiner Erklärung am ersten Verhandlungstag von "weiteren Steuernachzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe" gesprochen.
EDV-Experte klärt Frage der PDF-Datierung
Der Zeuge, der Hoeneß entlastete, war der EDV-Experte des Finanzamts Rosenheim. Er sollte die Erstellung der PDF-Dateien datieren, die Hoeneß' Anwälte dem Finanzamt am 27. Februar dieses Jahres übergeben hatten. Am Dienstag war durch die Aussage der Rosenheimer Steuerfahnderin der Eindruck entstanden, diese Dateien seien bereits am 18. Januar 2013 abgespeichert worden.
Diesen Eindruck korrigierte der Mann. Für die Dokumente in zwei der drei Ordner auf dem USB-Stick sei über die Metadaten zwar feststellbar, dass sie am 18. Januar 2013 "von 8.32 Uhr bis 17.16 Uhr" angelegt worden seien. Das heiße jedoch nicht, dass alle Blätter dieser Dateien ebenfalls an diesem Tag erstellt wurden. Im Anschluss an die Aussage des Mannes fasste Feigen zusammen: Die These, der USB-Stick habe Hoeneß oder der Verteidigung seit dem 18. Januar 2013 vorgelegen, sei "reiner Unfug".
Richter Heindl beendete die Sitzung mit dem Hinweis, die beiden Schöffinnen müssten noch einige Dokumente lesen. Offenbar gibt es also Beratungsbedarf. Dennoch scheint mittlerweile vergleichsweise sicher zu sein, dass es an diesem Donnerstag ein Urteil gibt.
Verteidigung dürfte Einstellung beantragen
Ein klassischer Freispruch wird es in keinem Fall sein, da Hoeneß eingeräumt hat, Steuern hinterzogen zu haben. Im für ihn besten Fall akzeptiert das Gericht die Selbstanzeige und stellt das Verfahren ein; dies könnte Feigen morgen auch in seinem Plädoyer beantragen. Sollte Richter Heindl dazu nicht bereit sein, wäre die entscheidende Frage, wie hoch die Strafzahlung ausfällt und ob eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Man wird davon ausgehen können, dass dies aus Hoeneß' Sicht der entscheidende Punkt ist: Er könne den Gedanken an eine Gefängnisstrafe "nicht zulassen", hatte er im Mai 2013 der "Zeit" gesagt.
"Wenn es zu einer Verurteilung kommt, dann wird auch die Summe der hinterzogenen Steuern eine Rolle spielen", sagte Gerichtssprecherin Titz. Die Offenheit, mit der Hoeneß sich in dem Verfahren selbst bloßgestellt hat, könnte allerdings auch strafmildernd wirken. In jedem Fall wäre schon eine Bewährungsstrafe eine Zäsur für den Bayern-Präsidenten. Und für seinen Verein. Als Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG wäre Hoeneß als vorbestrafter Steuerhinterzieher kaum zu halten.
Quelle: ntv.de