Offener Zwist über Energiewende Aigner bringt FDP auf die Palme
22.08.2012, 15:42 Uhr
Dicke Luft in der Koalition: Rösler beklagt Aigners spätes Veto.
(Foto: picture alliance / dpa)
Seit Wochen ist bekannt, was Wirtschafts- und Umweltministerium vorhaben: Sie wollen den Bau und Anschluss von Offshore-Windanlagen beschleunigen, indem sie die Betreiber von möglichen Risiken befreien. Doch Verbraucherministerin Aigner fällt nun auf, dass sie das nicht akzeptieren kann - und versetzt damit FDP-Chef Rösler in Rage.
Verbraucherministerin Ilse Aigner hat einen neuen koalitionsinternen Streit über die Energiewende heraufbeschworen. Das von FDP-Chef Philipp Rösler geführt Wirtschaftsministerium attackierte die CSU-Politikerin scharf, nachdem diese ihr Veto gegen Regelungen zum beschleunigten Bau der Windräder eingelegt hatte.
Damit die Energiewende gelingt, müssen Offshore-Windanlagen an das Stromnetz auf dem Festland angebunden werden.
(Foto: dapd)
Der Offshore-Ausbau sei ein Kernelement der Energiewende, die gemeinsam von allen Partnern in der Koalition beschlossen worden sei, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. "Vor dem Hintergrund ist für uns die Kritik nicht nachvollziehbar." Mit der Verständigung auf Haftungsregeln bei Verzögerungen und Pannen habe man ein zentrales Problem beseitigt. "Die Verständigung muss jetzt schnell umgesetzt werden." Man gehe davon aus, dass es beim verabredeten Zeitplan bleibe. Aigners Ministerium betonte dagegen, verbraucherpolitische Belange müssten stärker berücksichtigt werden.
Neben Röslers Haus stimmte auch der niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner, der ebenfalls der FDP angehört, in die Kritik ein. Er sprach von einem "Blackout bei Aigner". "Die CSU torpediert die Energiewende", sagte Birkner. "Frau Aigners Position ist unverantwortlich, sie gefährdet Investitionen und Arbeitsplätze in Norddeutschland."
Mögliche Mehrkosten von bis zu acht Euro pro Jahr
Der Gesetzentwurf sollte eigentlich nächste Woche im Kabinett beschlossen werden. Die CSU-Politikerin ließ den liberalen Kabinettskollegen Philipp Rösler und CDU-Mann Peter Altmaier jedoch mitteilen, dass die geplanten Regelungen zur Beschleunigung des Baus und Anschlusses neuer Windkraftanlagen auf dem Meer von ihr abgelehnt werden. Hauptgrund sind die darin enthaltenen Regelungen, wonach Verzögerungen und Pannen von den Stromverbrauchern bezahlt werden sollen. Durch diese Haftungsübernahme sollen vor allem Netzbetreiber wie Tennet ermuntert werden, Windkraftanlagen anzuschließen.
Aigner hält dies für nicht akzeptabel: "Die Energiekosten für private Verbraucher müssen wirkungsvoll begrenzt werden und sie müssen beherrschbar bleiben", heißt es in der Stellungnahme an die Kabinettskollegen. "Vor diesem Hintergrund ist das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über den Referentenentwurf sehr erstaunt, weil er in die entgegengesetzte Richtung zeigt." Für den Verbraucher könnte es laut Aigner geschätzte Mehrkosten von sieben bis acht Euro im Jahr durch die Haftung geben.
Altmaier bleibt erst einmal gelassen
Die Verbraucherministerin zerschlägt damit das Ergebnis eines monatelangen Prozesses. Die Regelungen waren in Verhandlungen zwischen Industrie, Versorgern, Verbänden sowie Wirtschafts- und Umweltministerium ausgearbeitet worden. Sie sind schon im März veröffentlicht, in Detailfragen ergänzt und dann in Gesetzesform gegossen worden. Von Aigner waren in der Debatte bisher keine grundsätzlichen Einwände bekannt.
Regierungssprecher Steffen Seibert sprach dennoch von einem ganz normalen Vorgang in einer Ressortabstimmung und äußerte sich optimistisch, dass eine befriedigende Lösung gefunden werde. Die Verabschiedung der Haftungsregelung am 29. August im Kabinett soll eingehalten werden. "Wir befinden uns in der Ressortabstimmung." Diese sei kein leeres Ritual, sondern diene dem Zweck, dass alle Ressorts ihre Sichtweise zum Ausdruck bringen.
Seibert betonte, es gebe bei so einer neuen Technologie immer erhebliche Risiken. Deshalb sei es gewünscht, diese angemessen zu verteilen. Eine Sprecherin von Bundesumweltminister Altmaier betonte, der Minister sei ebenfalls zuversichtlich, dass alle Fragen einvernehmlich geklärt werden müssen.
Quelle: ntv.de, jog/rts/dpa