Elektroschocks und sexuelle Gewalt Amnesty prangert Ägypten an
02.10.2012, 12:06 Uhr
Ägyptische Sicherheitskräfte gehen oft rigoros gegen Demonstranten vor.
(Foto: AP)
Die Sicherheitskräfte unter dem ägyptischen Mubarak-Regime waren berüchtigt, Folter und exzessive Gewalt waren an der Tagesordnung. Nun zeigt sich: Auch unter einer neuen Regierung bleiben sich die Sicherheitsorgane treu.
Die Menschenrechte werden in Ägypten heute noch genauso mit Füßen getreten wie in der Ära von Präsident Husni Mubarak. Wer in die Hände der Sicherheitskräfte gerät, dem drohen weiterhin sexuelle Gewalt und Elektroschocks. Zu diesem Schluss kommt ein in Kairo veröffentlichter Bericht der internationalen über Gewalt durch Polizeikräfte und Soldaten.
Darin heißt es, Präsident Mohammed Mursi und die neue Regierung hätten bislang nichts gegen die weit verbreitete Misshandlung von Demonstranten und Häftlingen unternommen. Auch dem Obersten Militärrat, der nach dem erzwungenen Rücktritt Mubaraks im Februar 2011 für 16 Monate die Macht übernommen hatte, stellen die Menschenrechtler ein schlechtes Zeugnis aus.
Der Bericht führt Beispiele von Demonstranten auf, die mit Elektroschocks traktiert und sexuell gedemütigt wurden. Polizisten und Soldaten hätten auf Proteste mehrfach mit "exzessiver Gewalt" reagiert, heißt es. Dadurch hätten sie den Tod Dutzender Demonstranten provoziert, prangert Amnesty an.
Kein Offizier bisher verurteilt
Laut Amnesty müssen Polizisten und Soldaten auch heute in der Regel nicht mit harten Strafen rechnen, wenn sie willkürlich Zivilisten angriffen oder misshandelten. Bisher sei kein einziger Offizier von einem Zivilgericht wegen der Misshandlung dem dem Tod friedlicher Demonstranten verurteilt worden, kritisiert die Organisation. "Soldaten und Polizisten werden auch in Zukunft solche Verbrechen begehen, wenn sie keine Bestrafung fürchten müssen", sagt Ruth Jüttner, Nahostexpertin von Amnesty International.
Amnesty fordert eine umfassende Reform der Polizei, um die "tief verwurzelte Kultur der Misshandlung und des Machtmissbrauchs" zu beenden. "Dazu müssen alle Polizeioffiziere gründlich überprüft werden und diejenigen suspendiert werden, denen Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Eine unabhängige Instanz zur Kontrolle der Polizei muss geschaffen werden", so Jüttner. "Verschiedene Innenminister haben schon angekündigt, die Polizei zu reformieren. Aber alle bisherigen Reformen haben ." Präsident Mursi hat zwar eine Reform des Polizeiapparats versprochen. Doch diese lässt bislang auf sich warten.
Amnesty erinnert die neue ägyptische Führung, die von den islamistischen Parteien dominiert wird, an ihre historische Verantwortung. "Präsident Mohammed Mursi hat die historische Chance, mit dem blutigen Vermächtnis von Polizei und Armee zu brechen", so Jüttner. "Er muss sicherstellen, dass die Sicherheitsorgane zukünftig nicht mehr außerhalb des Gesetzes stehen." Einer der Auslöser für die sogenannte ägyptische Revolution vom 25. Januar war der Tod von Chaled Said aus Alexandria gewesen. Der junge Mann war von zwei korrupten Polizisten zu Tode geprügelt worden.
"Wie können sie uns nur so demütigen?"
Die ganze Enttäuschung einer Generation, die gehofft hatte, nach Mubaraks Sturz werde nun ein neues, besseres Zeitalter anbrechen, spricht aus dem Kommentar eines von Amnesty befragten Folteropfers. Der 19-jährige Islam Mustafa Abu Bakr sagte: "Wie können sie uns nur so demütigen, und dann kommen sie auch noch ungeschoren davon, nach allem, was wir während der Revolution getan haben, um dieses Land besser zu machen." Abu Bakr wurde wegen seiner Teilnahme an den Protesten vor dem Kabinettsgebäude im Dezember 2011 angeklagt.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa