Grünes Tischlein-Deck-Dich 60 Milliarden als Fahrplan
25.11.2007, 08:00 UhrGrünen-Chef Reinhard Bütikofer hat die Milliardenforderungen des Nürnberger Parteitags für Soziales, Bildung und Kinder gegen Vorwürfe verteidigt, es seien unfinanzierbare Wünsche.
Das geforderte 60-Milliarden-Programm für höhere Hartz-IV-Sätze, Schulen und Kindergärten sei kein "Unterfangen, das man so nebenbei auf einen Schlag umsetzen kann". Dies sei auch so beschlossen, sagte Bütikofer.
Die FDP hatte den Grünen vorgeworfen, sich mit "unseriösen Heilsideen" aus der politischen Ernsthaftigkeit zu verabschieden. "60 Wohlfühl-Milliarden mal eben so zu versprechen - irgendjemand sollte den Grünen mal sagen, dass der Goldesel und das Tischlein-Deck-Dich nur im Märchen funktionieren", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.
"Das ist kein Fantasiegebilde"
"Es geht nicht um 60 Transfermilliarden, die der Bund mal eben schnell beschließt", sagte dagegen der Grünen-Chef. "Es geht um Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung - da müssen auch Kommunen und Länder aktiv werden." Insofern sei das "mehr ein Fahrplan und eine Richtung", sagte Bütikofer. "Wir können jetzt Verbündete suchen, die sagen: Das machen wir mit. Und genau das werden wir tun."
"Wir setzen auf die Tagesordnung, was längst dort sein müsste", so Bütikofer. "Dieser Aufbruch, von dem wir reden, ist nicht ein Fantasiegebilde von einigen Grünen." Vielmehr sei er eine Notwendigkeit, "wenn eine Gesellschaft gerecht und wettbewerbsfähig sein will".
Nachhaltigkeit als Anti-Spießertum
Bütikofer räumte ein: "Das setzt voraus, dass man in öffentliche Infrastruktur investiert, und das gibt's nicht zum Nulltarif." Nachhaltigkeit auch in der Haushaltspolitik sei "nicht möglich ohne Dynamik", sagte er. "Nachhaltigkeit ist etwas anderes als die Haltung des Spießers, der sagt: Ich investiere nicht in Zukunft, weil mich die Gegenwart zwickt." Der Parteitag habe sowohl die Oppositions- als auch die Regierungsfähigkeit der Grünen gestärkt.
Insgesamt wertete der Grünen-Chef den Parteitag als erfolgreich. "Wir sind die Partei, die beim Klimaschutz den Takt angibt. Wir sind die Partei, die in der Sozialpolitik nicht zufrieden ist mit dem schalen Hin und Her zwischen Status-quo-Verwaltung und Nostalgie." Und die Grünen zeigten "klare Kante in der Rechtsstaats- und Bürgerrechtspolitik", sagte er. "Wir gehen gestärkt aus diesem Parteitag nach Hause."
"Datenschutz wird stärker eingeschränkt als nach 9/11"
Zum Abschluss des Parteitags stand der Datenschutz auf der Tagesordnung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte als Gastredner "Stakkato" der Datenschutzeinschränkungen. "In den vergangenen Monaten haben wir mehr solche Einschränkungen erlebt als nach den Anschlägen vom 11. September", betonte Schaar. Die große Koalition gebe immer häufiger ohne öffentliche Debatte grünes Licht für die Sammlung weiterer Bürgerdaten.
Angesichts der geplanten Speicherung von Telekommunikationsdaten für ein halbes Jahr sieht Schaar die Demokratie in Gefahr. Mit den Daten über Internet- und Telefonnutzung würden hochsensible Angaben gespeichert, "die vielfältige Missbrauchsrisiken mit sich bringen", sagte Grünen-Mitglied Schaar. Es stehe ein Paradigmenwechsel weg vom konkreten Verdacht hin zu "verdachts- und anlasslosem Speichern" an.
"Grüne Marktwirtschaft"
Am Samstagabend hatten die das Konzept "Grüne Marktwirtschaft" beschlossen. Damit wollen sie ökologisches und soziales Versagen des Marktes mit staatlichen Regeln und Anreizprogrammen bekämpfen. Das "Monopol" von CDU und FDP bei wirtschaftlicher Kompetenz in Meinungsumfragen müsse vor den Landtagswahlen 2008 und der Bundestagswahl 2009 gebrochen werden, forderte Fraktionschef Fritz Kuhn, maßgeblicher Autor des Papiers.
Redner der Linken kritisierten die Wortwahl des Antrags oder sagten, sie unterstützten das Modell nur, weil es mit dem Ursprungskonzept nicht mehr viel zu tun habe. Im vergangenen Jahr waren Kuhn und andere Grünen-Realpolitiker mit ihrer Betonung der Notwendigkeit wirtschaftlicher Stärke noch auf Protest Parteilinker gestoßen.
Quelle: ntv.de