Argentiniens letzter Diktator 25 Jahre Haft für Bignone
21.04.2010, 10:48 UhrDer letzte Chef der argentinischen Militärjunta wird zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Ex-Diktator Bignone soll unter anderem an Mord und Folter beteiligt gewesen sein. Bis zuletzt gibt sich der ehemalige General uneinsichtig, die Angehörigen der Opfer sind mit dem Urteil zufrieden.
In Argentinien ist der letzte Chef der früheren Militärjunta, Reynaldo Bignone, zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter sprachen den 82-jährigen Ex-General einer Reihe von Menschenrechtsverbrechen schuldig. Sechs weitere ehemalige Junta-Angehörige erhielten Haftstrafen zwischen 17 und 25 Jahren.
Bignone wurde der Beteiligung an Mord, Folter und Entführung in 56 Fällen schuldig gesprochen. Er soll einer der Chefs des geheimen Folterzentrums auf dem Armeestützpunkt Campo de Mayo im Westen von Buenos Aires gewesen sein, in dem 4000 Oppositionelle inhaftiert wurden. Die meisten von ihnen verschwanden für immer. Inhaftierten Frauen wurden ihre neugeborenen Kinder geraubt, die dann unter falscher Identität in Junta-nahen Familien untergebracht wurden.
Das Gericht entschied, dass Bignone und seine ebenfalls mehr als 80 Jahre alten Mitangeklagten ihre Strafe im Gefängnis absitzen müssen und nicht unter Hausarrest. Bignone stand von 1982, nach Ende des Falklandkriegs, bis zur Rückkehr der Demokratie 1983 an der Spitze der Militärdiktatur in Argentinien. Mit Blick auf den Gesundheitszustand des Ex-Machthabers haben dessen Anwälte bereits Beschwerde gegen das Urteil angekündigt.
Angehörige sind zufrieden
Während der Urteilsverkündung herrschte im Prozess-Saal, in dem die Porträts von den 56 Opfern gezeigt worden, völlige Stille. Die Angehörigen der Opfer zeigten sich zufrieden mit dem Urteil. "Das war es, was wir wollten: dass sie ins Gefängnis kommen", sagte Ella Espen, die während der Diktatur ihren Sohn verlor.
Unter den seit 1976 herrschenden Militärmachthabern wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in Argentinien insgesamt 30.000 Menschen getötet oder verschwanden spurlos. In einem Interview mit einer französischen Journalistin hatte Bignone kurz vor seinem Prozess diese Zahl bestritten und von "nur 8000" gesprochen.
Ex-General uneinsichtig
In seiner Verteidigungsrede weigerte sich Bignone erneut, das Gericht anzuerkennen. Er wiederholte nochmals, dass es "nicht mehr als 8000 Tote" gegeben habe. Die Zahl der verschleppten Babys gab er mit 30 an - nach Schätzungen der Justiz waren es tatsächlich mehr als 500 Kinder, die von Familien der Junta übernommen wurden. Bis heute haben erst etwa hundert von ihnen ihre wahre Herkunft herausgefunden.
Der frühere General erklärte, er wolle lieber verurteilt als von seinen "Vorgesetzten und Untergebenen verstoßen werden, die mit mir den Horror dieses Kriegs gegen den Terror durchgekämpft haben".
Amnestiegesetze außer Kraft
"Die Gerechtigkeit kam spät, aber besser als nie", sagte Estela de Carlotto, die Präsidentin der Vereinigung Großmütter der Plaza de Mayo, denen es vor allen zu verdanken ist, dass ein Teil der verschleppten Babys heute ihre wahre Herkunft kennen.
Außer Bignone lebt heute nur noch einer der vier ehemaligen Junta-Chefs, der 84-jährige Jorge Videla. Videla wurde 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt, doch profitierte er bereits fünf Jahre später von einer Amnestie-Regelung des damaligen Präsidenten Carlos Menem. Die Amnestiegesetze wurden im Jahr 2003 wieder aufgehoben; seither befasst sich die argentinische Justiz noch immer mit dem Fall.
Quelle: ntv.de, AFP