Vor 120 Jahren ermordet Warum Sisi heute Influencerin wäre
10.09.2018, 10:45 Uhr
Sisi war so eitel, dass sie sich mit Anfang 42 zum letzten Mal malen ließ. Das letzte Foto entstand mit Anfang 30.
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Sie war exzentrisch, machte täglich Sport, ernährte sich bewusst, und ihr Aussehen war ihr wichtiger als alles andere. Heute, 120 Jahre nach ihrem Tod, wäre Sisi wohl Influencerin auf Instagram. Noch immer ranken sich viele Mythen um das Leben und den Tod der Kaiserin.
Sisi war eine Zumutung, Sisi war eine selbstbewusste Frau, Sisi war unglücklich. Das Bild der österreichischen Kaiserin Elisabeth aus bayerischem Haus hat viele Facetten. Halbwahres und Falsches ist auch noch zu ihrem 120. Todestag im Umlauf. Am 10. September 1898 wurde sie am Genfer See von einem Anarchisten ermordet.
Wer sich mit der Frau von Franz Joseph I. befasst, bekommt den Eindruck, sie passte weder zum Mann noch in ihre Zeit. Sisi hätte mit ihren Allüren und ihrer Model-Figur heute wohl ein millionenfaches Publikum in den sozialen Netzwerken. Allerdings hasste es die als "feengleich" beschriebene Frau, begafft zu werden.

Ihre Wespentaille war Sisi heilig - Essen nach 18 Uhr war für die Kaiserin deshalb tabu.
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Die Romanze von Sisi und Franz, die in die Geschichte eingehen sollte, begann, als die 15-jährige Herzogin in Bayern dem damals 22-jährigen Kaiser Franz Joseph I. in Bad Ischl begegnete. "Es war wirklich der große Knall", ist sich die Kuratorin des Sisi-Museums in Wien, Olivia Lichtscheidl, sicher. Doch nach der Geburt von vier Kindern, Sisis Abneigung gegen die strenge Disziplin am Wiener Hof und der wenigen Zeit, die der extrem pflichtbewusste Kaiser für seine Frau hatte, trennten sich die Wege zusehends. Bis zuletzt behandelten sich beide aber mit Respekt.
Um der Enge des Wiener Hofs und einer zunehmend abgekühlten Ehe zu entkommen, reiste Sisi äußerst gern - je älter sie wurde, desto öfter. Ziele waren unter anderem die griechische Insel Korfu, England und natürlich ihr Schloss Gödöllö bei Budapest, wo sie sich frei fühlte.
War Sisi magersüchtig?
Außerdem spielte Sport eine enorm große Rolle in Sisis Leben - vor mehr als 150 Jahren war das mehr als ungewöhnlich. Wo immer die Kaiserin auch wohnte, hatte sie Turngeräte zur Verfügung. In Wien konnte sie sogar eine an einen heutigen Fitness-Club erinnernde Turnhalle nutzen. Am Reck machte sie Klimmzüge, an den Ringen einen Felgaufschwung. Und die wohl beste Reiterin Europas im 19. Jahrhundert saß bis zu acht Stunden täglich im Sattel und scheute kein Risiko. Wegen Rheumas sattelte sie später auf stundenlange Gewaltmärsche um. Außerdem lernte sie das Fechten und schwamm gerne.
Sisis sportlicher Ehrgeiz dürfte auch ihrem Beauty-Wahn geschuldet sein. Mehr Aufwand für die eigene Schönheit treibt heute wohl kein Hollywood-Star. Die 1,72 Meter große und 50 Kilogramm leichte Elisabeth ließ sich ihr bis zu den Fersen reichendes Haar aufwendigst pflegen. Täglich gingen dafür ein bis zwei Stunden drauf. Alle 14 Tage ließ sie ihre Haarpracht mit einer Mixtur aus Eigelb und Cognac waschen, Schminke und Parfüm lehnte sie dagegen ab. Dass Sisi der Nachwelt als junge, schöne Kaiserin in Erinnerung blieb, hat einen simplen Grund: Aus Eitelkeit ließ sie sich zuletzt mit Anfang 30 fotografieren, ein letztes Gemälde entstand mit 42 Jahren. Bis ins Alter hatte sie eine Wespen-Taille von 50 Zentimeter Umfang.

