Mit Panzern gegen Drogenhändler Zwei Elendsviertel in Rio umstellt
27.11.2010, 09:01 Uhr
"Wenn geschossen wird, ist die Polizei genauso gefährlich wie die Banditen", sagt eine Anwohnerin.
(Foto: AP)
Nach der Erstürmung eines von Drogenbanden kontrollierten Elendsviertels in Rio de Janeiro durch brasilianische Sicherheitskräfte bleibt die Lage in der Millionenstadt angespannt. Sicherheitskräfte halten zwei Favelas umstellt. Bei den seit Sonntag anhaltenden Auseinandersetzungen wurden bislang mehr als 38 Menschen getötet.
Unterstützt von rund 800 Fallschirmjägern der Armee hat die Polizei in Rio de Janeiro damit begonnen, die Zufahrtswege zu einem weiteren Armenviertel der Zuckerhut-Metropole abzuriegeln.
200 bewaffnete Mitglieder einer Drogenbande hatten sich zuvor in das Elendsviertel Morro do Alemão geflüchtet, als die Sicherheitskräfte am Donnerstag mit Hubschraubern und sechs Truppenpanzern der Marine den benachbarten Stadtteil Vila Cruzeiro gestürmt hatten. Beobachter vermuteten, dass auch die Erstürmung Alemãos bevorstehen könnte. Derzeit sind beide Favelas, Vila Cruzeiro und Alemão, umstellt.
Bei dem am Montag begonnenen Einsatz der brasilianischen Sicherheitskräfte gegen die Drogenbanden kamen nach offiziellen Angaben bislang 38 Menschen ums Leben. Die Opfer, die zunächst nur verletzt wurden und erst später ihren Verletzungen erlagen, sind dabei nicht berücksichtigt. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, wurden allein im Getulio-Vargas-Krankenhaus in den vergangenen drei Tagen 33 Verletzte behandelt, von denen sechs gestorben seien.
"Das wird das Problem nicht lösen"
Der Einsatz gegen die Rauschgiftbanden, an dem mehr als 20.000 Einsatzkräfte von Polizei und Militär beteiligt sind, ist nach Angaben der Polizei der größte in der brasilianischen Geschichte. Knapp 200 mutmaßliche Drogenkriminelle seien festgenommen worden.
Das Elendsviertel Vila Cruzeiro im Norden von Rio gilt als eines der Hauptrückzugsgebiete der Drogenbanden. Der regionale Abgeordnete Marcelo Freixo kritisierte das Vorgehen der Polizei als wirkungslos. "Die Polizei kann in Vila Cruzeiro einmarschieren und weitere hundert Menschen töten, das wird das Problem in Rio de Janeiro nicht lösen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die Behörden gingen lediglich gegen die Kriminellen in den Straßen vor; gegen die Hintermänner etwa des Waffenhandels hingegen nicht.
In Rio leben rund zwei Millionen Menschen in den mehr als 1000 Favelas. Die Regierung will die Kontrolle über die hundert gewalttätigsten Armenviertel wiedergewinnen, bevor in dem Land 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft ausgerichtet wird und 2016 in Rio die Olympischen Spiele abgehalten werden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP