"König der Bankräuber" Zocha erneut vor Gericht
11.06.2009, 11:04 UhrDer als hochintelligent geltende Bankräuber und Knastausbrecher, Jan Zocha, steht erneut vor Gericht. Er muss sich wegen einer versuchten Geiselnahme im Gefängnis verantworten.
Die Jahre in seiner Einzelzelle haben den "König der Bankräuber" und "Gentleman-Gangster" augenscheinlich übel mitgenommen. Jan Zocha ist blass und aufgedunsen, als ihn vermummte Sicherheitsbeamte am Mittwoch in den Bielefelder Gerichtssaal führen. Der blonde Mann geht in winzigen Schritten. Er trägt Fußfesseln und Handschellen, die am Gürtel fixiert sind. Um ihn herum spähen ein Dutzend schlecht gelaunter Elitepolizisten durch den Raum, sogar die Sanitäterin trägt eine schusssichere Weste. Das Ganze erinnert sehr an den Horrorfilm "Das Schweigen der Lämmer". Man möchte keine neuen Überraschungen mehr erleben. Zocha hat sogar im Knast Bomben gebaut.
Der Schwerverbrecher muss sich wegen einer versuchten Geiselnahme von zwei Wärtern im Bielefelder Gefängnis Brackwede verantworten. Mit den Justizvollzugsbeamten als Geiseln und den selbst gebastelten Sprengsätzen hat er laut Anklage seine Freilassung erzwingen wollen. Ob er dazu viel zu sagen hat, bleibt am ersten Prozess-Tag offen. Der Mann mit dem hohen Intelligenzquotienten von 135 sagt schon auf die Frage nach dem Geburtsdatum nur: "Kann ich nicht sagen. Ich hatte eine Kopf-Operation." Ansonsten will er vorerst schweigen, sagt sein Anwalt.
Sogar im Knast Bombe gebaut
Dafür berichten die Opfer, was in Zelle 207 geschehen ist: Es war an einem Montagmorgen, kurz nach 6.00 Uhr früh. Die beiden Justizbeamten ahnten nichts Böses, sie wollten Jan Zocha nur sein Frühstück bringen. Einer der Wärter erinnert sich: "Als ich aufschloss, sah ich Zocha mit den beiden Tetra-Paks in der Hand. Eine Sekunde später hatten wir siedend heißes Wasser im Gesicht." Mit einem Tauchsieder hatte der Häftling das Wasser zur Waffe gemacht. Die Beamten waren völlig überrascht, schafften es aber, den Mann zurückzudrängen, der mit einem Stuhlbein auf sie eindrosch. Die Ereignisse überschlugen sich, ein Sprengsatz explodierte. "Lasst mich hier 'raus. Ich hab noch mehr davon", hat er gerufen", erinnert sich der Wärter vor Gericht. Schließlich wurde Zocha überwältigt.
Die Beamten erlitten teils schwere Verbrennungen im Gesicht. Einer von ihnen musste sich ein Jahr lang immer wieder am Auge operieren lassen und trug bleibende Schäden davon. Der andere Wächter leidet bis heute unter den psychischen Folgen. "Ich kann nachts nicht richtig schlafen. Ich habe den Zwang, über die Angelegenheit zu grübeln." Der Mann wurde dienstunfähig. Mit 55 Jahren ist er inzwischen in Pension. Sein Kollege arbeitet wieder im Zellenblock.
Zocha sitzt zurzeit eine zwölfjährige Strafe ab. In den Jahren 2002 und 2003 hatte er 14 Banken überfallen und wegen seines höflichen Auftretens als "Gentleman-Gangster" Schlagzeilen gemacht.
Tragische Kindheit
Mit seinen Talenten, so hatte eine psychiatrische Gutachterin ihm einst bescheinigt, hätte Zocha genauso gut Jet-Pilot werden können. Dass es anders kam, könnte an der unglücklichen Kindheit gelegen haben. Der notorisch gewalttätige Vater hatte die Mutter und sich selbst erschossen, als Zocha acht Jahre alt war. Es folgte eine Odyssee durch Pflegefamilien und Heime, an deren Ende der junge Zocha schon deutlich auffällig war und seine ersten Straftaten beging. Am Ende seiner Karriere hatte er rund 40 Banken überfallen.
Im Gefängnis habe der ehemals meist gesuchte Bankräuber Deutschlands nie Privatbesuch bekommen, sagt der zuständige Beamte am Mittwoch. Richterin Jutta Albert bringt dem 42-Jährigen Vertrauen entgegen. Zocha muss den Prozess weder hinter Sicherheitsglas, noch in Handschellen verfolgen. Sie erwarte vom Angeklagten, dass er sie nicht enttäusche, sagt sie. "Ich kriege die Nackenschläge, wenn das schiefgeht." Dass bei Zocha mit allem zu rechnen ist, zeigt sich in einer Prozesspause. Der Serien-Bankräuber versucht, sich selbst zu verletzen. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.
Quelle: ntv.de, Christof Bock, dpa