Spätestens Romy Schneider als "Sissi" in der 50er-Jahre-Verfilmung machte die Kaiserin weltberühmt.
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Die Behauptung, die Kaiserin sei magersüchtig gewesen, weist Lichtscheidl aber entschieden zurück. "Keine Magersüchtige hat so ein Haar." Vielmehr habe sich Sisi für ihre Zeit ungewöhnlich bewusst ernährt, aß Wild, viel Gemüse und Fisch. Außerdem liebte sie das von ihrer Köchin hergestellte Veilchen-Eis. Strikte Regel: Nach 18 Uhr wurde nichts mehr gegessen. Darum stocherte die Kaiserin bei späten Banketten eher lustlos auf dem Teller herum.
Extrem in jeder Hinsicht
So lustlos sie beim Essen war, so leidenschaftlich war Sisi in anderen Bereichen. "Alles, was sie gern gemacht hat, war immer extrem", meint Lichtscheidl. Dazu gehört der Sport, aber auch ihr Ehrgeiz beim Erlernen von Sprachen. Aus Begeisterung für die Antike paukte sie Alt- und Neu-Griechisch. Und aus Liebe zu Ungarn lernte sie die höchst schwierige Sprache so gut, dass sie jederzeit mit ihren dortigen Untertanen in deren Landessprache reden konnte. Zudem liebte die Kaiserin die Natur, die Berge, das Meer und die Werke des Dichters Heinrich Heine. Ihre besten Freunde waren Vierbeiner: die vielen besonders großen Doggen und irische Wolfshunde, die im Schloss herumtollen durften - sehr zum Ärger des Personals.
Neben den Tieren spielte natürlich auch die Familie eine große Rolle in Sisis Leben. Die Kaiserin hatte mit Sophie, Gisela und Marie Valerie drei Töchter, hinzu kam der einzige Sohn, Kronprinz Rudolf. Doch die von ihren Eltern angehimmelte Sophie starb bereits zweijährig auf einer Reise nach Ungarn. Und Rudolf, der mit seinen aufgeschlossenen politischen Ansichten als späterer Kaiser viel hätte bewegen können, erschoss sich mit seiner Geliebten 1889. Elisabeths Liebe gehörte daher vor allem der jüngsten Tochter Marie Valerie. Sie wurde auch im Testament gegenüber ihrer Schwester Gisela bevorzugt.
Der Mann, der dem schillernden Leben der Kaiserin schließlich ein Ende setzte, war der Anarchist Luigi Lucheni. Eigentlich wollte der einen französischen Adeligen in Genf ermorden - doch der reiste nicht an. Elisabeth dagegen hielt sich mit ihrer Hofdame inkognito in Genf auf, zumindest bis ein Zeitungsartikel die Identität des prominenten Gastes enthüllte. Lucheni stach ihr während eines Spaziergangs am See eine Feile in die Brust. Zunächst dachte die 60-Jährige, der Fremde habe ihr die Uhr stehlen wollen und rappelte sich auf. Erst Minuten später brach die durch den Stich ins Herz tödlich getroffene Elisabeth zusammen.
Schon zu Lebzeiten war die höchst extravagante Frau ein beliebtes Gesprächsthema. Die Umstände ihres Todes machten Sisi aber bald unsterblich. 1933 entstand ein Fortsetzungsroman in einer Zeitung, der wesentliche Merkmale der legendären "Sissi"-Filme aus den 1950er-Jahren vorwegnahm. Heute sind das Sisi-Museum und die kaiserlichen Appartements in der Wiener Hofburg ein von Touristen gern besuchtes Ziel - 770.000 kamen allein im vergangenen Jahr.
Quelle: ntv.de, Matthias Röder, dpa