Ende der Flut kommt in Sicht Wurde Fischbeck geopfert?
14.06.2013, 07:44 Uhr
Der Deichbruch bei Fischbeck lässt noch immer gigantische Wassermassen ins Hinterland.
(Foto: dpa)
Das Ende der Flut kommt in Sicht, aber noch immer stehen ganze Landstriche in Deutschland unter Wasser. Bei Fischbeck ergießen sich weiterhin gewaltige Wassermassen ins Land. Das Unglück der Betroffenen sorgt für Gerüchte und Spekulationen.
Die Situation in den Hochwassergebieten der Elbe bessert sich zunehmend. Die Tausenden Helfer im Kampf gegen die Wassermassen brauchen dennoch einen langen Atem. Auch wenn die Pegel beständig fallen, ist die Gefahr wegen aufgeweichter Dämme aber nicht gebannt. Mancherorts belasten heftige Regenschauer die Deiche zusätzlich. In Hitzacker in Niedersachsen dürfen die Anwohner nach dem derzeitigen Stand noch heute in ihre evakuierten Wohnungen zurückkehren. Im bayerischen Deggendorf will Bundespräsident Joachim Gauck den Helfern und Einsatzkräften danken.
"Man sollte noch nicht von Entspannung sprechen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums von Brandenburg. Noch immer sind Hunderte Einsatzkräfte und Freiwillige im Einsatz. Doch die Hochwassersituation in der Prignitz bessert sich Stunde um Stunde. In Wittenberge lag der Pegelstand der Elbe am frühen Morgen mit weniger als 7,20 Metern mittlerweile deutlich unter dem Höchststand des Hochwassers von 2002 (7,34). Das Wasser drückt aber nach wie vor massiv auf die Deiche.
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Manchmal helfen nur noch Ringdeiche
Dramatische Stunden erleben derweil die Bewohner des kleinen Ortes Garz im Havelland. Um den Pegel der Elbe um gut 30 Zentimeter sinken zu lassen, war das Wehr in Quitzöbel am Zusammenfluss von Elbe und Havel am vergangenen Sonntag geöffnet worden. Dadurch strömte das Hochwasser der Elbe die Havel hinauf und flutete die dafür vorgesehenen Polderflächen. Durch den Deichbruch bei Fischbeck bekamen es Orte wie Garz oder Kuhlhausen bei Havelberg jetzt mit Wasser aus Norden und Süden zu tun. Dies war zum Zeitpunkt der Polderflutung nicht vorauszusehen. Das Quitzöbeler Wehr musste schnell wieder geschlossen werden. Die Orte versuchen jetzt, sich mit eilig errichteten Ringdeichen zu schützen. Ringdeiche sind meist kilometerlang und müssen in kürzester Zeit aufgeschüttet werden.
Dass diese Notdeiche nicht viel aushalten, erlebten gestern Abend die Einwohner von Kamern in Sachsen-Anhalt. Dort gab der Deich unter den enormen Wassermassen des aus dem 30 Kilometer südlich gelegenen Deichbruchs bei Fischbeck nach. Bundeswehr und THW zogen ab, die Ortschaft wurde evakuiert. Nur noch eine Handvoll Bewohner kämpft jetzt verzweifelt um ihre Häuser.
Wasser läuft bei Fischbeck noch immer ein
Derweil machen in Fischbeck Gerüchte die Runde, der Ort sei geopfert worden, um die dichter besiedelten Regionen am Unterlauf der Elbe zu verschonen. Tatsächlich sinkt der Pegel der Elbe durch den Deichbruch beständig, weil noch immer enorme Wassermassen in das rechtselbische Land fließen. Den stromabwärts gelegenen Orten wie Wittenberge, Lauenburg oder Hitzacker könnte dies die vielleicht entscheidenden Zentimeter gebracht haben, um die Deiche dort vor einem Überlaufen zu schützen. Bis dahin hatten Prognosen in bislang nicht bekannter Höhe die Orte erschreckt. Allerdings - und das spricht gegen die Gerüchte - hätte die Polderflutung im Havelberger Land einen ähnlichen entlastenden Effekt gehabt. Sogar Berlin war in die Planungen einbezogen worden. Die Hauptstadt sollte möglichst viel Havelwasser zurückhalten, um mehr Platz am Unterlauf zu schaffen. Von einem "Opfern" des Jerichower Landes kann also nicht die Rede sein.
Die Bundeswehr hatte die Deichrettung in Fischbeck am vergangenen Dienstag aufgegeben und war zu neuen Aufgaben in Richtung Norden aufgebrochen. Allein in Sachsen-Anhalt steht jetzt ein rund 200 Quadratkilometer großes Gebiet unter Wasser und noch immer strömen jede Sekunde Hunderte Kubikmeter Elbwasser ins Hinterland. Tausende Menschen wurden bereits in Sicherheit gebracht, einige harren aber immer noch in ihren Häusern aus. "Wir wollen Zwangsevakuierungen der Landesregierung vermeiden", sagte eine Sprecherin des Krisenstabs der Landesregierung.
Auch das Wetter spielt nicht mit
In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern macht den Einsatzkräften zudem das Wetter Sorgen. Ein Regengebiet mit teils kräftigen Schauern zieht seit gestern Abend über die Flutregionen hinweg. Auf den Pegelstand hat der Regen zwar keinen Einfluss, jedoch belastet das Wasser von oben die Deiche zusätzlich. Auch heute sind nach Angaben der Wetterdienste noch Schauer möglich.
Entscheidung für Lauenburg und Hitzacker
Auch in Lauenburg in Schleswig-Holstein fallen die Pegelstände. Im Laufe des Tages soll sich entscheiden, ob Feuerwehr und Technisches Hilfswerk ihre Hochleistungspumpen in der Unterstadt in Stellung bringen können. Bei von Hochwasser überspülten Straßen sei das riskant, ab einem Wasserstand von 9,30 Metern aber möglich, sagte ein Sprecher des Krisenstabs. In der vergangenen Nacht lagen die Pegelstände noch knapp darüber. Wie lange es dauern wird, bis die rund 300 Bewohner wieder in ihre Häuser zurückkehren können, steht noch nicht fest.
Besser ist die Situation in Hitzacker in Niedersachsen. Die Bewohner der evakuierten Altstadtinsel sollen im Laufe des Tages in ihre Häuser zurückkehren dürfen, wie der Landkreis Lüchow-Dannenberg mitteilte.
Gauck besucht Deggendorf
Bundespräsident Joachim Gauck besucht am Mittag das Hochwassergebiet im bayerischen Deggendorf. Er will den vielen Tausend Helfern und Einsatzkräften danken und den Hochwasser- Betroffenen Mut zusprechen. Als Konsequenz aus der Flutkatastrophe will der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" künftig doppelt so viel Geld in den Hochwasserschutz investieren wie bisher. Von 2014 an sollen es 235 Millionen sein. In den Jahren seit 2000 waren es jeweils 115 Millionen Euro.
Gestern hatten Bund und Länder einen Hilfsfonds von etwa acht Milliarden Euro beschlossen. Der Bund müsse dafür neue Schulden machen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa