Politik

Urlaube, Kredit, Anzeigenkampagne Ältestenrat berät über Wulff

Der Niedersächsische Landtag befasst sich heute mit Wulff.

Der Niedersächsische Landtag befasst sich heute mit Wulff.

(Foto: dapd)

Für Präsident Wulff ist die Vorweihnachtszeit in diesem Jahr höchst ungemütlich. In einer Sondersitzung prüft der niedersächsische Ältestenrat heute Wulffs Privatkredit und diverse Verbindungen zu Geschäftsleuten. Der Unternehmer Maschmeyer bestätigt, eine Anzeigen-Kampagne für ein Interview-Buch Wulffs bezahlt zu haben. FDP und Grüne fordern klärende Worte.

Der niedersächsische Landtag befasst sich heute Nachmittag mit den Vorwürfen gegen Präsident Christian Wulff. In einer Sondersitzung will der Ältestenrat prüfen, ob Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat, als er 2008 ein 500.000-Euro-Darlehen von der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens annahm. Zugleich sollen seine Verbindungen auch zu anderen Geschäftsleuten durchleuchtet werden, bei denen Wulff als Regierungschef Urlaub gemacht hatte.

Zentrale Frage ist, ob Wulffs Vorgehen mit dem Ministergesetz im Einklang steht, das Politikern untersagt, Geschenke in Bezug auf ihr Amt anzunehmen. Am Sonntag hatte der Bundespräsident eine veröffentlichen lassen. Danach verbrachte er als Regierungschef zwischen 2003 und 2010 insgesamt sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf Norderney.

Wulff muss sich auch Fragen zu seinen Urlauben stellen lassen.

Wulff muss sich auch Fragen zu seinen Urlauben stellen lassen.

(Foto: dpa)

Die Unternehmerin Angela Solaro-Meyer bezeichnete die Urlaube in ihrem Haus auf Norderney als rein privat. Die Inhaberin eines Süßwarenfachgeschäfts auf der Nordseeinsel bestätigte im Sender MDR, dass Wulff 2008 und 2009 bei ihr Ferien gemacht hatte. Sie bestritt aber nachdrücklich, dass es dabei um geschäftliche Dinge gegangen sei: "Das ist eine rein private Freundschaft. Ich würde niemals Vorteile davon haben wollen", sagte sie.

Nach Ansicht des Steuerexperten Peter Bilsdorfer sind die Gratis-Urlaube Wulffs bei befreundeten Unternehmern als Schenkungen anzusehen. Für Schenkungen müssten über einem Freibetrag von 20.000 Euro Steuern entrichtet werden, sagte der Vize-Präsident des saarländischen Finanzgerichts der "Frankfurter Rundschau". "Es stellt sich die Frage, ob Wulff wegen der Vielzahl der geschenkten Luxusurlaube schenkungssteuerpflichtig war."

Maschmeyer bezahlte Anzeigen-Kampagne

Der niedersächsische Unternehmer bezahlte indes 2008 eine Anzeigen-Kampagne für ein Interview-Buch, in dem Wulff sein privates und politisches Leben beschreibt. Ein Sprecher Maschmeyers bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung.

In Berlin nehmen Journalisten Einblick in die Unterlagen zu Wulffs Kredit.

In Berlin nehmen Journalisten Einblick in die Unterlagen zu Wulffs Kredit.

(Foto: REUTERS)

Danach hatte der Gründer des Finanzdienstleister AWD für die Zeitungsanzeigen rund 42.700 Euro aus seinem Privatvermögen ausgegeben. Mit den Annoncen war im Herbst 2007 während des niedersächsischen Landtagswahlkampfs für das Buch "Besser die Wahrheit" geworben worden, in dem sich der Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Wulff umfassend darstellte.

Maschmeyer sagte der "Bild"-Zeitung, er habe "die Anzeigen privat bezahlt", sie jedoch nicht steuerlich geltend gemacht. Mit Wulff habe er darüber nicht gesprochen. Der Sprecher Maschmeyers bestätigte auf Anfrage diese Darstellung. Von Wulffs Anwälten war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Der "Bild"-Zeitung erklärte Rechtsanwalt Gernot Lehr, Wulff sei von den Zahlungen Maschmeyers nichts bekanntgewesen.

Das Interview-Buch war dem Bericht zufolge ein wichtiges Instrument im damaligen CDU-Landtagswahlkampf: Die Partei habe seinerzeit einige tausend Exemplare gekauft und sie als Wahlwerbung für den damaligen Ministerpräsidenten Wulff verschenkt, berichtet das Blatt. Wulff hatte sich im Sommer 2010 kurz nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt auch in einer Ferienanlage Maschmeyers auf Mallorca eingemietet.

"Moralische Selbstinszenierung"

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte Wulff indirekt aufgefordert, die offenen Fragen zu seiner Tätigkeit in Niedersachsen zu beantworten. "Der Bundespräsident wird mit diesen Fragen auch so umgehen, dass er den Sachverhalt aufklärt", sagte die FDP-Politikerin in der ARD und betonte dabei besonders das Wort "er". "Die Fragen, die zu klären sind, wird der Bundespräsident klären." Zugleich spielte sie die Rücktrittsforderung ihres Fraktionskollegen Erwin Lotter als "vereinzelte Stimme" herunter.

Nach Ansicht des Fraktionsgeschäftsführers der Grünen im Bundestag, Volker Beck, hat Wulff eine Bringschuld bei der Aufklärung. "Erklärungsbedürftig ist meines Erachtens insbesondere: Warum nahm Christian Wulff seinen Freund Egon Geerkens dreimal mit auf Auslandsreisen?", sagte Beck dem "Handelsblatt". "Was hat ein eremitierter Unternehmer in einer Wirtschaftsdelegation eines Ministerpräsidenten verloren? War das ein Freundschaftsdienst oder gibt es einen sachlichen Grund hierfür?" Der "Spiegel" hatte eine Reise Wulffs von 2009 genannt, an der Geerkens teilgenommen haben soll, nachdem Wulff den Privatkredit erhalten hatte.

Derweil werden mehr Rücktrittsforderungen laut, jetzt aus der Linken. Bundespräsident Wulff sei nicht mehr glaubwürdig und müsse daher zurücktreten, sagte der stellvertretende Bundestagsfraktionschef Ulrich Maurer im Südwestrundfunk. "Er wird sonst meines Erachtens nie wieder als unbestechliche und der Wahrheit verpflichtete Person angesehen werden."

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, rief zu einem schonenden Umgang mit Wulff auf. "Europa steht zumindest wirtschaftlich vor dem Abgrund und der Rassismus droht - durch den Naziterror deutlich geworden - sich in unsere Gesellschaft hinein zu fressen", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir brauchen jetzt mehr denn je ein stabiles politisches Berlin, damit unserer Gesellschaft nicht weiter auseinander driftet."

Deutsche stützen noch Wulff

Ein Großteil der Deutschen ist einer Umfrage zufolge gegen einen Rücktritt des Bundespräsidenten. Nach dem am Montag erhobenen ARD-Deutschlandtrend plädieren 70 Prozent dafür, dass Wulff weiter im Amt bleiben soll. Allerdings finden es weniger als die Hälfte - 49 Prozent der Befragten - in Ordnung, wenn ein Ministerpräsident von einem befreundeten Unternehmer einen privaten Kredit annimmt.

Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent hält Wulff für glaubwürdig - 23 Punkte weniger im Vergleich zum Juli 2010, als der frühere Ministerpräsident Niedersachsens ins Schloss Bellevue einzog. 44 Prozent der Bundesbürger halten Wulff für nicht glaubwürdig, das ist ein Anstieg von 29 Punkten. Ehrlichkeit bescheinigen dem Bundespräsidenten 41 Prozent der Deutschen, während 47 Prozent ihn nicht für ehrlich halten.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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