Politik

USA: "Einsätze werden nachlassen" Alliierte fliegen dritte Angriffswelle

Libysche Flugabwehr-Raketen während eines Alliierten-Luftschlages.

Libysche Flugabwehr-Raketen während eines Alliierten-Luftschlages.

(Foto: REUTERS)

Die dritte Nacht in Folge fliegen die Truppen der Vereinten Nationen Luftschläge gegen den Apparat des libyschen Machthabers Gaddafi. Ziele in Tripolis und im Osten des Landes werden angegriffen, Berichten zufolge steht der Hafen in der Hauptstadt teilweise in Flammen. Die USA gehen derweil davon aus, dass die Angriffe in den kommenden Tagen nachlassen werden, sollte "nichts Ungewöhnliches" geschehen. Die Führung für den Einsatz wollten sie in den nächsten Tagen abgeben, sagt Präsident Obama. Die EU beschließt unterdessen neue Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime.

Lagebesprechung auf dem französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle.

Lagebesprechung auf dem französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle.

(Foto: Reuters)

Die westlichen Verbündeten haben die Angriffe auf Libyen die dritte Nacht in Folge fortgesetzt. Dem staatlichen Fernsehen des nordafrikanischen Landes zufolge nahmen Kampfflugzeuge mehrere Einrichtungen in Tripolis unter Beschuss. Die Allianz bestätigte die Angaben zunächst nicht. In der Hauptstadt war auch spät in der Nacht Feuer der Luftabwehr zu hören. Durchs Zentrum schallten zugleich Slogans zur Unterstützung von Machthaber Muammar Gaddafi. Zahlreiche Autos fuhren mit hoher Geschwindigkeit und lautem Gehupe durch die Straßen.

Dem Fernsehsender Al-Dschasira zufolge griffen die Verbündeten auch Radareinrichtungen zweier Luftabwehr-Stützpunkte im Osten des Landes an. Auch zwei Marinestützpunkte in der Hauptstadt Tripolis seien angegriffen worden.

Immer wieder war in Tripolis starkes Luftabwehrfeuer der Regierungstruppen zu hören. Bilder des US-Senders CNN zeigten, wie Salven von Leuchtspurmunition den Himmel über der libyschen Hauptstadt erleuchteten.

Eine Al-Dschsira Korrespondentin berichtete von zwei starken Explosionen. Im Hafen seien anschließend zwei heftige Feuer ausgebrochen. "Wir können sehen, dass ein Teil des Hafens in Flammen steht", berichtete Anita McNaught aus Tripolis. Feuerwehrwagen seien zu den Hafenanlagen gerast. Offensichtlich seinen Marinestützpunkte Ziel der Attacken gewesen.

Sicherheitsrat tagt erneut am Donnerstag

Gaddafi-Anhänger in Tripolis.

Gaddafi-Anhänger in Tripolis.

(Foto: AP)

Die USA gehen davon aus, dass die Zahl der Angriffe in den kommenden Tagen nachlässt. "Ich denke dass wir einen Rückgang in der Häufigkeit der Angriffe erleben werden, solange nicht etwas ungewöhnliches oder unerwartetes geschieht", sagte General Carter Ham vor Journalisten in Washington. Ham leitet die am Libyen-Einsatz beteiligten US-Truppen.

Gaddafis Truppen haben zuvor vor allem im Westen zwei Städte unter Druck gesetzt, die sich den Aufständischen angeschlossen haben. Sie beschossen mit Artillerie Misurata östlich von Tripolis und Sintan westlich der Hauptstadt nahe der Grenze zu Tunesien. In Misurata seien neun Menschen getötet worden, als im Zentrum eine Menge unter Beschuss genommen worden sei, die den Widerstand gegen die Angreifer organisieren wollte, sagte ein Bewohner. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Der Weltsicherheitsrat hat unterdessen einen Antrag Libyens auf eine Dringlichkeitssitzung wegen der "militärischen Aggression" gegen das Regime von Staatschef Muammar al-Gaddafi abgelehnt. Das mächtigste UN-Gremium wird sich nun erst am Donnerstag mit der Situation in dem Land befassen. Die Forderung des libyschen Außenministers Mussa Kussa nach einer dringenden Sondersitzung wies der Rat der 15, darunter derzeit auch Deutschland, am Montagabend in geschlossener Sitzung zurück.

Aufständische begutachten zerstörte Fahrzeuge, die der libyschen Armee gehören sollten.

Aufständische begutachten zerstörte Fahrzeuge, die der libyschen Armee gehören sollten.

(Foto: REUTERS)

Stattdessen will der Sicherheitsrat die Unterrichtung durch Generalsekretär Ban Ki Moon am Donnerstag nutzen, um über die Lage in Libyen zu beraten. Die Unterrichtung ist Teil der am Donnerstag vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution, die die am Samstag begonnenen Luftschläge autorisiert. Erlaubt sind alle militärischen Maßnahmen außer Bodentruppen - solange es dem Schutz von Zivilisten dient. Deshalb können auch Angriffe auf Fahrzeugkolonnen oder Kampfpanzer von der Resolution gedeckt sein. Deutschland hatte sich wie China, Russland, Indien und Brasilien der Stimme enthalten und will sich auch nicht aktiv an dem Kampfeinsatz beteiligen.

USA wollen Leitung abgeben

Die USA wollen binnen weniger Tage die Führung des Militäreinsatzes gegen Libyen abgeben. Das sei ein Frage von Tagen und nicht von Wochen, sagte Präsident Barack Obama während seines Chile-Besuches am Montag. Voraussetzung sei, dass die Luftabwehr Libyens weitgehend ausgeschaltet ist. Unklar ist allerdings, wer dann die Führung des Einsatzes übernehmen soll. Die Nato ist sich darüber nicht einig.

In Bengasi haben die Rebellen die Lage offenbar in Kontrolle. Das will Gaddafi ändern.

In Bengasi haben die Rebellen die Lage offenbar in Kontrolle. Das will Gaddafi ändern.

(Foto: REUTERS)

Trotz der massiven Luftschläge des Westens auf seine Panzer und Kommandostrukturen geht Libyens Staatschef Gaddafi weiter militärisch gegen die Rebellen im Land vor. Bei einem "grünen Marsch" auf Bengasi will er nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Jana Tausende Anhänger in die größte von Rebellen gehaltene Stadt im Osten des Landes schicken. Am Sonntag hatte die libysche Armee noch eine einseitige Waffenruhe verkündet. Doch davon ist bislang nichts zu spüren. Gaddafis Truppen griffen unter anderem Stellungen der Rebellen in der Stadt Al-Sintan an, wie der Sender Al-Arabija unter Berufung auf Augenzeugen berichtet.

Gaddafi traf sich in der Nacht mit Mitgliedern eines Volkskomitees, um einen "grünen Marsch" nach Bengasi zu organisieren. Die "Demonstranten" würden sich in friedlicher Absicht auf dem Weg in die Stadt im Osten machen. Bewaffnete Bürger würden sie aber begleiten, da die andere Seite ebenfalls bewaffnet sei. Ziel sei es, Pläne der Ausländer zu durchkreuzen, die Libyen ausplündern wollten. Der Vormarsch wurde aber offenbar gestoppt. Die libysche Armee zeige "wenig Willen oder Fähigkeit, die Offensive wiederaufzunehmen", sagte der Chef des US-Afrikakommandos, Carter Ham.

Menschliche Schutzschilde?

Die Rebellen warfen den Gaddafi-Truppen vor, Zivilisten in die umkämpfte Stadt Misurata zu bringen, um sie dort als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Nach Angaben von Bewohnern war die Stadt von Gaddafi-Truppen eingekesselt und von der Wasserversorgung abgeschnitten. Auch in Adschdabija spitzte sich die Lage zu. Ein Aufständischer sagte: "Wenn wir nicht mehr Hilfe vom Westen bekommen, werden uns Gaddafis Truppen lebendig aufessen." Der Nationale Rat der Rebellen lehnte allerdings Verhandlungen mit Gaddafi ab. Kämpfe gab es auch um die Städte Senten und Jefren südwestlich von Tripolis.

Der zerstörte Gebäudekomplex in Bab el Asisija. Ob Menschen ums Leben kamen ist unklar.

Der zerstörte Gebäudekomplex in Bab el Asisija. Ob Menschen ums Leben kamen ist unklar.

(Foto: AP)

Auch die Angriffe der alliierten Truppen dauern mit unverminderter Härte an. Französische Kampfflugzeuge flogen nach Angaben eines Militärsprechers weitere Einsätze zur Durchsetzung der Flugverbotszone. Mit einem Angriff auf einen Militärstützpunkt, auf dem Gaddafi und seine Familie leben, beschädigten die Alliierten in der Nacht dabei angeblich ein militärisches Kommandozentrum schwer. Eine gezielte Tötung Gaddafis sei aber nicht das Ziel, stellte die britische Regierung klar. Die UN-Resolution 1973 erlaube dies nicht. Der Einsatz diene ausschließlich dem Schutz von Zivilisten. Auch US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte gesagt, ein Angriff auf Gaddafi wäre "unklug".

Ziel bleibt nur der Schutz

Ziel der Koalitionstruppen ist nach Angaben General Hams aber auch nicht die Unterstützung der libyschen Rebellen. Es gehe vielmehr um den Schutz von Zivilisten in dem nordafrikanischen Land. "Wir schützen Zivilisten... Wir haben keinen Militäreinsatz, die Opposition zu unterstützen", sagte General Ham. Dies gelte konkret für die Auswahl der Ziele für Koalitions-Angriffe.

Die Flugverbotszone nähert sich nach den Worten des Generals immer mehr der Hauptstadt Tripolis. Man gehe davon aus, dass die Zone, in der keine libyschen Flugzeuge fliegen dürfen, schon bald die Städte Brega and Misurata, rund 200 Kilometer östlich von Tripolis, umfasse. Zunächst galt die Zone am Wochenende lediglich für die Rebellenhochburg Bengasi im Osten des Landes. In diesem Gebiet hätten die Einheiten Gaddafis praktisch keine Möglichkeit mehr zur militärischen Initiative.

US-Präsident Barack Obama bekräftigte seine Forderung nach einem Machtwechsel in Libyen bekräftigt. "Gaddafi muss gehen", sagte er bei einem Besuch in Chiles Hauptstadt Santiago de Chile vor Journalisten. "Wir verfügen neben unseren militärischen Fähigkeiten über eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten, um diese Politik zu unterstützen", fügte Obama hinzu. Angesichts der Angriffe auf Zivilisten durch Truppen von Gaddafi sei ein militärisches Eingreifen unvermeidbar gewesen: "Wir dürfen da einfach nicht mit leeren Worten zusehen", sagte der US-Präsident. Er gehe davon aus, dass europäische und arabische Länder in Kürze das Kommando über den Einsatz übernehmen würden.

EU beschließt Sanktionen

Während die NATO streitet, setzen die Alliierten ihre Angriff fort.

Während die NATO streitet, setzen die Alliierten ihre Angriff fort.

(Foto: AP)

Derweil hat sich die EU auf neue Sanktionen gegen Libyen geeinigt. Die Außenminister der 27 EU-Staaten beschlossen in Brüssel, neun Firmen - darunter drei führende Geschäftsbanken - in eine Liste von Unternehmen aufzunehmen, deren Konten eingefroren werden. Die Liste von knapp 30 Personen, denen die Einreise in die EU verboten wurde und deren Konten gesperrt wurden, wurde um elf Mitglieder des Führungskreises von Gaddafi erweitert. Deutschland hofft nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle zudem auf ein vollständiges Öl-Embargo der EU gegen Libyen noch in dieser Woche.

Angesichts der anhaltenden Gewalt in Libyen wollen die EU-Staaten humanitäre Einsätze notfalls militärisch schützen. Wenn die Vereinten Nationen eine entsprechende Anfrage stellten, seien sie zu diesem Schritt bereit, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister. Ein solcher Einsatz müsse jedoch von den Vereinten Nationen koordiniert werden. Ein solcher Einsatz bedeute jedoch "auch operativ erhebliche Risiken", sagte Außenminister Westerwelle. "Es hört sich in einer so konfliktreichen Region einfacher an als es wirklich ist. Man muss ja auch die Helfer schützen können."

NATO ohne Einigung

Die NATO ist dagegen weiterhin gespalten, was eine Beteiligung an der Militäraktion in Libyen betrifft. Schon seit Freitag blockieren Frankreich und die Türkei im NATO-Rat aus unterschiedlichen Gründen ein Mandat, das vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Flugverbot militärisch durchzusetzen. Frankreich wehrt sich gegen eine Führungsrolle der NATO. Allenfalls sei man bereit, der EU eine solche Rolle zuzugestehen. Die Türkei, die zum Libyen-Gipfel am vergangenen Wochenende von Frankreich nicht eingeladen worden war, blockierte nach Worten von Verteidigungsminister Vecdi Gönül mit der Begründung, sie könne die Rolle Frankreichs nicht verstehen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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